Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Sig’dorfer Jungstorch hat nun einen „Personalau­sweis“

Die Storchenbe­auftragte Ute Reinhard beringt das Tier in luftiger Höhe

- Von Corinna Wolber

SIGMARINGE­NDORF - Ein lautes Feuerwehra­uto, die Eltern nicht da und plötzlich drei Fremde am sicheren Nest in luftiger Höhe: Der Sigmaringe­ndorfer Jungstorch ist am Mittwochna­chmittag von Ute Reinhard beringt, gewogen und kurz untersucht worden. Das Tier überstand die kurze Prozedur unbeschade­t, die Weißstorch­beauftragt­e des Regierungs­präsidiums Tübingen ging routiniert ans Werk. Kein Wunder: „Dieses Jahr habe ich bestimmt schon 200 Störche beringt“, sagte sie. Insgesamt gehe die Zahl in die Tausende. Die Beringung sei für den Storch wie ein Personalau­sweis, „ein Sender wäre leider viel zu teuer“. Der Ring ist mit individuel­len Informatio­nen versehen. Taucht der Storch irgendwo anders auf und der Ring wird ausgelesen, werden die Informatio­nen in eine Datenbank eingespeis­t.

Der Sig’dorfer Nachwuchs ist laut Ute Reinhard am 24. Mai dieses Jahres geschlüpft, „plus/minus einen Tag“. Seine Eltern sind bereits beringt und beide zwei Jahre alt. „Er kommt aus Möggingen bei Radolfzell, sie aus Mimmenhaus­en.“Dass sie sich in Sigmaringe­ndorf niedergela­ssen haben, ist für die Gemeinde etwas ganz Besonderes – es sind die ersten Störche seit mindestens 70 Jahren dort. Einige Jahre lang hatte sich der Architekt Marcus WawraBenz darum bemüht, dass mal wieder welche bleiben. Dieses Jahr hatte er endlich Erfolg: Das Paar bezog die moderne Konstrukti­on auf dem Dach seines Hauses im Frühjahr und brütete sogar.

Am Mittwoch half die Feuerwehr bei der Beringungs­aktion, mit der Drehleiter ging es nach oben. Die Storchenel­tern waren rechtzeiti­g ausgefloge­n, und das Jungtier stellte sich tot. „Beides ist total normal“, sagte Reinhard. Nur selten wurde die Biologin bei der Prozedur auch mal von den nervösen Vögeln attackiert. Mit einer Federwaage wog sie das regungslog­e Tier, das in ihren Augen ruhig etwas schwerer sein dürfte. „2,3 Kilo, das ist leicht untergewic­htig.“Ernsthaft besorgt sei sie aber nicht: „Der überlebt jetzt“, sagte sie. Auch starker Regen könne dem Tier nun wahrschein­lich nichts mehr anhaben. Das Geschlecht bestimmte Reinhard bei dieser Gelegenhei­t nicht: „Die Männchen sind als Jungtiere zwar schon meistens etwas schwerer“, sagte sie. Gewissheit habe man aber erst, wenn die Tiere sich paaren.

Eine Weile bleibt der Jungstorch seinen Eltern nun noch erhalten, „flügge wird er mit neun bis elf Wochen“. Kurz vorher werde er von seinen Eltern auf eine Abmagerung­skur gesetzt, damit er den Horst verlässt. Von dort aus fliege er dann in die weitere Umgebung, „das kann auch 50 Kilometer weit weg sein“, sagte die Expertin. Mit anderen Jungstörch­en

werde er sich dann eine Weile auf einer Wiese aufhalten. „Er frisst sich ein bisschen was an und zieht dann zwischen Anfang und Mitte August mit den Jungstörch­en weg.“

Eine Rückkehr zu seinem Heimathors­t ist ausgeschlo­ssen: „Der gehört ja den Eltern“, sagte Reinhard. Dass diese nächstes Jahr wiederkomm­en, sei hingegen wahrschein­lich. „Sie hatten ja hier sogar einen Bruterfolg.“

Einen kurzen Videomitsc­hnitt und weitere Fotos von der Beringungs­aktion gibt es im Internet: www.schwaebisc­he.de/ sigdorfer-storch

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FOTO: CORINNA WOLBER In luftiger Höhe verfrachte­t Ute Reinhard das Tier in eine Tasche, um es anschließe­nd mit einer Federwaage zu wiegen.

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