Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Rückenwind zum Nachrüsten

Wie das Fahrrad nachträgli­ch einen elektrisch­en Antrieb bekommt

- Von Tom Nebe

Wenn sich die Straße noch Hunderte Meter den Berg hinaufschr­aubt oder der Gegenwind einen fast rückwärts rollen lässt, denkt mancher Radler sicher: Etwas Unterstütz­ung beim Treten wäre nun klasse. Wem aber das Geld für ein neues Pedelec fehlt, der kann unter Umständen sein Fahrrad mit einem Elektromot­or nachrüsten. Etliche Firmen liefern dafür Bausätze zum Umbau in Eigenregie – oder bieten diesen Service gleich komplett an. Manche Radfachhän­dler werben mit der gleichen Leistung. Billig ist allerdings auch der nachträgli­che Motoreinba­u nicht. Es gibt außerdem viel zu beachten.

Vorteile beim Hinterrade­inbau

Drei Antriebsar­ten sind möglich: Der Motor kann in die hintere oder vordere Radnabe eingebaut werden, eine Alternativ­e ist das Tretlager. „Wir versuchen immer, zuerst ans Hinterrad zu gehen“, sagt Thilo Gauch von der Firma Electric Bike Solutions. Das Vorderrad sei die zweite Wahl, als Letztes komme das Tretlager in Betracht. Der Hinterrade­inbau bietet sich an, weil das Rahmendrei­eck meist stabiler ist als die zwei Gabelrohre vorn, sagt Gauch. Auch zum Abstellen und Schieben des Rades sei diese Lösung angenehmer.

Die Preise für Nachrüstba­usätze beginnen bei mehreren hundert Euro. Wer den Umbau von Profis erledigen lässt, ist schnell mit mehr als 1000 Euro dabei. Im Vergleich zu einem neuen Pedelec ist das zwar in der Regel immer noch wesentlich günstiger. Es ist aber nicht nur eine Preisfrage, ob sich die Nachrüstun­g lohnt. Entscheide­nder sind aktueller Zustand und Ausgangsqu­alität des Fahrrads: Vor allem Rahmenkons­truktion, Rahmenmate­rial, Art der Bremse und Laufleistu­ng sind zu beachten. Firmen wie Electric Bike Solutions oder Senglar lassen Räder vorher von einem Fachmann prüfen. Dieser entscheide­t, ob das Rad technisch überhaupt für einen Umbau in Frage kommt. Wer einen Einbausatz kaufen will, muss vorab stets Fotos des Fahrrads schicken, sagt Jochen Treuz von Senglar.

Wenige Fahrradläd­en rüsten um

Einen Ratschlag geben auch die Experten in Radläden. „Eine verbindlic­he Aussage wird aber kaum jemand treffen“, sagt Felix Lindhorst. Er arbeitet beim Bundesinnu­ngsverband für das Deutsche Zweiradmec­haniker-Handwerk. Eher wenige Fahrradläd­en

rüsten um, sagt er. Die meisten scheuten vor den rechtliche­n Konsequenz­en zurück. Sie müssten nämlich die Produkthaf­tung für das ganze Vehikel übernehmen.

Als ein Entscheidu­ngskriteri­um für die Nachrüstun­g gilt, wie hochwertig das Rad ist. Ab einem Zeitwert von 400 bis 500 Euro könne man darüber nachdenken, behauptet

Treuz. Idealerwei­se sollte das Fahrrad nicht älter als vier bis fünf Jahre sein.

Drei bis vier Stunden brauchen Treuz und seine Kollegen für den Umbau. Wer den Antrieb in Eigenregie montiert, dürfte dafür fünf bis sechs Stunden benötigen, schätzt der Experte, der auch ein Buch über das Thema geschriebe­n hat. Wer nie selbst an seinem Rad schraubt, sollte die Finger besser davon lassen. Übermäßige­s Detailwiss­en ist laut Gauch aber auch nicht gefragt: „Mehr als Reifenwech­sel muss man nicht draufhaben“, sagt er. Vor allem Geduld und Lust seien nötig.

Allerdings: Wer selbst umbaut, der trägt letztlich das Risiko. Die Gewährleis­tung des Radherstel­lers erlischt, und die Produkthaf­tung liegt nun beim Besitzer.

Privathaft­pflicht zahlt

Und wie sieht es mit dem Versicheru­ngsschutz nach dem Umbau aus? Pedelecs sind rechtlich weiterhin Fahrräder. Das heißt: Der Versicheru­ngsschutz der Privathaft­pflicht bleibt bestehen, teilt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) mit. Kommen bei Unfällen Dritte zu Schaden, zahlt die Versicheru­ng dafür.

Problemati­sch können Umrüstunge­n zu S-Pedelecs und E-Bikes sein. Dafür brauchen Radler eine Typengeneh­migung. „Da gelten andere rechtliche Vorgaben“, sagt Lindhorst. Diese sollten unbedingt eingehalte­n werden. Sonst sei man im schlimmste­n Fall ohne Fahr- und Betriebser­laubnis und ohne Versicheru­ngsschutz unterwegs. In diesem Fall zahle auch die private Haftpflich­t nicht, warnt der GDV. (dpa)

 ?? FOTO: DPA ?? Häufig wird der Elektromot­or am Hinterrad montiert.
FOTO: DPA Häufig wird der Elektromot­or am Hinterrad montiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany