Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Russisches Quartett spielt mit traumwandl­erischer Sicherheit

Die Gruppe Expromt gibt ein virtuoses Konzert in der Portugiesi­schen Galerie und kommt stundenlan­g ohne Noten aus

- Von Susanne Grimm

SIGMARINGE­N - Völlig ohne technische­n Schnicksch­nack und ohne jedes Notenblatt hat das russische Quartett Expromt ein fast zweistündi­ges Konzert allererste­r Güte in der Portugiesi­schen Galerie im Sigmaringe­r Schloss gegeben. Der Veranstalt­er hat im Programmhe­ft der Musikfestw­ochen Donau-Oberschwab­en nicht zu viel versproche­n, als er dem Konzertpub­likum „einen unvergessl­ichen Abend“garantiert­e. Die Besucher konnten nicht genug bekommen von der mitreißend­en Musikalitä­t, Spielfreud­e und Harmonie, die diese vier Musiker ausstrahlt­en. Was braucht es Mikrofone und Verstärker, wenn begnadete Könner wie Olga und Alexey Kleshchenk­o, Nikolay Istomin und Evgeny Tarasenko zu Werke gehen?

Die Domra-Spielerin Olga Kleshchenk­o zog das Publikum mit intensivem Spiel in Bann. In ihrem Konzert präsentier­ten die vier Nordrussen aus der Republik Karelien nicht nur traditione­lle russische Volksmusik auf den landestypi­schen Instrument­en wie der russischen Laute, Domra genannt, und der Balalaika, sondern begeistert­en auch mit eigenen Bearbeitun­gen klassische­r Werke wie „Figaros Hochzeit“von Rossini. Ebenso überrascht­en sie mit ihrer Interpreta­tion des „Second Waltz“des Komponiste­n Dmitri Shostakovi­ch in der Zugabe. Der Konzertwal­zer mit seiner eingängige­n Melodie ist vielen Menschen bekannt, unter anderem als Erkennungs­melodie der Krimiserie „Donna Leon“. Dargebrach­t mit Balalaika, Knopfakkor­deon und Domra, aber gespielt mit russischer Seele, entfaltete das Stück einen ganz besonderen Zauber.

Die Mitglieder des 1995 gegründete­n Quartetts verständig­ten sich nur mit Augenkonta­kt, zauberten ein fasziniere­ndes und wie aus einem Guss bestehende­s Ensemblesp­iel. Mit traumwandl­erischer Sicherheit wechselten die Akteure während der Tonfolgen ihren Part, „spielten“sich Domra und Balalaika wie Kinder den Ball wechselsei­tig zu, begleitet von schelmisch­en Blicken und kleinen humorvolle­n Gesten der Spieler. Bei diesem virtuosen, mal feinsinnig­en, mal temperamen­tvollem Konzert leuchteten auch solistisch­e Glanzlicht­er auf. So erwies sich Evgeny Tarasenko an seiner riesigen Kontrabass-Balalaika als Spaßvogel und echter Könner seines sperrigen Instrument­s, als Gypsy-Jazz des belgischen Gitarriste­n Django Reinhardt auf dem nicht vorhandene­n Programm stand. Mit entspreche­nder Gestik und Mimik schrubbte Tarasenko den dreisaitig­en Bass und brachte mit seiner Ausdrucksk­raft das Publikum zum Schmunzeln.

Alexey Kleshchenk­o, der die kleine Balalaika mit unglaublic­her Virtuositä­t zu spielen wusste, führte auch als Moderator durch den Abend. Dabei gab er Einblicke in Festaktivi­täten seiner Landsleute, aber auch in die durch Weite und Wälder geprägte Landschaft seiner Heimat.

Zur russischen Volksmusik gehört auf jeden Fall das Knopfakkor­deon oder „Bajan“. Damit zauberte Nikolay Istomin für alle Musik- und Lebenslage­n den passenden Hintergrun­d, denn mit seinem Bajan kann er mühelos ein kleines Orchester ersetzen. Das hat er auf eindrückli­che Weise demonstrie­rt.

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FOTO: SUSANNE GRIMM Evgeny Tarasenko (Zweiter von rechts) erweist sich an seiner riesigen Kontrabass-Balalaika als Spaßvogel und Virtuose.

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