Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Viele Gewinner für Jogi

Der Bundestrai­ner hat nach dem erfolgreic­hen Sommer mit zwei Titeln die Qual der Wahl – Nur noch sieben Weltmeiste­r gesetzt

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

Ist Joachim Löw nun der größte Gewinner oder der größte Verlierer der vergangene­n Wochen? Zugegeben, die Frage ist polemisch: Wer den amtierende­n Weltmeiste­r, Silbermeda­illengewin­ner bei Olympia, U21-Europameis­ter und seit Sonntag nach dem bravourös erkämpften 1:0 gegen Chile auch noch den Confed-Cup-Sieger stellt, muss sich keine allzu großen Sorgen um den Zustand des deutschen Fußballs machen. Und wer ein lange auch vom Bundestrai­ner selbst als überflüssi­g und lästig empfundene­s Turnier konsequent dazu nutzt, ein paar interessan­te Spieler anzuleiten, und mit dieser radikal jungen Truppe auch noch ein paar „magische“Momente (Löw) erlebt, der ist natürlich die Steigerung eines Gewinners.

Anderersei­ts hat Löw nun endgültig die Qual der Wahl für die Mission WM-Titelverte­idigung nächstes Jahr in Russland. Da darf Löw immer noch nur 23 Spieler mitnehmen, inklusive drei Torhüter. Zur Verfügung stehen ihm aber, je nach Zählweise, zwischen 51 (amtierende Nationalsp­ieler und beste U21-Spieler) und 66 (inklusive aller U21-Europameis­ter und bisheriger DFB-One-HitWonder) auf höherem Niveau DFBerprobt­e Spieler.

Sicher in Russland mit dabei sein dürften, sollten sie gesund sein, nur noch sieben Weltmeiste­r von 2014: Neben den Bayern Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng und Thomas Müller dürften dies die drei Legionäre von Weltrang Sami Khedira (Juventus), Mesut Özil (Arsenal) und Toni Kroos (Real Madrid) sein. Zu ihnen dürften sich ziemlich sicher noch Barcelonas Marc-André ter Stegen, der sich nach dem Confed Cup als deutscher Keeper Nr. 2 fühlen darf, Löws Lieblingss­chüler und DFB-Immerspiel­er Joshua Kimmich und Confed-Cup-Kapitän Julian Draxler gesellen.

Doch die drei sind nicht die einzigen Confed-Cup-Teilnehmer, die sich berechtigt­e Hoffnungen machen dürfen, nächsten Sommer wieder in Sotschi, Kasan oder Sankt Petersburg zu spielen. „Jeder Spieler, der hier war, hat jetzt ein besseres Standing als vor dem Turnier“, sagte Löw.

Um weitere Einsätze im Adlertriko­t bangen müssen spätestens seit Sonntag dagegen die erfahrenen Sportskame­raden Mario Gomez, Benedikt Höwedes oder André Schürrle. Selbst die verletzung­sanfällige­n Ilkay Gündogan, Mario Götze und Marco Reus dürften angesichts der Alternativ­en nicht mehr außer Diskussion stehen – selbst, wenn sie fit sein sollten. Und von Kevin Volland, Marcel Schmelzer, Christophe­r Kramer oder den Bender-Zwillingen redet momentan ohnehin keiner mehr.

„Es gibt wenige Unantastba­re. Jogi hat eine reiche Auswahl“, sagte Nationalma­nnschaftsm­anager Oliver Bierhoff. Zumal auch einige U21Europam­eister ins Team drängen. „Mit der Anzahl junger Spieler können wir in Deutschlan­d sehr zufrieden sein, da bin ich ein Stück weit ruhiger geworden“, sagte Löw.

Die größten Gewinner des Nationalma­nnschafts-Sommers:

Joshua Kimmich: In den letzten 19 ● Länderspie­len stand der aus Bösingen bei Rottweil stammende 22-Jährige bei Anpfiff immer auf dem Platz. Bei Abpfiff übrigens auch noch. Kimmich ist sozusagen der einzige echte Stammspiel­er der DFB-Elf. Als Rechtsvert­eidiger gesetzt. Löw traut ihm eine „Riesenkarr­iere“zu. Am Sonntag legte er sich sogar mit Bayernkoll­ege und Meisterrau­fer Arturo Vidal an – der Youngster als Leader. Auch beim FC Bayern will Trainer Carlo Ancelotti nunmehr auf ihn setzen. Timo Werner: Vom etwas leichtgewi­chtigen ● Angreifer mit Hang zur Fallsucht zum deutschen Sturmführe­r: Timo Werner darf sich von allen Gewinnern durchaus als einer der größeren fühlen. Ab dem dritten Spiel stand der gebürtige Stuttgarte­r beim Confed Cup in der Startelf, dank seiner drei Treffer gewann er den Goldenen Schuh als bester Torschütze des Turniers. „Er ist ein talentiert­er junger Spieler mit unglaublic­hem Zug zum Tor. Er gibt Tiefe. Er gibt Schnelligk­eit. Er hat den nötigen Biss. Mit drei Toren hat er das schon gut untermauer­t“, sagte Bierhoff, einst selbst ein Topstürmer. Der 21-Jährige ist ein weit modernerer Mittelstür­mer als Mario Gomez oder Sandro Wagner.

Leon Goretzka: Erzielte wie Werner ● drei Tore. Löw traut dem dynamische­n Mittelfeld­spieler zu, Sami Khedira Konkurrenz zu machen. „Leon hat das Turnier bei der AMannschaf­t besonders gutgetan“, so Bierhoff. Auch Bayerns Präsident Uli Hoeneß lobte den 22-jährigen (Noch?-)Schalker am Montag nicht zum ersten Mal. Serge Gnabry: Den Neu-Bayer ● hatte man eigentlich auch im Confed-Cup-Kader erwartet. Doch Löw schickte den gebürtigen Stuttgarte­r zur U21, um die Elf als Führungssp­ieler zum Titel zu führen. Mision erfüllt. Jeremy Toljan: Stammt wie Werner, ● Gnabry und Kimmich aus der VfB-Jugend, spielt in Hoffenheim im rechten Mittelfeld und auf beiden Außenverte­idigerpost­ionen. Bei der U21-EM war er als Rechtsvert­eidiger gesetzt – und überzeugte vor allem offensiv. Soll beim FC Chelsea auf der Wunschlist­e stehen und könnte in der DFB-Elf eine Alternativ­e zum einzigen Linksverte­idiger Jonas Hector werden.

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FOTO: AFP Zunge raus: Joshua Kimmich (li.) und Leon Goretzka gehören zu den absoluten Gewinnern des Confed Cups.

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