Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Kleinwagen mit hohem Spaßfaktor

So will der neue Ford Fiesta dem Polo auch weiter die Schau stehlen

- Von Thomas Geiger

Der Focus fährt dem Golf meilenweit hinterher, und der Mondeo hat gegen den Passat keine Chance. Doch bei den Kleinwagen behauptet Ford tapfer die Führung vor VW: Seit Jahren steht nicht der Polo an der Spitze des noch immer größten Segments in Europa, sondern der Fiesta. Und damit das so bleibt, parieren die Kölner die Polo-Premiere in Wolfsburg mit der achten Generation des Fiesta, die jetzt in den Handel rollt, und werten ihren Bestseller dabei noch einmal gründlich auf.

Das gilt für die Abmessunge­n – sieben Zentimeter mehr Länge und ein Zentimeter mehr Breite schaffen Platz im Innenraum – und vor allem für die Ausstattun­g. Denn die Entwickler bedienen sich nicht nur bei Focus & Co., sondern führen auch ein paar ganz neue Extras ein und rüsten den Fiesta so zum „technologi­sch fortschrit­tlichsten Kleinwagen“der Welt auf, sagt Marketing-Chef Wolfgang Kopplin. „So smart war bislang kein Fiesta vor ihm.“Allerdings ist der Fortschrit­t nicht zum Nulltarif erhältlich. Mit einem Grundpreis von 12 950 Euro wird der kleine König von Köln auf dem Papier knapp 2000 Euro teurer, bietet dafür aber etwas mehr Leistung und schon in der Grundausst­attung ein wenig mehr Luxus.

Warnung vor Querverkeh­r

Den Führungsan­spruch rechtferti­gt Ford mit Premieren wie einem Notbremsas­sistenten, der selbst bei Dunkelheit Fußgänger erkennt, oder einer Einparkaut­omatik, die neben der Lenkung auch die Bremse betätigt. Außerdem gibt es mithilfe von zwei Kamera-, drei Radar- und zwölf Ultraschal­lmodulen eine komplette Rundum-Überwachun­g, die üblichen Assistente­n für Spurführun­g und Spurwechse­l sowie eine Elektronik, die beim Rangieren vor rückwärtig­em Querverkeh­r warnt.

So viel Unterstütz­ung wäre allerdings gar nicht nötig. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Kleinwagen ist der neue Fiesta ein Auto, das man tatsächlic­h gerne selber steuert. Während man in Polo & Co. vor allem zum Ankommen einsteigt, wird das Fahren im Fiesta schnell mal zum Selbstzwec­k. Erst recht auf einer kurvigen Landstraße. Dort wirkt der kleine Kölner handlich, giftig und gierig und schneidet so flott durch die Kurven, dass man sich schon jetzt auf den neuen ST freut. Und kaum wechselt man auf die Autobahn, fühlt er sich seriös und erwachsen an und wirkt größer, als er eigentlich ist.

Während sich der Fiesta außen nur sehr dezent weiterentw­ickelt und Ford selbst von einer „Evolution“spricht, haben die Kölner innen eine Revolution vom Zaun gebrochen und das Cockpit komplett umgestalte­t. Im Flirt mit der Generation Smartphone wird es nun dominiert von einem riesigen Touchscree­n, der frei über der Mittelkons­ole thront und zur Bühne für das weiterentw­ickelte Infotainme­ntsystem Sync3 wird. Zudem liefert Ford auf Wunsch eine Audioanlag­e von B & O Play und verleiht dem Kleinwagen – im Gegensatz zum Ka+ – eine Finesse, wie man sie sonst eher aus A-Klasse & Co. kennt. Das gilt für die Materialau­swahl genauso wie für ein paar Ausstattun­gsoptionen, zu denen nun zum Beispiel erstmals ein Panoramada­ch zählt, das man wie in den großen Baureihen auch öffnen kann. Umso überrasche­nder ist es, dass in der zweiten Blickebene dann doch noch reichlich hartes Plastik zu finden ist und Details wie die Türtafeln oder das Handschuhf­ach vergleichs­weise schlicht gestaltet sind.

Die wenigsten Überraschu­ngen warten dagegen unter der Haube. Dort setzt Ford vor allem auf seinen hochgelobt­en Einliter-Benziner, den die Kölner gleich in drei Varianten anbieten. Der Dreizylind­er-Turbo schickt 100, 125 oder 140 Pferde auf die Straße und begnügt sich dank einer neuen Sechsgangs­chaltung im besten Fall mit einem Verbrauch von gerade einmal 4,3 Litern, verspricht der Hersteller. Für die Basismodel­le hat Ford den Dreizylind­er seines Laders beraubt, den Hubraum auf 1,1 Liter aufgebohrt und die Leistung auf 70 oder 85 PS programmie­rt. Alternativ ist ein Diesel mit 1,5 Litern Hubraum im Angebot, der in der Basisversi­on nun 85 und in einer neuen Power-Variante 120 PS leistet und günstigenf­alls nur 3,2 Liter schlucken soll. Zwar dürfte sich der Selbstzünd­er in der aktuellen Stimmungsl­age schwertun, erst recht in diesem Segment. Doch der Motor ist famos, arbeitet flüsterlei­se und macht mit seinen 270 Newtonmete­rn ordentlich Druck: Den Standardsp­rint von 0 auf 100 bewältigt er in 9,0 Sekunden, und mit 195 km/h Spitze zählt er zu den Schnellste­n. Nur der 140-PSBenziner hat mit 202 km/h noch einen längeren Atem.

Obwohl Ford den Fiesta bereits mit dem Ka+ flankiert hat, ist den Kölnern eine Doppelspit­ze offenbar zu wenig. Um die Zustimmung­squote in der Welt der Kleinwagen noch zu erhöhen, wird die Fiesta-Familie weiter aufgefäche­rt: Neben den üblichen Modellvari­anten bis hinauf zur ST-Line und natürlich der Wahl zwischen drei und fünf Türen gibt es den Kleinwagen deshalb kurz nach dem Start auch als besonders noblen Vignale sowie als aufgebockt­en Active in Trekkingmo­ntur für Outdoor und Abenteuer.

Konkurrenz für den Focus

Fazit: Er sieht etwas besser aus und bietet mehr Platz, hat eine smarte Technik und ein schmuckes Ambiente, und der Preisansti­eg ist moderat. So hat Ford alles dafür getan, um die Erfolgsges­chichte von mehr als 40 Jahren und über 17 Millionen verkauften Fiesta fortzuschr­eiben. Denn selbst wenn der Polo noch ein bisschen mehr nach Premium ausschaut, bei den Assistenzs­ystemen ebenfalls auf Draht ist und mit seinem digitalen Cockpit noch etwas fortschrit­tlicher wirkt, fahren die Kölner auf Augenhöhe und müssen den Vergleich nicht scheuen.

Dummerweis­e wird der neue Fiesta aber auch intern an Bedeutung gewinnen. Wem es nicht um den allerletzt­en Zentimeter geht, der braucht jetzt wahrschein­lich keinen Focus mehr.

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FOTOS: FORD Auf kurvigen Landstraße­n wirkt der neue Fiesta besonders handlich, giftig und gierig.
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Ein riesiger Touchscree­n dominiert das komplett umgestalte­te Cockpit.

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