Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„In ein paar Jahren wird eine Cyber-Police Standard sein“

Georg Bräuchle, Chef des Risikobera­ters Marsh, über die Absicherun­g von Folgeschäd­en durch Cyber-Angriffe

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RAVENSBURG - Die mit Cyber-Angriffen verbundene­n Risiken können Unternehme­n auf Versichere­r überwälzen. Für welche Schäden die Assekuranz einspringt und was es dabei zu beachten gilt, erklärt Georg Bräuchle vom Risikobera­ter Marsh im Gespräch mit Andreas Knoch.

Herr Bräuchle, welchen Schutz bieten sogenannte Cyber-Policen für Unternehme­n?

Die Deckung betrifft im Wesentlich­en drei Bereiche: Zum einen die Übernahme von Kosten, die nach einem Cyber-Angriff durch das Hinzuziehe­n externer IT-Berater entstehen. Zum anderen Haftpflich­tschäden, wenn beispielsw­eise Persönlich­keitsrecht­e von Kunden verletzt werden. Das kann der Fall sein, wenn Patientend­aten in einer Klinik oder Kreditkart­endaten gestohlen wurden. Der dritte Bereich betrifft Eigenschäd­en des angegriffe­nen Unternehme­ns, also unter anderem Ausfälle durch Betriebsun­terbrechun­gen, wenn beispielsw­eise die Produktion­ssteuerung gehackt wurde. Diese drei Bereiche lassen sich nach Kundenwuns­ch beliebig kombiniere­n.

Mit welchen Kosten müssen Unternehme­n für eine solche Police kalkuliere­n?

Cyber-Policen sind relativ günstig, da viele Versichere­r in den Markt eingestieg­en sind. Auch wenn die Kosten natürlich vom Einzelfall abhängen: Eine Prämie von 10 000 Euro für eine Deckungssu­mme von zwei Millionen Euro bei einem Unternehme­n mit rund 50 Millionen Euro ist realistisc­h.

Wie verbreitet sind Cyber-Policen in der deutschen Unternehme­nslandscha­ft?

Da ist noch mächtig Luft nach oben. Vielleicht 15 Prozent der Unternehme­n haben inzwischen eine Cyber-Police. Wir registrier­en aber ein zunehmende­s Interesse seitens der Firmen. In ein paar Jahren wird eine Cyber-Police genauso Standard sein wie beispielsw­eise eine Haftpflich­t- oder Feuerversi­cherung.

Wie läuft die Schadenreg­ulierung im Fall eines Cyber-Angriffs ab?

Nach einer Schadenmel­dung beauftrage­n wir in der Regel einen IT-Forensiker, der im betroffene­n Unternehme­n untersucht und dokumentie­rt, was los ist. Parallel dazu wird der Versichere­r informiert. Im Idealfall identifizi­ert der IT-Forensiker die Schadsoftw­are und bringt die Systeme wieder zum Laufen. Meistens erweist sich ein erster Verdacht als unbegründe­t und es stellt sich heraus, dass es kein Cyber-Angriff war.

Welche Schwierigk­eiten gibt es in der Praxis?

Bei Cyber-Versicheru­ngen handelt es sich um eine noch sehr junge Versicheru­ngssparte. Deshalb besteht bei den Akteuren noch große Unsicherhe­it, wie einzelne Tatbeständ­e auszulegen sind. Ein Beispiel für diese Problemati­k sind die sogenannte­n Fake-President-Fälle, bei denen Hacker gefälschte E-Mails mit Überweisun­gsanordnun­gen des Firmenchef­s verschicke­n. Schäden daraus sind nicht durch Cyber-Policen gedeckt. Das hat bei etlichen Unternehme­n zu Enttäuschu­ngen geführt.

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FOTO: OH Georg Bräuchle

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