Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Russisches Quartett spielt mit traumwandlerischer Sicherheit
Die Gruppe Expromt gibt ein virtuoses Konzert in der Portugiesischen Galerie und kommt stundenlang ohne Noten aus
SIGMARINGEN - Völlig ohne technischen Schnickschnack und ohne jedes Notenblatt hat das russische Quartett Expromt ein fast zweistündiges Konzert allererster Güte in der Portugiesischen Galerie im Sigmaringer Schloss gegeben. Der Veranstalter hat im Programmheft der Musikfestwochen Donau-Oberschwaben nicht zu viel versprochen, als er dem Konzertpublikum „einen unvergesslichen Abend“garantierte. Die Besucher konnten nicht genug bekommen von der mitreißenden Musikalität, Spielfreude und Harmonie, die diese vier Musiker ausstrahlten. Was braucht es Mikrofone und Verstärker, wenn begnadete Könner wie Olga und Alexey Kleshchenko, Nikolay Istomin und Evgeny Tarasenko zu Werke gehen?
Die Domra-Spielerin Olga Kleshchenko zog das Publikum mit intensivem Spiel in Bann. In ihrem Konzert präsentierten die vier Nordrussen aus der Republik Karelien nicht nur traditionelle russische Volksmusik auf den landestypischen Instrumenten wie der russischen Laute, Domra genannt, und der Balalaika, sondern begeisterten auch mit eigenen Bearbeitungen klassischer Werke wie „Figaros Hochzeit“von Rossini. Ebenso überraschten sie mit ihrer Interpretation des „Second Waltz“des Komponisten Dmitri Shostakovich in der Zugabe. Der Konzertwalzer mit seiner eingängigen Melodie ist vielen Menschen bekannt, unter anderem als Erkennungsmelodie der Krimiserie „Donna Leon“. Dargebracht mit Balalaika, Knopfakkordeon und Domra, aber gespielt mit russischer Seele, entfaltete das Stück einen ganz besonderen Zauber.
Die Mitglieder des 1995 gegründeten Quartetts verständigten sich nur mit Augenkontakt, zauberten ein faszinierendes und wie aus einem Guss bestehendes Ensemblespiel. Mit traumwandlerischer Sicherheit wechselten die Akteure während der Tonfolgen ihren Part, „spielten“sich Domra und Balalaika wie Kinder den Ball wechselseitig zu, begleitet von schelmischen Blicken und kleinen humorvollen Gesten der Spieler. Bei diesem virtuosen, mal feinsinnigen, mal temperamentvollem Konzert leuchteten auch solistische Glanzlichter auf. So erwies sich Evgeny Tarasenko an seiner riesigen Kontrabass-Balalaika als Spaßvogel und echter Könner seines sperrigen Instruments, als Gypsy-Jazz des belgischen Gitarristen Django Reinhardt auf dem nicht vorhandenen Programm stand. Mit entsprechender Gestik und Mimik schrubbte Tarasenko den dreisaitigen Bass und brachte mit seiner Ausdruckskraft das Publikum zum Schmunzeln.
Alexey Kleshchenko, der die kleine Balalaika mit unglaublicher Virtuosität zu spielen wusste, führte auch als Moderator durch den Abend. Dabei gab er Einblicke in Festaktivitäten seiner Landsleute, aber auch in die durch Weite und Wälder geprägte Landschaft seiner Heimat.
Zur russischen Volksmusik gehört auf jeden Fall das Knopfakkordeon oder „Bajan“. Damit zauberte Nikolay Istomin für alle Musik- und Lebenslagen den passenden Hintergrund, denn mit seinem Bajan kann er mühelos ein kleines Orchester ersetzen. Das hat er auf eindrückliche Weise demonstriert.