Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Späterer Schulbeginn ist kein Thema
Sigmaringer Rektoren haben der Forderung von Schlafforschern viel entgegenzusetzen
SIGMARINGEN - Schlafforscher fordern einen späteren Schulbeginn. Neun Uhr wäre eine gute Zeit, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM), Alfred Wiater, kürzlich in Köln. Ein Unterrichtsbeginn noch vor acht Uhr sei „sicherlich problematisch“. Eine Studie der Universität Leipzig vom vergangenen Jahr habe gezeigt, dass schon eine halbe Stunde weniger Schlaf die Leistungsfähigkeit in der Schule um 30 Prozent reduziere. In Sigmaringen ist ein späterer Unterrichtsbeginn derzeit kein Thema. Jede Schule kann selbst festlegen, wann es losgeht. Doch ganz so frei, wie es scheint, sind Bildungseinrichtungen dann doch nicht in der zeitlichen Gestaltung.
Norbert Schwenold, Rektor der Geschwister-Scholl-Schule und geschäftsführender Schulleiter hat vor etwa fünf Jahren einen Versuch unternommen, den Schulbeginn aus logistischen Gründen um wenige Minuten zu verschieben – der Versuch scheiterte. „Es war ein Ding der Unmöglichkeit, das komplexe Netz des öffentlichen Nahverkehrs umzustellen.“Jede Änderung im Fünf-Minuten-Bereich würde weitreichende Konsequenzen für Verkehrsunternehmen nach sich ziehen. Der Schlaf der Schüler sei beim Versuch nicht ausschlaggebendes Argument gewesen, vielmehr sprachen logistische Gründe dafür. Die Schulen in Sigmaringen beginnen zu unterschiedlichen Zeiten. Um 7.55 Uhr beginnt der Unterricht an der GeschwisterScholl-Schule. „In Laiz beginnt der Unterricht bereits gegen halb acht, aufgrund der Kinder, die mit dem Bus aus dem Donautal kommen.“
Busanbindung gibt Rahmen vor
Einem Unterrichtsbeginn um 8.55 Uhr, also einer vollen Stunde später, stünde laut Schwenold aus Sicht des ÖPNV wiederum nichts im Wege, da der Fahrtakt beibehalten würde. „Da könnten uns dann aber der Bildungsplan und die Kontingentsstundentafel einen Strich durch die Rechnung machen.“Bei den Kleinen könnte zwar der Unterrichtsausfall mit Beginn zur zweiten Stunde abgefangen werden, bei den älteren Schülern würde sich dies schwierig gestalten. Auch wegen der Betreuung: „Viele Eltern bringen ihre Kinder um 7 Uhr.“Würde die Schule später anfangen, müssten mehr Eltern diesen Service in Anspruch nehmen und dafür 30 Euro im Monat bezahlen. Mehr Schlaf für die Schüler – an der GSS ist das kein Thema. „Das Lernfenster ist, vor allem jetzt im Sommer, bei Grundschülern frühmorgens weit offen.“Auch bei den privaten Freizeitangeboten befürchtet Schwenold Kollisionen. Die Schule endet spätestens um 15.45 Uhr, das Unterrichtsende und somit das Privatvergnügen würde sich also weiter nach hinten verschieben.
Ähnliche Argumente führt auch Christian Roth, Schulleiter der Bertha-Benz-Schule, ins Feld: Neben der Abhängigkeit von Bus und Bahn spiele auch die Raumbelegung eine Rolle: „Wir müssen die Fachräume dauerhaft auslasten und können dabei nicht auf die ersten Schulstunden verzichten“, so der Schulleiter. Der Unterricht beginnt an der Berufsschule 7.45 Uhr, die letzte Stunde endet um 16.45 Uhr. Manche Schüler wohnen in Nachbarlandkreisen und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. „Würde man die Unterrichtszeit nach hinten verschieben, kämen diese Schüler noch später nach Hause.“Zudem sei das Frühaufstehen Typsache: „Nicht alle Schüler haben den gleichen Biorhythmus“, sagt Roth, der sich selbst an seine eigene Studienzeit erinnert: „Ich konnte am Besten zwischen 5 Uhr morgens und 14 Uhr lernen, ab 16 Uhr war Schluss.“Und ob den Langschläfern eine Stunde mehr reichen würde, bezweifelt Roth. Das Thema des späteren Unterrichtsbeginns sei bislang nicht an ihn herangetragen worden.
Jede Schule entscheidet selbst
Laut Frank Saur, Rektor in Bingen, handelt es sich beim Verschieben der Unterrichtszeiten um ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Der Unterricht kann nicht um 9 Uhr beginnen, wenn Eltern um 6 Uhr das Haus verlassen“, gibt er zu bedenken.
Laut Gernot Schultheiß vom Schulamt in Albstadt kam noch kein Rektor aus dem Kreis Sigmaringen auf ihn zu. „Späterer Unterricht war noch nie im Gespräch.“Jede Schule könne selbst entscheiden, wann der Unterricht beginnt. In der Schulkonferenz könnten Schulen darüber abstimmen. Jedoch seien die Schulen aufgrund der Trägerschaft – die Stadt stellt schließlich auch die Schulbusversorgung sicher – sowie der räumlichen Lage in Nachbarschaft zu anderen Schulen, die die Busse anfahren, auf Absprache angewiesen und könnten nicht ganz unabhängig voneinander entscheiden. „Die Theodor-Heuss-Realschule kann beispielsweise nicht entscheiden, dass sie um 7.30 Uhr beginnt, wenn die Bilharzschule um 8 Uhr anfängt.“