Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Rückenwind zum Nachrüsten
Wie das Fahrrad nachträglich einen elektrischen Antrieb bekommt
Wenn sich die Straße noch Hunderte Meter den Berg hinaufschraubt oder der Gegenwind einen fast rückwärts rollen lässt, denkt mancher Radler sicher: Etwas Unterstützung beim Treten wäre nun klasse. Wem aber das Geld für ein neues Pedelec fehlt, der kann unter Umständen sein Fahrrad mit einem Elektromotor nachrüsten. Etliche Firmen liefern dafür Bausätze zum Umbau in Eigenregie – oder bieten diesen Service gleich komplett an. Manche Radfachhändler werben mit der gleichen Leistung. Billig ist allerdings auch der nachträgliche Motoreinbau nicht. Es gibt außerdem viel zu beachten.
Vorteile beim Hinterradeinbau
Drei Antriebsarten sind möglich: Der Motor kann in die hintere oder vordere Radnabe eingebaut werden, eine Alternative ist das Tretlager. „Wir versuchen immer, zuerst ans Hinterrad zu gehen“, sagt Thilo Gauch von der Firma Electric Bike Solutions. Das Vorderrad sei die zweite Wahl, als Letztes komme das Tretlager in Betracht. Der Hinterradeinbau bietet sich an, weil das Rahmendreieck meist stabiler ist als die zwei Gabelrohre vorn, sagt Gauch. Auch zum Abstellen und Schieben des Rades sei diese Lösung angenehmer.
Die Preise für Nachrüstbausätze beginnen bei mehreren hundert Euro. Wer den Umbau von Profis erledigen lässt, ist schnell mit mehr als 1000 Euro dabei. Im Vergleich zu einem neuen Pedelec ist das zwar in der Regel immer noch wesentlich günstiger. Es ist aber nicht nur eine Preisfrage, ob sich die Nachrüstung lohnt. Entscheidender sind aktueller Zustand und Ausgangsqualität des Fahrrads: Vor allem Rahmenkonstruktion, Rahmenmaterial, Art der Bremse und Laufleistung sind zu beachten. Firmen wie Electric Bike Solutions oder Senglar lassen Räder vorher von einem Fachmann prüfen. Dieser entscheidet, ob das Rad technisch überhaupt für einen Umbau in Frage kommt. Wer einen Einbausatz kaufen will, muss vorab stets Fotos des Fahrrads schicken, sagt Jochen Treuz von Senglar.
Wenige Fahrradläden rüsten um
Einen Ratschlag geben auch die Experten in Radläden. „Eine verbindliche Aussage wird aber kaum jemand treffen“, sagt Felix Lindhorst. Er arbeitet beim Bundesinnungsverband für das Deutsche Zweiradmechaniker-Handwerk. Eher wenige Fahrradläden
rüsten um, sagt er. Die meisten scheuten vor den rechtlichen Konsequenzen zurück. Sie müssten nämlich die Produkthaftung für das ganze Vehikel übernehmen.
Als ein Entscheidungskriterium für die Nachrüstung gilt, wie hochwertig das Rad ist. Ab einem Zeitwert von 400 bis 500 Euro könne man darüber nachdenken, behauptet
Treuz. Idealerweise sollte das Fahrrad nicht älter als vier bis fünf Jahre sein.
Drei bis vier Stunden brauchen Treuz und seine Kollegen für den Umbau. Wer den Antrieb in Eigenregie montiert, dürfte dafür fünf bis sechs Stunden benötigen, schätzt der Experte, der auch ein Buch über das Thema geschrieben hat. Wer nie selbst an seinem Rad schraubt, sollte die Finger besser davon lassen. Übermäßiges Detailwissen ist laut Gauch aber auch nicht gefragt: „Mehr als Reifenwechsel muss man nicht draufhaben“, sagt er. Vor allem Geduld und Lust seien nötig.
Allerdings: Wer selbst umbaut, der trägt letztlich das Risiko. Die Gewährleistung des Radherstellers erlischt, und die Produkthaftung liegt nun beim Besitzer.
Privathaftpflicht zahlt
Und wie sieht es mit dem Versicherungsschutz nach dem Umbau aus? Pedelecs sind rechtlich weiterhin Fahrräder. Das heißt: Der Versicherungsschutz der Privathaftpflicht bleibt bestehen, teilt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit. Kommen bei Unfällen Dritte zu Schaden, zahlt die Versicherung dafür.
Problematisch können Umrüstungen zu S-Pedelecs und E-Bikes sein. Dafür brauchen Radler eine Typengenehmigung. „Da gelten andere rechtliche Vorgaben“, sagt Lindhorst. Diese sollten unbedingt eingehalten werden. Sonst sei man im schlimmsten Fall ohne Fahr- und Betriebserlaubnis und ohne Versicherungsschutz unterwegs. In diesem Fall zahle auch die private Haftpflicht nicht, warnt der GDV. (dpa)