Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Würdigung der Musen

Picassos Frauen bekommen im Museum ihre eigene Geschichte

- Von Jürgen Ruf

RIEGEL (dpa) - Sie standen ihm Modell und prägten seine Kunst: Frauen an der Seite des Malers Pablo Picasso dienten dem Künstler als Muse. Sie wurden von ihm auf Bildern verewigt und sind so ein Stück Kunstgesch­ichte geworden. Eine Ausstellun­g in der Kunsthalle Messmer in Riegel bei Freiburg rückt Picassos Frauen in den Fokus. Es ist eine Ausstellun­g, die neue Wege geht, weil sie sich nicht allein auf Picasso und dessen Kunst beschränkt. Einige der Frauen waren selbst künstleris­ch aktiv. Ihre Werke hängen im Museum nun neben den Picasso-Bildern. Die Frauen bekommen so eine eigene Geschichte.

Der Spanier Picasso (1881-1973) gilt als einer der bedeutends­ten Künstler der Moderne. „Frauen spielten im Leben dieses großen Malers eine wichtige Rolle“, sagt Museumsche­f Jürgen A. Messmer: „Als seine Musen dienten sie ihm als unerschöpf­liche Quellen der Inspiratio­n, sie beeinfluss­ten und bereichert­en sein Leben und Wirken.“Und veränderte­n mit den Jahren seine Kunst.

Die Ausstellun­g in Riegel mit dem Titel „Picasso und die Frauen“, die bis Mitte November zu sehen ist, zeigt mit mehr als 120 Werken Picassos Frauenbild­er – und blickt gleichzeit­ig hinter die Kulissen. Sie erzählt die Geschichte der Frauen, die Picassos Kunstobjek­te wurden und dann oft eigene Wege gingen. Und zeigt deren Kunst. So sind zahlreiche Gemälde, Zeichnunge­n und Fotografie­n zu sehen, unter anderem von Françoise Gilot, Dora Maar und Fernande Olivier.

„Einige der Frauen in Picassos Leben waren selbst künstleris­ch tätig und von beachtlich­em Talent“, sagt Messmer: „Sie profitiert­en von der Nähe zu diesem künstleris­chen Genie, standen allerdings stets auch in seinem Schatten, aus dem sie sich nur schwer oder gar nicht lösen konnten.“In Riegel werden auch Arbeiten jener Frauen gezeigt, die mit ihrem künstleris­chen Wirken im Verborgene­n geblieben sind. Picassos Einfluss auf die Künstlerin­nen wird bei vielen sichtbar.

Sylvette David (83) ist eine der Frauen, die Picasso begeistert­en. Die damals 19-Jährige stand dem Maler im Frühjahr 1953 Modell. Die junge Frau mit Ponyfranse­n und hohem Pferdeschw­anz wurde zur Stilikone der damaligen Zeit, an der sich sogar Brigitte Bardot orientiert­e. Sie inspiriert­e den Spanier zu der mehr als 50 Werke umfassende­n Porträtser­ie „Sylvette“, die innerhalb von nur drei Monaten entstand und die zu den bekannten Arbeiten Picassos gehört.

Sylvette wurde Künstlerin

„Ich fühlte mich wie Mona Lisa, weil der berühmte Picasso mich angeschaut hat“, erinnert sich die Frau heute: „Mir war damals nicht klar, wie sich die Bilder verbreiten und wie erfolgreic­h sie werden würden.“Sylvette, die sich heute Lydia Corbett nennt, wurde nach den Treffen mit Picasso selbst Künstlerin. Mehr als 20 ihrer Werke, alle aus Privatbesi­tz, werden in Riegel gezeigt. Vor rund drei Jahren hatte bereits die Kunsthalle Bremen ihr und Picasso eine Ausstellun­g gewidmet. Auf Picasso, sagt sie, werde sie heute noch häufig angesproch­en: „Ich bereue es nicht, ihn getroffen zu haben.“

Zur Sprache kommen in Riegel auch die Schattense­iten des großen Künstlers, sagt Ausstellun­gsmacherin Stefanie Thomas: „Frauen, die sich nicht unterordne­ten und später künstleris­ch eigene Wege gingen, legte Picasso häufig Steine in den Weg und versuchte, den Erfolg der Frauen zu verhindern.“

Galerien blieben zunächst zurückhalt­end, weil Picasso intervenie­rt habe. Doch die Künstlerin­nen machten ihren Weg. Die Schau in Riegel sei damit auch ein Spiegelbil­d der jeweiligen Zeit, der Geschlecht­er und des sich verändernd­en Frauenbild­es.

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FOTO: DPA Stefanie Thomas, Mitarbeite­rin in der Kunsthalle Messmer, hängt ein Foto des Models Sylvette David mit Pablo Picasso auf.

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