Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mit Stadionallianzen gegen Krawallmacher
Landesinnenministerium stellt nach dem Fußball-Gipfel Sicherheitsmaßnahmen vor
STUTTGART - Stadionallianzen sollen künftig für mehr Sicherheit rund um die Fußballspiele der ersten bis fünften Liga sorgen. Das kündigte Innenminister Thomas Strobl (CDU) nach dem Fußball-Gipfel mit rund 80 Beteiligten am Montagabend in Stuttgart an. „Dort wird dann zum Beispiel entschieden, ob aufkeimende Aggressionen gewaltbereiter Fans besser durch zusätzliche Ordner, Fanbeauftragte oder die Polizei verhindert werden sollen“, so Strobl. Pilotprojekte wollen der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim starten.
Auslöser dafür, dass sich die Politik nach ähnlichen Konferenzen 2009, 2010 und 2012 erneut mit dem Problem beschäftigt, waren zwei Vorkommnisse vor wenigen Monaten (siehe Kasten). Dabei sei Gewalt keine typische Begleiterscheinung von Fußballspielen. „Problematisch sind nur die Hochrisikospiele“, sagte Landespolizeipräsident Gerhard Klotter. Von denen habe es in der vergangenen Saison sechs gegeben, die jedoch ein Viertel aller Polizeieinsatzstunden beim Fußball in den obersten fünf Ligen verursacht hätten – 180 000.
Bei den geplanten Stadionallianzen sollen sich alle Entscheider vernetzen: Kommune, Verein, Fanprojekte, Fanbetreuer, Bundes- und Landespolizei und Staatsanwaltschaften. Stefan Heim, Finanzvorstand beim VfB, erklärte dazu: „Wichtig war die sachliche Analyse, die auf wissenschaftlichen Daten beruht.“Ein Gutachten diente den Gipfelteilnehmern als Grundlage. Bereits am 4. Juli hatten sich dieselben Akteure, nur ohne die Politiker, zu einem Fachaustausch in der Rhein-Neckar-Arena in Sinsheim getroffen. Heim lobte den lokalen Ansatz für mehr Sicherheit, denn „ein Stadion ist nicht gleich ein Stadion, ein Spiel ist nicht gleich ein Spiel. Es kann kein Allheilmittel geben“.
Weniger sichtbare Polizei
Neben der besseren Abstimmung durch die Stadionallianzen soll die Willkommenskultur für die Fans der Gäste verbessert werden. In Stuttgart könnten Volunteers, die auch im Stadion eingesetzt werden, die Gäste am Bahnhof begrüßen, sagte VfB-Finanzchef Heim. Zudem soll die Polizei bei risikoarmen Spielen weniger sichtbar sein. Strobl kündigte an, dass sein Ministerium zudem einen Leitfaden erarbeiten wolle, damit auch Kommunen, die nicht so oft mit Meldeauflagen zu tun haben, diese für bekannte Störer und potenzielle Gewalttäter rechtssicher verfügen können.
Die SPD hatte vorab ihre Erwartungen an den Gipfel kundgetan. „Fußball muss ein freudiges Sporterlebnis für die gesamte Familie bleiben“, hatte Fraktionsvize Sascha Binder erklärt. „Deshalb trete ich der Verharmlosung von Ausschreitungen und Gewalttätigkeiten in den Arenen entschieden entgegen.“Er listete die erforderlichen Maßnahmen in einem Zehn-Punkte-Plan auf. Darunter: Stadionverbote für Gewalttäter und Störer, personalisierte Auswärtstickets und eine Kostenbeteiligung der Vereine und der Deutschen Fußball-Liga, respektive des Deutschen FußballBundes. Sie sollen dann für Sicherheitsmaßnahmen zahlen, wenn sie über das übliche Maß nötig seien.
Zuspruch erhielten Binders Vorschläge von der Gewerkschaft der Polizei. „Der Vorstoß geht in die richtige Richtung“, sagte deren Landeschef Hans-Jürgen Kirstein. „Hier sind die Juristen gefragt, wie eine Definition ,über das normale Maß an Polizeieinsätzen’ aussehen müsste.“Diesem Vorschlag erteilte Strobl eine Absage: „Wir wollen nicht Kasse machen, wir wollen die Ursachen beseitigen“– obgleich er eine Kostenbeteiligung „nicht für alle Tage“ausschloss.
Der Fanforscher Harald Lange bezeichnet Gipfeltreffen für Sicherheit in Fußballstadien als unwirksam. „In 40 Jahren haben solche Konferenzen nie zu Eindämmung von Gewalt im Fußball geführt“, sagte der Sportwissenschaftler aus Würzburg der Deutschen Presse-Agentur. Laut Lange fürchten die Fans, politisch instrumentalisiert zu werden. Da sei eine andere Ansprache nötig: „Erfolgschancen haben nur Fanprojekte.“Dafür müsste die Deutsche Fußball Liga noch viel mehr Geld bereit stellen. Die vereinsübergreifende Fan-Organisation „Unsere Kurve“sieht in dem Treffen eine „Alibi-Veranstaltung“.
Strobl erklärte, dass dies nur der Auftakt für mehr Sicherheit beim Fußball sei. „Wir sind eher bei einem Start als am Ziel.“Die Stadionallianzen sollen nach der Projektphase überall im Land gegründet werden.