Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Stilistisch vielseitiger Konzertmarathon
Das Eröffnungskonzert des Konstanzer Musikfestivals gibt sich überwiegend russisch
KONSTANZ - Gleich vier Solisten musizierten beim Eröffnungskonzert des dritten Musikfestivals im Festsaal des Inselhotels gemeinsam mit der Südwestdeutschen Philharmonie unter der Leitung des türkischen Dirigenten Naci Özgüç. Mit einem Kammermusikabend am gestrigen Donnerstag, einem „Classic meets Jazz“Crossover-Programm am kommenden Mittwoch (19. Juli) und einem weiteren Orchesterkonzert mit dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim unter Timo Handschuh am 20. Juli wird das Festival fortgesetzt.
Netzwerken ist wichtig, auch im Musikmanagement: Peter Vogel, der Lindauer Musiker, Komponist und Vorsitzende des Internationalen Konzertvereins Bodensee, macht das seit 20 Jahren vor mit Konzerten im gesamten Bodenseeraum bis hinauf an den Arlberg. In der Konzilstadt sind großzügige und kunstsinnige Bürger an ihn herangetreten, die Südwestdeutsche Philharmonie und ihr Intendant Beat Fehlmann sind mit im Boot, und es wundert nicht, dass die Solisten auch die anderen Konzertreihen prägen. In den ersten beiden Jahren in Konstanz hatte Peter Vogel gemeinsam mit dem ukrainischen Geiger Valery Sokolov für das Programm verantwortlich gezeichnet, der aber tritt zumindest in diesem Jahr nicht in Erscheinung.
Vogels Konzertprogramme sind immer umfangreich, doch besteht auch die Gefahr, dass sich die einzelnen Werke und/oder Solisten gegenseitig überlagern und die hohe Konzentrationsleistung des Orchesters bei stilistisch so unterschiedlichen Werken in den Hintergrund gerät.
Beim Eröffnungskonzert machte der 26-jährige russische Cellist Alexey Stadler, der erst letzte Woche in Langenargen eingesprungen war und im August nochmals dort konzertiert, den Anfang mit den „Variationen über ein Rokoko-Thema“von Tschaikowsky. Verglichen mit den anderen Werken des Abends sind die Variationen fast kammermusikalisch durchsichtig, galant, spielerisch und leichtfüßig. Alexey Stadler musizierte mit schönem Ton bis in hohe Lagen, virtuos, aber auch melancholisch. Höchst anspruchsvoll für das Orchester ist das erste Violinkonzert von Schostakowitsch, das der ukrainische Geiger Andrej Bielow interpretierte: Dunkles Raunen, schmerzvolle Klänge bestimmen den ersten Satz, eine grimmige Groteske mit beißenden Kommentaren, eine schicksalhafte Passacaglia und wilde Explosionen voller rhythmischer Schärfen charakterisieren das Werk. Andrej Bielow musizierte mit Herzblut und facettenreichen Klängen in intensivem Dialog mit dem vielfach herausgeforderten Orchester.
Mit Begeisterung aufgenommen
Der Komponist Dmitri Schostakowitsch hatte unter Stalin immer wieder mit Anfeindungen und Unterdrückung zu rechnen: Das spiegelt sich in dem bitter sarkastischen Tonfall seiner Werke durchaus wider, wurde vom Publikum aber mit großer Konzentration und Begeisterung für die Interpreten aufgenommen.
Peter Vogels eigenes „Mouvement“für Klavier und Orchester ist dagegen im entspannten Italienurlaub entstanden: Auch das ist zu hören in heiter aufspringenden Klavierfiguren, treibenden Rhythmen, frechen Bläsereinwürfen und Pizzicati. Als ausübender Musiker liebt Peter Vogel fließende Übergänge von der Klassik zum Jazz, zur Band, zum frei fliegenden Improvisieren. Demgegenüber ist das erste Klavierkonzert von Tschaikowsky ein mächtiges Schlachtross mit wogenden Akkorden, Trommelfeuern, großem Orchester und großen Kontrasten. Der türkisch-amerikanische Pianist Özgür Aydin bezwang es mit großer Kraft und feineren Farben, brachte Entspannung im lyrischeren Mittelsatz, um mit dem glitzernden Springtanz des Finales zu vorgerückter Stunde nochmals zu glänzen.