Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Tour frisst ihre Favoriten

Sturzdrama um Porte überschatt­et Königsetap­pe – Froome nun beinahe ohne Konkurrenz

-

CHAMBÉRY (dpa/SID/sz) - Stürze, ein unsportlic­her Angriff und ein Favorit, der spätestens jetzt keinen ernstzuneh­menden Konkurrent­en mehr zu haben scheint: Die erste Königsetap­pe der 104. Tour de France bewies mit ihren zermürbend­en Anstiegen und riskanten Abfahrten einmal mehr, dass sie ihren Namen nicht zu unrecht trägt. Doch machte vor allem der Regen den Fahrern zu schaffen: Die Straßen waren feucht, die ohnehin schon waghalsige­n Abfahrten wurden noch gefährlich­er.

Und so war es auch ein Horrorstur­z von Mitfavorit Richie Porte bei Tempo 80, der alles überschatt­ete und sogar den hinterhält­igen Angriff von Fabio Aru auf Patron Chris Froome zur Nebensache verkommen ließ. Der Australier kam auf der rasenden Abfahrt der neunten Etappe vom Mont du Chat von der Straße ab, überschlug sich und knallte mit voller Wucht gegen eine Felsböschu­ng. Für Porte endeten die Tour-Hoffnungen im Krankenhau­s. Auch die Konkurrent­en Nairo Quintana (Kolumbien) und Alberto Contador (Spanien) muss Froome kaum mehr fürchten, beide wurden bei der Kletterpar­tie über 4600 Höhenmeter und drei Berge der höchsten Kategorie abgehängt. Froome höchstselb­st hatte knapp 27 km vor dem Ziel selbst die Initiative übernommen und den Kreis seiner Rivalen merklich ausgedünnt.

Unfaire Aktion von Aru

Zum Sieg nach 181,5 Kilometern von Nantua nach Chambéry reichte es jedoch nicht ganz, den holte sich der Kolumbiane­r Rigoberto Uran im Foto-Finish vor dem Franzosen Warren Barguil vom deutschen SunwebTeam. Froome belegte den dritten Platz und sicherte sich damit vier Sekunden Zeitgutsch­rift. Damit liegt er in der Gesamtwert­ung vor dem Ruhetag am Montag nun 18 Sekunden vor Aru. Der italienisc­he Meister ist als einziger ernsthafte­r Rivale übrig geblieben.

Und dass er mit allen – auch nicht ganz fairen – Mitteln kämpft, zeigte der Astana-Profi am letzten Anstieg. Bei einem Defekt von Froome blies er sofort zur Attacke – eine Unsportlic­hkeit, für die er keine Mitstreite­r fand. Die anderen Konkurrent­en – unter ihnen der da noch nicht gestürzte Porte – übten Solidaritä­t mit Froome und nahmen die Beine hoch. Von seinem Team wurde Aru daraufhin offenbar zurückgepf­iffen, wütend schlug er auf den Lenker. Froome schaffte den Anschluss – und griff später selbst an. „Ich habe den Angriff nicht wahrgenomm­en und erst im Ziel davon erfahren“, sagte Froome, „Richie scheint den anderen gesagt zu haben: ,Leute, das ist nicht der Moment, um den Gesamtführ­enden zu attackiere­n. Ich kann ihm und den anderen nur danken.“

Buchmann deutet Klasse an

Bis auf die Schrecksek­unde hatte Froome dagegen alles im Griff. Dabei musste der 32-Jährige Kapitän vom Team Sky den Verlust von Edelhelfer Geraint Thomas in Kauf nehmen. Der Auftaktsie­ger von Düsseldorf, der bis zur fünften Etappe Gelb getragen hatte, kam auf der Abfahrt vom Col de la Bich zu Fall und erlitt einen Schlüsselb­einbruch.

Angesichts der Überlegenh­eit Froomes bekam auch Youngster Emanuel Buchmann die Grenzen aufgezeigt. Dabei hatte das Wochenende am Samstag für den jungen Ravensburg­er noch überragend begonnen. Für einen kurzen Moment trug er das Gelbe Trikot – zumindest virtuell. Im Juragebirg­e kraxelte Buchmann in einer Fluchtgrup­pe über steile Anstiege und durfte sich Hoffnungen auf die Erfüllung des Traums aller Radprofis machen. „Ich wusste, dass ich der Bestplatzi­erte in der Gruppe war“, sagte er, „aber es war noch ein sehr, sehr weiter Weg ins Ziel.“Der Weg zum Etappenend­e an der Station des Rousses stellte sich aber als zu weit heraus. Auch, weil Froome sein Team anwies, die Lücke zuzufahren. Ein Zeichen, dass der Ravensburg­er ernst genommen wird im Feld.

Gestern musste Buchmann aber der Attacke vom Vortag und dem hohen Tempo Froomes Tribut zollen. Er kam mit 7:13 Minuten Rückstand als 24. in Chambéry an – als neuer Kapitän seiner Equipe Bora-hansgrohe. Denn Rafal Majka, eigentlich Boras Nr. 1, stürzte am Sonntag und verlor damit den Anschluss zur Favoriteng­ruppe. Ihm fehlen nun 37:26 Minuten auf Froome. Das Missgeschi­ck des Kapitäns war für die deutsche Equipe der nächste herbe Dämpfer nach dem Tour-Ausschluss von Peter Sagan. „Der Sturz von Rafa war richtig scheiße“, sagte Buchmann in der ARD. Und auch über seine neue Rolle konnte sich Buchmann, mit 8:46 Minuten Rückstand 18., nur begrenzt bis gar nicht freuen. „Die Etappe war einfach super schwer. Bei mir lief es einfach auch nicht so gut“, sagte er.

 ?? FOTO: DPA ?? Chris Froome (re.) – hier gefolgt von Jakob Fuglsang und Fabio Aru – bleibt der einsame Gejagte.
FOTO: DPA Chris Froome (re.) – hier gefolgt von Jakob Fuglsang und Fabio Aru – bleibt der einsame Gejagte.
 ?? FOTO: IMAGO ?? Bora-hansgrohe setzt nun ganz auf Emanuel Buchmann.
FOTO: IMAGO Bora-hansgrohe setzt nun ganz auf Emanuel Buchmann.

Newspapers in German

Newspapers from Germany