Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Rausch oder Wahn?
Bundesligisten zahlen immer höhere Ablösesummen – VfB und Freiburg sparen aber
RAVENSBURG (SID/sz) - Wir haben's ja! Vor allem dank des milliardenschweren TV-Vertrags können die Bundesligisten in diesem Sommer so viel Geld wie noch nie ausgeben – und scheinen bereit, selbst für weitgehend eher unbekannte Spieler zweistellige Millionensummen auszugeben. Jüngstes Beispiel: Gestern verpflichtete RB Leipzig den 20 Jahre alten französischen Stürmer JeanKévin Augustin, der bislang auf 23 (meist eher kürzere) Einsätze in der französischen Ligue 1 kam, bei denen ihm zwei Tore gelangen. Sein Marktwert laut „transfermarkt.de“: realistische drei Millionen Euro. Leipzigs Ablöse an Paris Saint-Germain: mittlerweile wohl recht branchenübliche 13 Millionen Euro.
Zweistellige Millionenbeträge sind im noch über 50 Tage laufenden Sommer-Transferfenster mehr die Regel als Ausnahme geworden – selbst für Spieler, die selbst Experten nicht unbedingt auf dem Radar hatten. Die Weltmeisterliga steuert auch wegen des vollkommen überhitzten Marktes auf einen Transferrekord zu. Und die richtig teuren Transfers dürften erst kommen.
Platzt die Blase?
Am meisten ausgegeben hat wieder einmal der FC Bayern München, der für Correntin Tolisso 41,5 Millionen Euro an Olympique Lyon überwies. Der 22-Jährige ist so zum teuersten Bundesligaspieler der Geschichte geworden. Ein absoluter Superstar der Branche ist er, bei allem Talent und vielversprechenden Anlagen noch (?) nicht. Borussia Mönchengladbach pulverisierte am Dienstag mit den 17 Millionen Euro an den BVB für den gebürtigen Freiburger Matthias Ginter die vereinsinterne Bestmarke. Und auch hier gilt: Ginter ist ein überaus tauglicher und überdies vielseitiger Defensivspezialist, der beim BVB immer einen Stammplatz hatte. Aber ein Superstar ist auch er nicht. Zumal er Dortmund verlassen wollte, weil er den durch die Verpflichtung des Ravensburgers Ömer Toprak verschärften Konkurrenzkampf in der BVB-Abwehr scheute.
Möglich machen die Irrsinnssummen vor allem die rund 1,5 Milliarden Euro an TV-Geldern pro Saison, die von der DFL in den kommenden Jahren an die Clubs verteilt werden. Auch wenn das die Verhandlungen nicht immer einfacher macht – schließlich treibt die neue Kaufkraft die Preise in die Höhe. Und stets die Frage bleibt, ob die Blase platzt.
Der BVB überwies etwa rund 20 Millionen für U21-Europameister Maximilian Philipp an den SC Freiburg, der 1. FC Köln 17 Millionen für Angreifer Jhon Cordoba an Mainz – und das, obwohl Anthony Modestes 35-Millionen-Wechsel nach China einstweilen geplatzt ist. Ebenfalls 17 Millionen Euro kostete den Vfl Wolfsburg John Anthony Brooks von Hertha BSC.
„Der Markt ist im Moment etwas verrückt“, stellte Bayern-Trainer Carlo Ancelotti schon fest. Der kann zwar wie kein Zweiter einkaufen – mehr als 100 Millionen gab der Rekordmeister bislang aus für Tolisso, Niklas Süle, Serge Gnabry und den bislang ausgeliehenen Kingsley Coman – doch die ganz verrückten Dinge macht Bayern nicht einmal mit. Mehr als 100 Millionen Euro für Marco Verratti von Paris St. Germain oder 25 Millionen Jahresgehalt für Alexis Sanchez vom FC Arsenal wollte Bayern nicht bezahlen. „Wenn wir es erzwingen wollen, dass wir Champions-League-Sieger werden, müssen wir viel Geld rausschmeißen. Von Alibikäufen halte ich aber nichts“, sagte Präsident Uli Hoeneß jüngst.
Nur im Südwesten scheinen sie den Trend zu zweistelligen Millionenablösen nicht mitmachen zu wollen. „Wir müssen uns bei unseren Entscheidungen Zeit lassen, um keine Phantasiepreise zu zahlen“, sagte VfB-Sportvorstand Jan Schindelmeiser, der bislang nur 4,8 Millionen Euro ausgab für die Neuzugänge Anastasios Donis und Orel Mangala. Somit waren die Stuttgarter sogar sparsamer als die Macher des SC Freiburg, die bislang 6,3 Millionen Euro investierten.