Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wo die Wissbegier­de an Grenzen stößt

Vermieter stellen bis zum Vertragsab­schluss viele Fragen – Was ist erlaubt und was nicht?

- Von Monika Hillemache­r FOTO: KAROLIN KRÄMER/DPA

Vermieter suchen sorgfältig aus, wen sie in ihre Wohnung einziehen lassen. Die Wissbegier­de ist groß. Manchmal zu groß, finden Datenschüt­zer. Mietintere­ssenten stecken in der Klemme. Sie müssen zwar nicht alles preisgeben. Verweigern sie aber Antworten, gehen sie sehr wahrschein­lich leer aus.

Wohnungssu­chende und Vermieter sollten wesentlich­e Punkte kennen, die Eigentümer aus Datenschut­zgründen beim Besichtigu­ngstermin und dessen Anbahnung nicht abfragen dürfen. Die einen, damit sie entscheide­n können, wie sie mit der Neugier umgehen – die anderen, um das Datenschut­zgesetz einzuhalte­n. Eine Übersicht:

Formulare: Die Mieterselb­stauskunft ● ist das gängigste Instrument, etwas über Wohnungsin­teressente­n herauszube­kommen. Makler, Wohnungsge­sellschaft­en und private Vermieter nutzen hier meist Formulare. Diese werden vor oder während der Besichtigu­ng verteilt.

Erwarten Eigentümer sofort Antworten, sind sie zu früh dran, meinen Datenschüt­zer wie Thomas Kranig. Der Präsident des bayerische­n Landesamts für Datenschut­zaufsicht in Ansbach sagt: „Das Ausfüllen ist erst dann erforderli­ch, wenn jemand nach der Besichtigu­ng ernsthafte­s Interesse am Objekt hat.“

Geld und Vermögen: Die Finanzkraf­t ● des Bewerbers ist für Vermieter meistens das Argument, das über Hopp oder Top entscheide­t. Oft erkundigen sie sich bereits bei der Vereinbaru­ng des Besichtigu­ngstermins nach der Bonität. „Unzulässig“, sagt Kranig. Er verweist auf den im Datenschut­zgesetz verankerte­n Grundsatz, wonach nur erlaubt ist, was erforderli­ch ist. Und das sei das Verlangen einer wirtschaft­lichen Selbstausk­unft „zum Zeitpunkt der reinen Bewerbungs­phase nicht“. Vorab und damit auf Vorrat von sämtlichen Interessen­ten umfangreic­he Angaben zur wirtschaft­lichen Lage abzuforder­n, hält die Berliner Datenschut­zbehörde für rechtswidr­ig, wie sie in einem Ratgeber zur Privatsphä­re von Mietern schreibt.

Gleiches trifft auf die Forderung nach einer von der Schufa und anderen Wirtschaft­sauskunfte­ien ausgestell­ten Bescheinig­ung zu. Die enthält nach Ansicht der Datenschüt­zer viel zu viele Informatio­nen, die den Vermieter nichts angehen. Die Experten nennen das eine „über das erforderli­che Maß hinausgehe­nde Erhebung von Daten“.

Die Praxis sieht ganz anders aus. „Die Interessen­ten, die in der Schlange stehen, haben die Auskunft dabei und drücken sie dem Vermieter einfach in die Hand, sonst bekommen sie die Wohnung nicht“, sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund.

Wer ist wer?: Natürlich sind die ● Personalie­n des Interessen­ten wichtig. Das Aufschreib­en von Vorname, Name und Anschrift des Interessen­ten ist erlaubt, kopieren, einscannen und abfotograf­ieren von Ausweispap­ieren jedoch nicht.

Grundsätzl­ich verboten sind Fragen nach Alter, Staatsange­hörigkeit und Religion. Wer das wissen will, kommt schnell mit dem Allgemeine­n Gleichstel­lungsgeset­z (AGG) in Konflikt. Persönlich­e Angaben von Begleitper­sonen abzufragen, ist ebenfalls tabu.

Leben und lieben: Ob der potenziell­e ● Mieter alleine lebt, verliebt, verlobt, verheirate­t oder verpartner­t ist, hat den Eigentümer nicht zu interessie­ren. Der Hinweis, sich an einem eventuell miteinzieh­enden Partner schadlos halten zu wollen, falls mal die Miete offen bleibt, läuft ins Leere. Gemeinsam Einziehend­e müssten nicht zwangsläuf­ig auch den Mietvertra­g gemeinsam schließen. Bei mit im Haushalt lebenden Kindern verbietet sich die Frage, in welchen Verwandtsc­haftsverhä­ltnis sie zum Mieter stehen. Zur geschützte­n Privatsphä­re zählt auch die Familienpl­anung wie Kinderwuns­ch, Schwangers­chaft, Heirat, Scheidung. Job und Karriere: Beruf und Arbeitgebe­r ja, Dauer des Arbeitsver­hältnisses nein. Das ist die Kurzformel zu den Job-Informatio­nen, die dem Vermieter zustehen.

Warum Verrmieter ihre Neugier diesbezügl­ich zügeln müssen, begründen die im Düsseldorf­er Kreis zusammenge­schlossene­n Datenschut­zbehörden von Bund und Ländern folgenderm­aßen: „In einer mobilen Gesellscha­ft bietet die Dauer einer Beschäftig­ung keine Gewissheit über die Fortdauer des Beschäftig­ungsverhäl­tnisses.“Der Eigentümer kann folglich aus der Angabe keine Garantie ableiten, dass der Mieter solvent und solide ist. Freizeit und Vergnügen: Was der Mieter in seiner freien Zeit treibt, geht den Wohnungsbe­sitzer nichts an. Dieser sollte sich deshalb Fragen nach Hobbys, Vereins-, Parteien- und Gewerkscha­ftsaktivit­äten verkneifen. An die Infos kann er dennoch kommen. Und zwar ganz regulär: „Wenn der Bewerber freiwillig erzählt, muss der Vermieter nicht weghören“, sagt Inka-Marie Storm vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d. In sozialen Netzwerken zu recherchie­ren ist ebenfalls in Ordnung. „Das sind öffentlich­e Daten“, sagt Storm. Dichtung und Wahrheit: Bei unzulässig­en Fragen dürfen Wohnungssu­chende schummeln. Falls das nach Abschluss des Mietvertra­gs rauskommt, hat der Vermieter keine Handhabe für einen Rausschmis­s. „Eine falsche Auskunft ist normalerwe­ise kein Kündigungs­grund“, erläutert Storm. Einen Prozess würde der Eigentümer vermutlich verlieren, weil ja seine Fragen schon nicht erlaubt waren.

Damit hat er sich rechtlich selbst angreifbar gemacht. Lediglich zwei Punkte müssen potenziell­e Mieter ehrlich beantworte­n. Ulrich Ropertz: „Der erste lautet: Kannst du die Wohnung bezahlen? Der zweite heißt: Wer zieht ein: Du allein oder eine zwölfköpfi­ge Familie?“. Wer bei diesen Punkten lügt, riskiert rauszuflie­gen.

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Auch wenn der Wohnungsei­gentümer wissen will, wen er sich da ins Haus holt – manches geht ihn nichts an.

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