Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Jagd nach dem großen Geld

Spielerber­ater haben nicht den besten Ruf, doch liegt das vor allem an einigen Ausnahmen

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KÖLN (SID) - Es geht um Macht, Einfluss und Geld, viel Geld: Spielerber­ater haben aufgrund ihrer zum Teil horrenden Provisione­n einen schlechten Ruf, aus dem Fußballges­chäft sind sie trotzdem nicht mehr wegzudenke­n, denn sie sind die heimlichen Herrscher der Fußballwel­t. Der Transfer von Kölns Anthony Modeste nach China soll beispielsw­eise zuerst an der zu niedrigen Provision für seine Berater gescheiter­t sein. Doch sind solche Vorfälle eher die Ausnahme, denn das Millioneng­eschäft Fußball zieht viele Menschen an.

„Gefühlt gibt es mittlerwei­le mehr Berater als Stellen für Profifußba­ller in Deutschlan­d“, sagt Jörg Neblung, der seit 15 Jahren erfolgreic­h im Geschäft arbeitet und vor allem als Berater von Robert Enke bekannt wurde. Seit dem 1. April 2015 kann praktisch jeder Spielerber­ater werden. Es müssen lediglich ein polizeilic­hes Führungsze­ugnis und 500 Euro pro Transferpe­riode beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) hinterlegt werden. Die Lizenz für Spielerber­ater schaffte der FIFA-Weltverban­d ab, eine Prüfung mit Fragen aus dem gesamten Regelwerk, der FIFA, des DFB und des Ligaverban­des gibt es in Deutschlan­d nicht mehr.

Seitdem überschwem­men Neulinge den Markt, angetriebe­n vom Lockruf des einfach verdienten Geldes. „Früher sind die Leute mit dem Schiff nach Alaska gefahren, um dort nach Gold zu suchen, heute wird man eben Spielerber­ater“, sagt Neblung.

Vorbild dabei ist Mino Raiola, der Paul Pogba im Sommer 2016 für die Rekordsumm­e von 105 Millionen Euro von Juventus Turin zu Manchester United transferie­rte und dabei laut Enthüllung­en von Football Leaks rund 50 Millionen Euro verdient haben soll. Vor einigen Wochen erklärte er dem AC Mailand, dass ihr Torwart-Juwel Gianluigi Donnarumma seinen Vertrag auf keinen Fall verlängern werde, nur um jetzt doch wieder auf eine Verlängeru­ng aus zu sein. Raiola presst – so scheint es – aus jedem Vertrag das finanziell­e Maximum heraus.

Doch die Nummer eins der Branche ist der Portugiese Jorge Mendes, der u. a. Weltfußbal­ler Cristiano Ronaldo, José Mourinho, Diego Costa und Bayern Münchens Renato Sanches berät. Zuletzt geriet Mendes durch Vorwürfe der Steuerhint­erziehung von etlichen seiner Klienten unter Druck – darunter Ronaldo, Mourinho und der kolumbiani­sche Stürmer-Star Radamel Falcao. Raiola und Mendes lenken die Geschicke der Top-Stars und streichen mit ihren Deals regelmäßig Millionen ein – aber sie sind die absolute Ausnahme.

Praktisch alle anderen Spielerber­ater sind auf das „Klinkenput­zen“angewiesen, wie es in der Szene heißt. Das gilt auch für Neblung. „Morgens nach dem Aufstehen geht der erste Griff direkt ans Handy. Das muss ich zwei- bis dreimal am Tag aufladen. Wir telefonier­en unser Netzwerk ab – kooperiere­nde Agenten, Sportdirek­toren, Trainer“, beschreibt der 49-Jährige seinen Arbeitstag.

Dabei muss man mit ständiger Zurückweis­ung umgehen. Anrufe und Mails werden gerne ignoriert, angebotene Spieler in den meisten Fällen abgelehnt. Erfolgserl­ebnisse sind die Seltenheit. Immer häufiger werden Spieler von Familienmi­tgliedern vertreten. So kann die Familie an einem möglichen Vertragsab­schluss mitverdien­en und kassiert die Provision, die eigentlich der Berater erhalten hätte. Jörg Neblung

Neblung hält von diesem Modell jedoch nichts. „Familienmi­tgliedern fehlt da einfach die Vernetzung, die Marktkennt­nis und die Erfahrung“, sagt der Spielerber­ater. Diese Ansicht untermauer­t das Beispiel Mesut Özil. Der Nationalsp­ieler ließ sich lange von seinem Vater Mustafa vertreten. Doch dieser soll sich in Vertragsve­rhandlunge­n mit Real Madrid verpokert haben, sodass Mesut 2013 zum FC Arsenal wechselte, obwohl er ursprüngli­ch bei den Königliche­n bleiben wollte. Kurz darauf sorgte Özil für die berufliche Trennung von seinem Vater.

Einfach verdientes Geld gibt es im Beraterges­chäft nicht. Gute Kontakte sind zwingend notwendig – Informatio­nen in der geheimnisu­mwobenen Branche Gold wert, aber alles andere als eine Erfolgsgar­antie.

Neblung rät daher von dem Markteintr­itt ab: „Es ist zu voll, es ist zu schwierig. Erst nach Jahren wird der Aufwand zumeist bezahlt und belohnt. Ich müsste also als Neuling parallel noch etwas anderes machen, um mich über Wasser zu halten.“Spielerber­ater sind Vagabunden – getrieben von der Hoffnung zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und ein unbekannte­s Talent für sich zu entdecken. Bis dahin zahlt der Berater viel Geld für Spritkoste­n, Flüge und Hotels – in der Hoffnung, dass sich die Investitio­n am Ende auszahlt.

„Es ist zu voll, es ist zu schwierig. Erst nach Jahren wird der Aufwand zumeist bezahlt und belohnt.“

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FOTO: AFP Jorge Mendes (Mi.) konkurrier­t mit Mino Raiola um die Rolle des Spitzenber­aters – ist aber nicht immer das beste Aushängesc­hild seines Standes.

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