Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gestaltung der Arbeitszeit ist Thema
IG Metall Albstadt gehört zu größeren Geschäftsstellen des Landes
FRIDINGEN (sz) - „Arbeitszeit – sicher, gerecht und selbstbestimmt“lautete das Motto der zweiten Delegiertenversammlung der IG Metall Albstadt in der Festhalle in Fridingen an der Donau. Zu Beginn der Delegiertenversammlung gab der erste Bevollmächtigte, Walter Wadehn, einen Geschäftsbericht, bei dem er lobend hervorhob, dass die IG Metall Albstadt mit 15 105 Mitgliedern zu den größeren Geschäftsstellen der IG Metall in Baden-Württemberg gehört.
Die Delegierten wählten Gudrun Lieb, Betriebsratsvorsitzende der Firma HUM neu mit mehr als 96 Prozent in den IG Metall Ortsvorstand. Diese Nachwahl war nötig geworden, weil die Geschäftsleitung der Firma Johannes Boss das bisherige Ortsvorstandsmitglied massiv an der Ausübung des gewerkschaftlichen Ehrenamtes behindert hatte. Georg Faigle, IG Metall Sekretär der IG Metall Albstadt, berichtete von der Tarifauseinandersetzung im Kfz-Handwerk. Der IG Metall sei es nach mehreren Warnstreiks gelungen, 2,9 Prozent ab August 2017 und weitere 2,9 Prozent ab November 2018 durchzusetzen. Außerdem gäbe es eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro.
Die Gestaltung der Arbeitszeit in den kommenden Jahren war das zentrale Thema der Delegiertenversammlung. Die Arbeitszeit, so Walter Wadehn, bestimme darüber, welche Beschäftigten am Arbeitsleben teilnehmen könnten. Die Arbeitszeit spiele aber auch eine große Rolle bei der Gesundheit, beim Einkommen, der Freizeit, aber auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Mehr als 5400 Beschäftigte im Bereich der IG Metall Albstadt hatten sich an der Befragung zur Regelung der Arbeitszeit beteiligt. Bundesweit waren es sogar mehr als 680 000. Die meisten Beschäftigten zeigten sich mit den heutigen tariflichen Arbeitszeitregelungen zufrieden, was ein riesiges Lob für die Betriebsräte, aber auch für die IG Metall Tarifpolitik darstelle. Die häufigste Kritik kam jedoch von den Schichtarbeitern, die sich über überlange Arbeitszeiten, ungesunde Schichtwechsel, Wochenendarbeit und wenig Gestaltungsmöglichkeiten beklagten. Für die Mehrzahl der Beschäftigten (66 Prozent in der Metall- und Elektroindustrie) bleibt die 35-Stunden-Woche die Wunscharbeitszeit. Etwa 16 Prozent gaben Wunscharbeitszeiten bis 40 Stunden an, aber nur sehr wenige Beschäftigte wollen dauerhaft deutlich über 40 Stunden arbeiten. Bundesweit verfielen mehr als eine Milliarde Arbeitsstunden jährlich. Dies sei faktische Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug, so Wadehn.
Anspruch auf vorübergehende 28-Stunden-Woche
Die IG Metall diskutiert derzeit mit Betriebsräten und Vertrauensleuten den rechtlichen Anspruch aller Beschäftigten auf eine vorübergehende Absenkung der individuellen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden pro Woche. Alle zwei Jahre, so Wadehn, soll es ein automatisches Rückkehrrecht zur 35-Stunden-Woche geben. Für besonders belastete Beschäftigte wie Schichtarbeiter, für Menschen, die sich um Kinder kümmern oder Pflegebedürftige betreuen, soll es einen Entgeltausgleich geben.
Im kommenden Jahr feiere der gesetzliche Acht-Stunden-Tag sein 100jähriges Jubiläum. Die Arbeitgeber wollten mit dem Schlagwort Flexibilisierung den Acht-Stunden-Tag nach 100 Jahren endgültig abschaffen und auch die Ruheszeit von elf Stunden kippen. Um die Arbeitszeitwünsche umzusetzen, müsse die IG Metall den Manteltarifvertrag kündigen. Da Arbeitzeitfragen schon immer Machtfragen gewesen seien, müssten sich die Metallbeschäftigten im kommenden Jahr auf eine heftige Tarifauseinandersetzung vorbereiten. Das neue Arbeitskampfkonzept der IG Metall mit möglichen ganztägigen Streiks, würde erstmals in der Fläche erprobt. Zum Abschluss der Konferenz ehrten Walter Wadehn und Michael Föst Betriebsräte der Firmen Aesculap, Steinmeyer und Chiron für ihre gute Werbertätigkeit für die IG Metall.