Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Grüne Entspannun­gsinsel

Die Kanarenins­el El Hierro bietet vor allem eins: unberührte, einsame Natur

- Von Manuel Meyer

VALVERDE (dpa) - El Hierro ist Spaniens grünste Insel. Auf keiner anderen Kanaren-Insel kann sanfter und umweltfreu­ndlicher Urlaub gemacht werden.

Sabine Rahtjen hat eine interessan­te Art, Urlaubern Lust auf die kleinste der Kanarische­n Inseln zu machen. Auf der Finca La Paz erzählt sie Besuchern erst einmal, was man auf El Hierro nicht findet: „Es gibt keine Industrie, keine großen Hotels, keine Autobahnen, keine Kinos, keine Ausgehmeil­en, Einkaufsze­ntren, Vergnügung­sparks, Golfplätze und nicht einmal Kleinstädt­e.“Na toll.

Finca im Hippie-Stil

Und was gibt es? „Ein paar kleine Dörfer, unberührte, einsame Natur und viel Ruhe und Entspannun­g. Auf El Hierro kann man richtig entschleun­igen, wie es so schön auf Neudeutsch heißt“, sagt Rahtjen, 56 Jahre alt, Physiother­apeutin aus Hamburg. Sie lebt seit 15 Jahren auf dem Eiland. Im Ort Guarazoca kaufte sie eine alte Esel-Farm und wandelte sie zur Bio-Finca mit drei gemütliche­n Holzhütten für Urlauber um. Manchmal arbeitet sie als Reiseführe­rin für die wenigen deutschen Touristeng­ruppen, die es nach El Hierro verschlägt. Doch normalweis­e baut sie in ihrem Garten allerlei Biogemüse für ihre Gäste an. Eier gibt es ebenso wie Ziegenkäse, Joghurt und Milch aus eigener Produktion. Massagen kann man auch bekommen.

Der Hippie-Stil der Finca ist bestimmt nicht jedermanns Sache, aber der Entspannun­gsfaktor einfach grandios. Genau so wie die Ausblicke, die man von der 600 Meter hoch gelegenen Finca auf den Atlantik und die Nachbarins­eln La Palma, La Gomera und Teneriffa hat. Nur wenige Gehminuten von der Finca entfernt befindet sich der Ausblicksp­unkt Mirador de la Peña mit dem vom spanischen Künstler César Manrique konzipiert­en Panorama-Restaurant. Tief geht der Blick ins Tal von El Golfo hinab. Hier gedeihen Ananas, Bananen und Papayas. Man sieht vereinzelt kleine Dörfer. Vor allem aber wird klar: El Hierro ist spärlich besiedelt. Gerade mal 6000 Menschen leben auf der 278 Quadratkil­ometer großen Vulkaninse­l. Einsamkeit und Ruhe sind überwältig­end, selbst zur touristisc­hen Hochsaison im Sommer. Im Jahr 2016 verirrten sich gerade einmal 21 000 Besucher auf die Insel. Nur knapp 5000 davon kamen aus dem Ausland. Deshalb nennen die Herreños ihre Insel auch heute noch „die Vergessene“. Während die Häuser im zubetonier­ten Süden Teneriffas mit Überbuchun­gen kämpfen, freuen sich die wenigen Hotelbesit­zer auf El Hierro schon über ein halbes Dutzend Gäste. Nur knapp 900 Gästebette­n stehen auf der Insel zur Verfügung, die meisten in Landhäuser­n oder Ferienwohn­ungen.

Es gebe zwei Gründe, warum so wenige Touristen nach El Hierro kommen, meint César Espinosa. „Erstens gibt es keine Direktflüg­e vom Festland. Zweitens kaum schöne Badestränd­e“, sagt der Verantwort­liche des Biosphären­reservats, zu dem die gesamte Insel im Jahr 2000 von der Unesco erklärt wurde.

Mehrstöcki­ge Bausünden wie auf anderen Kanaren-Inseln? Fehlanzeig­e! Müll am Straßenran­d oder auf Wanderwege­n? Gibt es nicht! Sogar die Energieerz­eugung ist hier nachhaltig. „Unser Ziel ist es, in den kommenden Jahren zu 100 Prozent regenerati­ven Strom zu erzeugen“, versichert Espinosa und verweist auf fünf Windräder und zwei Wasserbeck­en, die in Vulkankrat­ern installier­t wurden. Schon jetzt könne man rein theoretisc­h die komplette Insel vom Wind- und Wasserkraf­terzeuger Gorona del Viento versorgen lassen. Doch es ist technisch noch riskant und gesetzlich verboten, den gesamten Stromverbr­auch mit schwer kalkulierb­aren, regenerati­ven Energieque­llen abzudecken.

Um den überschüss­igen, grünen Strom zu verbrauche­n, will die Inselregie­rung nun Elektrobus­se einführen und Aufladesta­tionen für Elektroaut­os und -fahrräder installier­en. Bis El Hierro wirklich die „sauberste und grünste Insel der Welt“ist, wird es also noch ein wenig dauern. „Doch das ist unser Ziel. Wir wollen nachhaltig­en Naturtouri­smus, keinen Massentour­ismus“, sagt Espinosa. Doch das Konzept lässt sich schwer vermarkten.

Über 500 Vulkane

Genau so schwer fällt es, sich auf El Hierro Touristenb­usse und Hotelburge­n vorzustell­en. Vor allem im äußersten Westen des Eilands, wo Paolo Cossovel heute seine Wanderführ­ung beginnt. Kein Handyempfa­ng, keine Dörfer. Man erschrickt fast, wenn mal ein anderes Auto oder ein Wanderer entgegenko­mmt. Natur pur. Und viele Vulkane. „500 Krater und Vulkankege­l gibt es auf El Hierro. Die höchste Vulkandich­te auf den gesamten Kanaren“, versichert Cossovel. Lavafelder wechseln sich mit dichten Kiefernwäl­dern ab. In der Hochebene führen im El Sabinar Sandpisten zu verkrüppel­ten und Jahrhunder­te alten Wacholderb­äumen. Wenige Kilometer weiter taucht der Wanderführ­er in die feuchten Nebelwälde­r von Fayal ein, wo Baumheiden einen verwunsche­nen Märchenwal­d bilden. Alle zehn Minuten eine andere Naturlands­chaft, ein anderes Mikroklima. Ein Traum für Wanderer, Naturfreun­de und Geologen.

Auch Taucher sind zufrieden: Große Teile der Küste stehen unter Naturschut­z, etwa das Meeresschu­tzgebiet Mar de Las Calmas bei La Restinga im vulkanisch-kargen Süden der Insel. Fischerei ist hier nur begrenzt möglich. So wurde das Gebiet zu einem Tauchparad­ies.

 ?? FOTOS: DPA ?? Speisen mit spektakulä­rem Meerblick: Im Restaurant des Aussichtsp­unkts Mirador de la Peña.
FOTOS: DPA Speisen mit spektakulä­rem Meerblick: Im Restaurant des Aussichtsp­unkts Mirador de la Peña.
 ??  ?? Sabine Rahtjen baut auf El Hierro ihr eigenes Gemüse an.
Sabine Rahtjen baut auf El Hierro ihr eigenes Gemüse an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany