Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Schluss mit Klischees

Die norwegisch­e Band Pristine zeigt mit seinem vierten Album: Bluesrock ist nicht tot

- Von Daniel Drescher

RAVENSBURG - Noch immer gelten Bands, bei denen Frauen am Mikrofon stehen, als Exoten im Musikbusin­ess. Sie werden gern über die Optik vermarktet, mit anderen Bands unter dem Label „female fronted“verglichen und dabei wesentlich kritischer angegangen als Bands, bei denen Männer den Gesang übernehmen. Auch Pristine aus Norwegen teilen dieses Schicksal, zumal sie mit den stilistisc­h ähnlich gelagerten Schweden von Blues Pills auf Tour waren und ebenfalls beim Metal-Label Nuclear Blast unter Vertrag stehen. Doch es gibt auf „Ninja“, dem viertem Album von Pristine, genügend Dinge, in denen sich Heidi Solheim mit ihrer 2006 in Tromsö gegründete­n Band von Elin Larsson und ihrer Truppe unterschei­den.

Besonders deutlich wird dies bei „Forget“. Die Stromgitar­re hat Distortion-Pause, stattdesse­n ist das Stück ganz auf die Stimme der rothaarige­n Sängerin fokussiert – drei Minuten, die viel zu schnell um sind. Dass sie ordentlich zupacken können, haben die Musiker da schon zur Genüge bewiesen. Mit einer bluesigang­egrunchten Gitarre im Stil von Größen wie Stevie Ray Vaughn geht „You Are The One“gleich in die Vollen, und auch das darauf folgende „Sophia“zeigt mit seinem knackigen Bass und den Stakkato-Riffs, dass der Kern von Pristine Rock’n’Roll ist.

Doch die Band zeigt sich vielfältig und zitiert Einflüsse aus Soul, Funk und sogar Gospel, zum Beispiel bei „The Perfect Crime“. Der sechsminüt­ige Titel nimmt sich Zeit, um in Fahrt zu kommen, und dringt dabei in extrem atmosphäri­sche BluesSphär­en vor, zu denen man sich eng umschlunge­ne Paare auf der Tanzfläche vorstellen kann – in einer schummrige­n Bar mit gedämpftem Licht. Heidi Solheim, die alle Texte und Songs selbst schreibt, stellt bei diesem Mini-Epos die ganze Bandbreite ihrer Stimme unter Beweis. Anfangs haucht sie die Silben geradezu, gegen Ende des Songs schwingt sie sich dann in tremoliere­nde Höhen empor. Effektvoll wird nicht nur dieses Stück von Anders Oskals Orgelkläng­en untermalt.

Klassische­r als „The Parade“kann man einen an Led Zeppelin geschulten Bluesrocks­ong kaum aufbauen, und „The Rebel Song“ist die klare Kampfansag­e an Sexismus , dem sich Künstlerin­nen oft ausgesetzt sehen. Fazit: Starke Frau, starke Platte.

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FOTO: ØRJAN BERTELSEN Heidi Solheim ist der kreative Kopf von Pristine.

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