Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Frankreich und Deutschland bauen einen Jet
Ministerrat in Paris steht im Zeichen der Verteidigung – Merkel bittet um Geduld
PARIS (AFP/dpa) - Deutschland und Frankreich setzten auf eine engere Zusammenarbeit bei Rüstung und Wirtschaftspolitik. Beim deutschfranzösischen Ministerrat in Paris beschlossen beide Seiten am Donnerstag die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfjets. Ziel sei eine „neue Generation gemeinsamer Kampfflugzeuge“, sagte Frankreichs neuer Staatschef Emmanuel Macron an der Seite von Angela Merkel (CDU). Die Bundeskanzlerin sagte, für die Entwicklung solle „bis Mitte 2018“ein Fahrplan aufgestellt werden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) betonte zugleich, dass die Entwicklung Jahrzehnte dauern werde und nannte als Zeithorizont 2035 bis 2040.
Die militärische Zusammenarbeit nahm beim Ministerrat großen Raum ein, beschlossen wurde jedoch auch ein Investitionsprogramm für Start-up-Unternehmen. Auch bei der Harmonisierung der Unternehmensteuern soll bis Jahresende eine gemeinsame Position vorliegen. Keine konkreten Beschlüsse gab es mit Blick auf die von Macron geforderte Vertiefung der Eurozone. Merkel bat um Geduld: Beschlüsse seien erst nach der Bundestagswahl im September möglich. Offen zeigte sie sich erneut für einen von Macron geforderten Eurozonenhaushalt und einen europäischen Finanzminister. Es komme auf das „Wie“an, so die Kanzlerin.
PARIS - Frankreichs neuer Präsident Emmanuel Macron fordert von Deutschland mehr Investitionen. In der Verteidigung vereinbarte er am Donnerstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Paris die Entwicklung eines gemeinsamen Kampfflugzeugs.
Das hat es wohl noch nie gegeben: ein französischer Präsident, der zusammen mit der deutschen Regierungschefin vom Balkan-Gipfel in Triest nach Paris fliegt. Nur wenige Stunden verbrachten Macron und Merkel dann getrennt, bevor sie sich am Donnerstagmorgen schon wieder sahen. Für Macron stand der erste gemeinsame Ministerrat seiner Amtszeit auf dem Programm. „An die Arbeit“, twitterte der 39-Jährige kurz vor dem Empfang der Kanzlerin auf Deutsch.
Er selbst war da schon mit einem Interview in Vorlage gegangen, das pünktlich zum Ministerrat parallel in der Zeitung „Ouest France“und der Funke-Mediengruppe erschienen war. Darin machte der Staatschef klar, dass er durchaus ein anspruchsvoller außenpolitischer Partner sein will. „Deutschland muss sich bewegen“, lautete seine markanteste Äußerung. „Deutschland muss für eine Wiederbelebung der öffentlichen und privaten Investitionen in Europa sorgen“, forderte Macron. Neu ist diese Forderung nicht. Hollande hatte sich ähnlich geäußert, als er vor fünf Jahren ins Amt kam, ohne dass viel passierte.
„Wir haben Spielraum“
Inzwischen scheint die Kanzlerin aber offen für solche Appelle. „Ja, wir haben Spielraum“, sagte sie zu den geforderten Investitionen. Es gebe allerdings „zu langsame Planungsprozesse“, um das Geld auch auszugeben. „Wir müssen überlegen, wie wir schneller planen können.“Notwendigkeit bestehe durchaus. „Unsere Infrastruktur ist nicht so, dass sie Investitionen nicht vertragen könnte.“
In seinem Interview kritisierte Macron wie schon im Wahlkampf die deutschen Exportüberschüsse. „Deutschland profitiert auch von den Missständen in der Eurozone. Diese Situation ist nicht gesund, weil sie nicht von Dauer ist.“Elegant spielte Merkel den Ball zurück in das französische Feld: „Ich möchte für Deutschland sagen, dass wir das Interesse haben, dass alle Länder in der Eurozone stark sind. Deshalb verfolgen wir die französischen Reformen mit Aufmerksamkeit.“
Auch für Macrons Vorschläge einer Reform der Eurozone ist die Kanzlerin offen. „Ich habe nichts gegen ein Eurozonen-Budget“, versicherte sie. „Auch über den Finanzminister kann man reden.“Allerdings brauche es für diese Weiterentwicklung ein Mandat. „Es kann nicht aus dem luftleeren Raum gemacht werden.“Diplomaten hatten ohnehin nicht erwartet, dass der deutschfranzösische Ministerrat in der heiklen Frage einer Neuordnung der Eurozone einen Durchbruch bringt. Zu nah lag der Termin an den Bundestagswahlen, nach denen dann die Kanzlerin im Falle eines Wahlsieges freie Hand hätte. „Ich glaube, wir werden Sie noch überraschend“, kündigte Merkel bereits an.
Eine faustdicke Überraschung hatten sie und Macron bereits am Donnerstag parat: Deutschland und Frankreich wollen sich an das Projekt eines gemeinsamen europäischen Kampfflugzeuges machen, das langfristig die bisherigen Jets ersetzen soll. 2018 soll dazu ein Fahrplan stehen. Bisher hatten beide Länder ihre eigenen Jagdbomber: Deutschland vor allem den Eurofighter und Frankreich die Rafale. „Man muss reduzieren und vereinfachen, um effizienter zu sein“, sagte Macron. „Ich bestätige, dass das eine tief gehende Revolution ist, aber wir haben keine Angst vor einer Revolution, wenn sie friedlich und dauerhaft ist.“