Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kleinwagen mit hohem Spaßfaktor
So will der neue Ford Fiesta dem Polo auch weiter die Schau stehlen
Der Focus fährt dem Golf meilenweit hinterher, und der Mondeo hat gegen den Passat keine Chance. Doch bei den Kleinwagen behauptet Ford tapfer die Führung vor VW: Seit Jahren steht nicht der Polo an der Spitze des noch immer größten Segments in Europa, sondern der Fiesta. Und damit das so bleibt, parieren die Kölner die Polo-Premiere in Wolfsburg mit der achten Generation des Fiesta, die jetzt in den Handel rollt, und werten ihren Bestseller dabei noch einmal gründlich auf.
Das gilt für die Abmessungen – sieben Zentimeter mehr Länge und ein Zentimeter mehr Breite schaffen Platz im Innenraum – und vor allem für die Ausstattung. Denn die Entwickler bedienen sich nicht nur bei Focus & Co., sondern führen auch ein paar ganz neue Extras ein und rüsten den Fiesta so zum „technologisch fortschrittlichsten Kleinwagen“der Welt auf, sagt Marketing-Chef Wolfgang Kopplin. „So smart war bislang kein Fiesta vor ihm.“Allerdings ist der Fortschritt nicht zum Nulltarif erhältlich. Mit einem Grundpreis von 12 950 Euro wird der kleine König von Köln auf dem Papier knapp 2000 Euro teurer, bietet dafür aber etwas mehr Leistung und schon in der Grundausstattung ein wenig mehr Luxus.
Warnung vor Querverkehr
Den Führungsanspruch rechtfertigt Ford mit Premieren wie einem Notbremsassistenten, der selbst bei Dunkelheit Fußgänger erkennt, oder einer Einparkautomatik, die neben der Lenkung auch die Bremse betätigt. Außerdem gibt es mithilfe von zwei Kamera-, drei Radar- und zwölf Ultraschallmodulen eine komplette Rundum-Überwachung, die üblichen Assistenten für Spurführung und Spurwechsel sowie eine Elektronik, die beim Rangieren vor rückwärtigem Querverkehr warnt.
So viel Unterstützung wäre allerdings gar nicht nötig. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kleinwagen ist der neue Fiesta ein Auto, das man tatsächlich gerne selber steuert. Während man in Polo & Co. vor allem zum Ankommen einsteigt, wird das Fahren im Fiesta schnell mal zum Selbstzweck. Erst recht auf einer kurvigen Landstraße. Dort wirkt der kleine Kölner handlich, giftig und gierig und schneidet so flott durch die Kurven, dass man sich schon jetzt auf den neuen ST freut. Und kaum wechselt man auf die Autobahn, fühlt er sich seriös und erwachsen an und wirkt größer, als er eigentlich ist.
Während sich der Fiesta außen nur sehr dezent weiterentwickelt und Ford selbst von einer „Evolution“spricht, haben die Kölner innen eine Revolution vom Zaun gebrochen und das Cockpit komplett umgestaltet. Im Flirt mit der Generation Smartphone wird es nun dominiert von einem riesigen Touchscreen, der frei über der Mittelkonsole thront und zur Bühne für das weiterentwickelte Infotainmentsystem Sync3 wird. Zudem liefert Ford auf Wunsch eine Audioanlage von B & O Play und verleiht dem Kleinwagen – im Gegensatz zum Ka+ – eine Finesse, wie man sie sonst eher aus A-Klasse & Co. kennt. Das gilt für die Materialauswahl genauso wie für ein paar Ausstattungsoptionen, zu denen nun zum Beispiel erstmals ein Panoramadach zählt, das man wie in den großen Baureihen auch öffnen kann. Umso überraschender ist es, dass in der zweiten Blickebene dann doch noch reichlich hartes Plastik zu finden ist und Details wie die Türtafeln oder das Handschuhfach vergleichsweise schlicht gestaltet sind.
Die wenigsten Überraschungen warten dagegen unter der Haube. Dort setzt Ford vor allem auf seinen hochgelobten Einliter-Benziner, den die Kölner gleich in drei Varianten anbieten. Der Dreizylinder-Turbo schickt 100, 125 oder 140 Pferde auf die Straße und begnügt sich dank einer neuen Sechsgangschaltung im besten Fall mit einem Verbrauch von gerade einmal 4,3 Litern, verspricht der Hersteller. Für die Basismodelle hat Ford den Dreizylinder seines Laders beraubt, den Hubraum auf 1,1 Liter aufgebohrt und die Leistung auf 70 oder 85 PS programmiert. Alternativ ist ein Diesel mit 1,5 Litern Hubraum im Angebot, der in der Basisversion nun 85 und in einer neuen Power-Variante 120 PS leistet und günstigenfalls nur 3,2 Liter schlucken soll. Zwar dürfte sich der Selbstzünder in der aktuellen Stimmungslage schwertun, erst recht in diesem Segment. Doch der Motor ist famos, arbeitet flüsterleise und macht mit seinen 270 Newtonmetern ordentlich Druck: Den Standardsprint von 0 auf 100 bewältigt er in 9,0 Sekunden, und mit 195 km/h Spitze zählt er zu den Schnellsten. Nur der 140-PSBenziner hat mit 202 km/h noch einen längeren Atem.
Obwohl Ford den Fiesta bereits mit dem Ka+ flankiert hat, ist den Kölnern eine Doppelspitze offenbar zu wenig. Um die Zustimmungsquote in der Welt der Kleinwagen noch zu erhöhen, wird die Fiesta-Familie weiter aufgefächert: Neben den üblichen Modellvarianten bis hinauf zur ST-Line und natürlich der Wahl zwischen drei und fünf Türen gibt es den Kleinwagen deshalb kurz nach dem Start auch als besonders noblen Vignale sowie als aufgebockten Active in Trekkingmontur für Outdoor und Abenteuer.
Konkurrenz für den Focus
Fazit: Er sieht etwas besser aus und bietet mehr Platz, hat eine smarte Technik und ein schmuckes Ambiente, und der Preisanstieg ist moderat. So hat Ford alles dafür getan, um die Erfolgsgeschichte von mehr als 40 Jahren und über 17 Millionen verkauften Fiesta fortzuschreiben. Denn selbst wenn der Polo noch ein bisschen mehr nach Premium ausschaut, bei den Assistenzsystemen ebenfalls auf Draht ist und mit seinem digitalen Cockpit noch etwas fortschrittlicher wirkt, fahren die Kölner auf Augenhöhe und müssen den Vergleich nicht scheuen.
Dummerweise wird der neue Fiesta aber auch intern an Bedeutung gewinnen. Wem es nicht um den allerletzten Zentimeter geht, der braucht jetzt wahrscheinlich keinen Focus mehr.