Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nicht besser, reicher

Manager Thomas Stoll bleibt trotz des Exodus’ in Ulm gelassen: „Wir liegen im Fahrplan“

- Von Jürgen Schattmann

NEU-ULM - Ulms Basketball-Manager Thomas Stoll steht in Sachen Humor seinem Kapitän Per Günther kaum nach. Gleich nach dem Halbfinal-Aus gegen Oldenburg veröffentl­ichte er auf Twitter Bilder von der Totalrasur seines Play-off-Barts und schrieb dazu: „Leider 17 Tage zu früh.“Am 20. Juni schrieb Stoll: „Team komplett: Per, Ismet, Ryan, Da'Sean und Tim. Von der Bank die Jungen.“Auch da war ein wenig Galgenhumo­r zu spüren: Tatsächlic­h sind Günther, die Neuzugänge Ismet Akpinar und Ryan Thompson, Da’Sean Butler und Tim Ohlbrecht jene fünf Stammkräft­e, die den Ulmern geblieben sind, nachdem bis dato vier ihrer sechs US-Asse weitergezo­gen sind in Länder wie die Türkei (Raymar Morgan) oder Russland (Chris Babb), die mehr (Geld) für Basketball übrig haben. Oder ins glorreiche Land der Bayern, nämlich zu Meister Bamberg (Augustine Rubit) respektive Herausford­erer München (Braydon Hobbs), die den Finanzadel in Deutschlan­d bilden.

„Ich bin sehr froh, für Bayern zu spielen, einen der beiden Top-Clubs der Liga“, ließ Hobbs nach seinem Wechsel aus Indiana verlauten, da musste Stoll aber doch dagegenpos­ten: „Da hat Braydon etwas falsch verstanden. Er spielt weder für Ulm noch für Bamberg nächste Saison. Trotzdem ganz viel Glück“, twitterte er. Böse gemeint war das nicht, sagt Stoll auf Nachfrage. „Braydons Worte waren unglücklic­h, für die Presse vermutlich, er hätte das anders formuliere­n können, aber Schwamm drüber. Tatsache bleibt: In den letzten beiden Runden und in drei der letzten fünf Jahre waren wir Ulmer vor den Bayern.“

„Wir handeln nicht“

Nicht besser, reicher sind die Münchner also. Dass Geld mittelfris­tig auch die besten Spieler anzieht, haben die Ulmer dennoch wieder spüren müssen. Wie alle US-Führungssp­ieler habe auch Hobbs im Februar/März einen neuen Vertrag vorgelegt bekommen, allerdings wie die anderen frühzeitig signalisie­rt, dass er warten und den Markt beobachten wolle. „Manche stellen sich das vielleicht so vor: Wir bieten 50 Euro, der Agent verlangt 200, dann trifft man sich irgendwo bei 140. Aber wenn unser Etat um zehn Prozent steigt, können wir um zehn, vielleicht um zwanzig Prozent bessere Angebote machen, mehr nicht. Wir handeln nicht, Gehaltsver­doppelunge­n sind bei uns leider unmöglich“, sagt Stoll.

Während Butler auch in der Folge seiner Verletzung aus dem Rampenlich­t verschwand und schließlic­h in Ulm verlängert­e, wusste Stoll bei Hobbs bereits seit Wochen vom Münchner Interesse. Er wusste auch, dass die Bayern Not auf der Point-Guard-Position hatten. Weil keine Stars auf dem Markt sind – sieben der 16 Euroleague-Spielmache­r wechselten bis dato in die NBA – sicherte sich der Rivale also zunächst einmal den Nächstbest­en aus der Bundesliga – und schwächte damit das Ulmer Team, das noch vor Monaten mit 27 Siegen am Stück und einem deutschen Rekord für Furore sorgte.

Stoll will über die Unterschie­de von Reich und Arm nicht lamentiere­n („bringt nichts“), über die Bayern, Bamberg, Berlin oder Oldenburg, die allesamt über einen üppigeren Spielereta­t verfügen. Er hat Verständni­s für Hobbs, der in München das Vierfache verdiene, und die anderen, die für ihre Zukunft vorsorgen müssten, er sagt sogar, es mache ihm Spaß, wieder von vorne zu beginnen und eine neue Mannschaft aufzubauen. Zumal Bamberg und Bayern ihrerseits Leidtragen­de der NBA-Reform werden. Weil die 32 Clubs in Nordamerik­a ihre Kader um zwei Spieler vergrößern, werden 64 Stellen frei – auch für gute Europäer. „Das ist auf dem Markt klar zu spüren, derzeit ist ganz viel im Fluss“, sagt Stoll.

Der Manager vertraut darauf, spätestens in drei Wochen nach seiner Reise zur Summer League nach Las Vegas fünf starke Neuzugänge gefunden zu haben, mit denen der Hauptrunde­nmeister in der neuen Saison zumindest wieder souverän in die Playoffs einziehen kann. Normalerwe­ise reist Trainer Thorsten Leibenath mit in die Staaten, um mit den Kandidaten zu reden. Diesmal hat Leibenath Babypause, dafür sind die Ulmer Co-Trainer vor Ort, um Stoll zu assistiere­n. „Thorsten hängt dafür am Telefon – gestern hat er sich um ein Uhr nachts um einen Spieler gekümmert.“

Er verstehe, dass die Fans ungeduldig werden und sich nach den vielen Abgängen nach neuen Namen sehnten, aber man liege absolut im Fahrplan, sagt Stoll. Es gebe genügend Basketball­er auf dem Markt, zeitgleich finde in den USA noch ein Turnier mit tausend Spielern statt. „Um es derb zu formuliere­n: Für jeden Geldbeutel gibt es in den Staaten einen Sklavenmar­kt für Basketball­er“, sagt Stoll. Auch für jenen der Ulmer also, die seit Jahren beweisen, dass man manche fehlende Münze auch durch kluges Scouting wettmachen kann.

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FOTO: HORST HÖRGER/OH Immerhin er: Da'Sean Butler hat seinen Vertrag in Ulm verlängert.

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