Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Berlin erhöht den Druck auf die Türkei

Regierung verschärft Reisehinwe­ise – Ruf auch nach finanziell­en Konsequenz­en

- Von Andreas Herholz und unseren Agenturen

BERLIN/ANKARA - Nach monatelang­en Appellen zur Mäßigung hat die Bundesregi­erung der Türkei ein Stoppsigna­l gesetzt. „Wir erwarten die Rückkehr zu europäisch­en Werten“, sagte Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel (SPD) am Donnerstag in Berlin und kündigte einen Kurswechse­l und Konsequenz­en an. Das sei mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Martin Schulz abgesproch­en. Die Neuausrich­tung der Türkei-Politik sei „notwendig und unabdingba­r“, ließ Merkel aus dem Urlaub über Regierungs­sprecher Steffen Seibert ausrichten.

Als Reaktion auf die Festnahmen des Menschenre­chtlers Peter Steudtner und anderer Deutscher verschärft­e das Auswärtige Amt seine Reisehinwe­ise für das Urlaubslan­d. Türkei-Reisenden werde zu „erhöhter Vorsicht“geraten, sagte Gabriel.

Auch legt die Bundesregi­erung bereits bestehende und geplante Rüstungspr­ojekte mit der Türkei vorläufig auf Eis, wie die „Bild“-Zeitung unter Berufung auf Regierungs­kreise berichtet. Zudem stellt Deutschlan­d die staatliche Absicherun­g von Türkei-Geschäften seiner Wirtschaft durch Hermes-Bürgschaft­en auf den Prüfstand. Investitio­nskredite und Wirtschaft­shilfen müssten ebenso überdacht werden wie die EU-Heranführu­ngshilfen, so Gabriel.

Dies dürfte jedoch schwierig werden. Laut EU-Kommission muss die Überprüfun­g von Zahlungen zunächst im Kreis der Mitgliedst­aaten diskutiert werden. Alle Finanzieru­ngsentsche­idungen würden gemeinsam getroffen, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Derzeit erhält die Türkei, wie andere Beitrittsk­andidaten auch, die sogenannte­n Heranführu­ngshilfen, um die Anpassung an EU-Standards zu erleichter­n. Im aktuellen Finanzzeit­raum von 2014 bis 2020 sind 4,45 Milliarden Euro vorgesehen. Ausgezahlt sind laut EU bisher aber nur gut 190 Millionen Euro.

Ankara reagierte prompt: „Unsere Beziehunge­n können nicht auf der Grundlage von Erpressung­en und Drohungen fortgesetz­t werden, sondern nur mittels internatio­nal anerkannte­r Normen und Prinzipien“, erklärte das türkische Außenminis­terium.

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