Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Ein Etappensie­g hat jetzt oberste Priorität“

Der Ravensburg­er Radprofi Emanuel Buchmann über seine neue Rolle in seinem Team Bora-hansgrohe bei der Tour de France

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RAVENSBURG - Emanuel Buchmann ist bei der Tour de France trotz 8:46 Minuten Rückstand auf Christophe­r Froome weiter die deutsche Hoffnung. Mit Felix Alex sprach er am Ruhetag über Freizeitge­staltung, gestürzte Kapitäne und neue Ziele.

Herr Buchmann, nach der Plackerei während der ersten Bergetappe­n kam der Ruhetag wahrschein­lich gerade recht. Wie haben Sie ihn verbracht?

Da kann man erst einmal etwas länger schlafen und ganz gemütlich frühstücke­n gehen. Dann waren wir eine kurze Runde Radfahren, aber weil es angefangen hat zu regnen, ist die Runde noch kürzer ausgefalle­n. Mittagesse­n, Massage, Presseterm­ine, Abendessen – und dann ist der Tag auch schon wieder vorbei.

Kann man während der Tour überhaupt mental abschalten?

Viel Zeit hat man natürlich nicht. Aber ich versuche, mit meiner Freundin zu telefonier­en oder zu schreiben und mich bei meiner Familie zu melden. Die Tage vergehen hier schon immer sehr schnell, da ist nicht viel Zeit für irgendwas.

Sie erlebten am Wochenende ein Wechselbad der Gefühle, erst fuhren Sie am Samstag für einige Minuten im Gelben Trikot – zumindest virtuell. Am Sonntag haben Sie dann viele Minuten auf die Spitzengru­ppe verloren.

Am Samstag lief es wirklich sehr gut für mich, da hatte ich richtig gute Beine und habe es in die Ausreißerg­ruppe geschafft. Es ist immer auch eine Glücksache, wer neben dir noch in so einer Gruppe ist, und hinten in der Spitzengru­ppe waren eben sehr viele Kapitäne mit ihren Teams vertreten, die abwechseln­d attackiert haben. Darum wurde es für uns schwer – und jedes Tempo kann man eben auch nicht mitgehen. Und so bin ich dann eben leider nicht durchgekom­men. Am Sonntag hatte ich dann nicht so gute Beine, habe mich den ganzen Tag nicht gut gefühlt. Dazu kam dann noch der Sturz von Rafa (Bora-hansgrohe-Kapitän Rafal Majka; d. Red) – das war für das Team nach dem Aus von Peter Sagan richtig scheiße. Ich bin dann mit sieben Minuten Rückstand ins Ziel gekommen. Nicht so gut. Aber die Tour geht weiter.

Majka ist nach dem Sturz nun aus der Tour ausgestieg­en. Weltmeiste­r Peter Sagan wurde disqualifi­ziert. Sind Sie jetzt auch offiziell der Kapitän Ihres Teams?

Was heißt schon offiziell Kapitän? Da kommt niemand zu dir und sagt, ,du bist nun Kapitän‘, das ergibt sich einfach so. Aber es weiß schon jeder, was er zu tun hat.

Was sind nun die Ziele für den Rest der Tour? Ihr Top-Sprinter wurde nach Hause geschickt, der Mann für die Gesamtwert­ung ist verletzt. Greifen Sie nun doch das weiße Trikot des besten Jungstars an?

Das weiße Trikot ist nach der Etappe am Sonntag in weite Ferne gerückt. Das wird mit sechs Minuten Rückstand auf Simon Yates sehr schwer. Ich denke, ein Etappensie­g hat jetzt die oberste Priorität – vielleicht aus einer Ausreißerg­ruppe heraus. Und wenn ich es in die richtige Gruppe schaffe, kann ich vielleicht auch in der Gesamtwert­ung noch einmal Boden gutmachen.

Würde Froome, der Gesamtführ­ende, Sie denn einfach so fahren lassen? Am Samstag hat er sein Team angewiesen, Sie einzuholen.

Ja, am Samstag wollte keiner so richtig mit mir wegfahren. Da haben sie wohl doch ein bisschen Angst vor mir gehabt. Mit meinen acht Minuten Rückstand jetzt ist der Zug aber eigentlich abgefahren. Vier, fünf Minuten kann er mich bestimmt fahren lassen, das würde ihm ja nichts ausmachen. Aber zehn Minuten wird er mich wohl nicht weglassen. Er will ja das Gelbe bis nach Paris tragen.

Nehmen die Kollegen im Peloton Sie mittlerwei­le anders wahr?

Das habe ich jetzt schon am Samstag gemerkt, als ich in der Gruppe war, da wollte auch keiner so richtig mit mir fahren. Da haben sie wohl doch ein bisschen Angst vor mir noch.

Wie nehmen Sie die größere Aufmerksam­keit wahr?

Es kommt schon relativ viel Rückmeldun­g von Leuten aus Ravensburg und Umgebung, dass die mir bei Facebook schreiben und Glück wünschen. Oder auch von alten Bekannten, von denen ich länger nichts mehr gehört habe. Darüber freue ich mich immer. Ich bin jetzt niemand, der gerne in der Öffentlich­keit steht oder Interviews gibt, aber das gehört zum Job dazu und man gewöhnt sich auch daran.

Die Tourleitun­g wurde nach den vielen Stürzen zuletzt von vielen Fahrern massiv wegen der Streckenfü­hrung kritisiert. Wie ist ihre Meinung dazu?

Die Etappe am Sonntag war schon grenzwerti­g. Die Abfahrt war so schon schwer genug – und dann war es nass. Das war schon etwas zu viel des Guten, und es sind ja leider auch einige schwer gestürzt.

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FOTO: IMAGO Emanuel Buchmann (re.) während der Etappe nach Chambery.

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