Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wo bleibt der Mensch?
Zu unserer Berichterstattung über den geplanten Kalkabbau bei Thiergarten erreicht uns folgender Leserbrief:
Bei der Veranstaltung des Regierungspräsidiums Tübingen wurde das geplante Vorhaben der Forstverwaltung Prinz zu Fürstenberg vorgestellt. Demnach sollen am Nordhang des Mittelberges bei Thiergarten jährlich rund 200 000 Tonnen hochreine Kalke abgebaut werden. Ein Abtransport des Materials über die umliegenden Bahnhöfe wird geprüft, erscheint aber eher unrealistisch. Alternativ müsste das Material über die engen und kurvenreichen Straßen Richtung Sigmaringen und Stetten a.k.M. abtransportiert werden.
Entsprechend den Angaben von 230 Arbeitstagen und einem LKWLadevolumen von 27 Tonnen errechnen sich rund 32 beladene LKWs, die täglich aus dem Donautal herausfahren. Analog dazu fährt täglich die gleiche Anzahl an leeren LKWs in Richtung Thiergarten. Somit sind Beeinträchtigungen wie Lärm, Staub und Verkehrsbehinderungen vorprogrammiert. Dies hat nicht nur in Thiergarten, sondern auch entlang der Transportwege negative Folgen auf Menschen, Tiere und Pflanzen.
Trotzdem hat das Regierungspräsidium Tübingen dem Zielabweichungsantrag der Forstverwaltung Prinz zu Fürstenberg zugestimmt. In der auf ihrer Internetseite veröffentlichten Stellungnahme hat die Behörde allerdings auch Vorbehalte insbesondere zum Naturschutz geäußert. Das Thema Naturschutz wird im weiteren Genehmigungsverfahren ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen.
Naturschutz in allen Ehren, aber wo bleibt der Mensch? Für die am Mittelberg vorkommenden Tierund Pflanzenarten sollen Ausgleichsflächen geschaffen werden, damit diese sich dort neu ansiedeln können. Die Menschen in Thiergarten und entlang der Transportwege haben dagegen keine Ausweichmöglichkeiten. Sie werden wohl eher die Beeinträchtigungen in Kauf nehmen (müssen) anstatt umzuziehen.
Entlang des Mittelberges verläuft ein internationaler Wildkorridor. Sollte der Kalkabbau kommen, werden sich die Wildtiere wohl neue Wege suchen. Menschen, die im Donautal vom Tourismus leben, haben dagegen keine oder kaum Alternativen für neue berufliche Wege. Vielmehr wird ihnen ein Stück der wirtschaftlichen Grundlage entzogen, weil das Donautal an Attraktivität verliert und mit einem Rückgang der Besucherzahlen zu rechnen ist.
Abschließend stellt sich die Frage, ob die wirtschaftlichen Ziele der Forstverwaltung Prinz zu Fürstenberg es wert sind, die Lebensqualität einer ganzen Region zu beeinträchtigen. Diese Fragestellung spielte im Zielabweichungsverfahren offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle. Man darf gespannt sein, welchen Stellenwert dieser Punkt im weiteren Verfahrensverlauf hat.
Albert Böhler, Laiz