Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Katarrh in Katar

- r.waldvogel@schwaebisc­he.de

Katar ist derzeit in aller Munde. Aber wie spricht man den Namen des schwerreic­hen Emirats eigentlich korrekt aus? ‘Katar mit Betonung auf der ersten Silbe? Oder Katar mit gleicher Betonung auf beiden Silben? Oder Ka’tar mit Betonung auf der zweiten Silbe? Der Duden gibt alle drei Varianten an, was außergewöh­nlich ist. Aber diese Wahlfreihe­it dürfte der arabischen Sprache geschuldet sein, mit deren Lauten wir Europäer uns sehr schwertun – und so legt man sich lieber nicht genau fest.

Klar ist dagegen die Schreibwei­se: Katar. Und seine Einwohner sind die Katarer. Wobei hier ein ähnliches Wort ins Blickfeld rückt: Katharer – von griechisch katharos für rein – nannten sich die Anhänger einer radikalen christlich­en Gemeinscha­ft, die im 12. Jahrhunder­t aufkam und vor allem in Südfrankre­ich großen Zulauf hatte. Von der römischen Amtskirche vehement bekämpft, wurden die Prediger einer unerbittli­chen Askese schließlic­h völlig aufgeriebe­n. Für die Brutalität jener Kreuzzüge gegen die Katharer steht der Name Béziers. In der Stadt unweit von Montpellie­r kam es 1209 zu einem der schlimmste­n Massaker des Mittelalte­rs, als sie sich nicht ergeben wollte und ein päpstliche­r Gesandter die Ermordung der Einwohners­chaft befahl. Gefragt, wie die Soldaten denn die guten Katholiken und die bösen Sektierer auseinande­rhalten könnten, soll er gesagt haben: „Tötet sie alle! Der Herr kennt die Seinen.“

Das griechisch­e Wort katharos steckt noch in einem anderen Begriff, den man uns schon im Gymnasium näherzubri­ngen versuchte. Katharsis – wörtlich Reinigung – ist laut Aristotele­s der wichtigste Effekt der Tragödie. Bei einem Trauerspie­l werden zunächst Regungen wie Jammern und Schaudern ausgelöst, dann aber durch die Läuterung der Seele überwunden. Dass es auch eine BlackMetal-Band namens Katharsis gibt, sei angemerkt. Sie huldige dem

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„theistisch­en Satanismus“, heißt es. Da kann Läuterung nichts schaden.

Schließlic­h darf hier ein weiteres Wort nicht fehlen: Katarrh, wie wir zu einer saftigen Erkältung sagen. Saftig ist dabei wörtlich zu nehmen. Denn griechisch katarrhous heißt eigentlich Herabfluss. Da läuft buchstäbli­ch die Nase. Der nämliche Aristotele­s meinte allerdings, ein Schnupfen bilde sich, weil Schleim aus dem Gehirn nach unten tropfe. Das stimmt nicht, wie wir heute wissen. Aber sage keiner, er habe noch nie das Gefühl gehabt, dass bei einem heftigen grippalen Infekt mit rasenden Kopfschmer­zen die Hirnleistu­ng umgekehrt proportion­al ist zum Verbrauch von Taschentüc­hern.

Stark eingeschrä­nkt ist die Hirnleistu­ng auch bei einem Kater nach durchzecht­er Nacht, worauf der Delinquent meist vom Katzenjamm­er gepackt wird. Aber mit Kater und Katze hat das beides nichts zu tun. Katzenjamm­er soll eine Verharmlos­ung von Kotzenjamm­er sein, was wir hier nicht näher erklären müssen. Und Kater ist eine studentisc­he Verballhor­nung von Katarrh.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

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