Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gus Van Sant findet seine Geschichten oft am Rand der Gesellschaft
Der Regisseur wird heute 65 und ist mit seinen Grenzgänger-Filmen nach wie vor ein Outsider in Hollywood
LOS ANGELES - Gus Van Sant arbeitet mit Stars wie Uma Thurman, Nicole Kidman, Matt Damon, Sean Connery und Sean Penn. Doch der US-amerikanische Regisseur und Drehbuchautor, der heute 65 Jahre alt wird, ist ein Hollywood-Outsider. Er lebt im nördlichen Oregon, weitab von der kalifornischen Filmmetropole. Aus dem Rampenlicht hält sich der Künstler am liebsten heraus: Sein Privatleben hält er unter Verschluss.
Van Sant ist ein Publicity-scheues Multitalent: Er schreibt Romane, dreht Musikvideos für Popstars wie David Bowie, Chris Isaak und Elton John. Mit seinen Spielfilmen pendelt er zwischen der Oscar-Bühne, Cannes und der Independent-Szene. Etwas Art-House, eine Dosis Hollywood und eine Vorliebe für Außenseiter: diese typische Van-Sant-Mischung trifft auch auf sein laufendes Regieprojekt über den amerikanischen Cartoonisten John Callahan zu, Kinostart ist im Jahr 2018.
Joaquin Phoenix spielt den querschnittsgelähmten Zeichner, Jonah Hill ist in dem Biopic „Don’t Worry, He Won’t Get Far on Foot“in der Rolle eines Pflegers dabei. Vorlage für den Film sind die Memoiren des 2010 im Alter von 59 Jahren gestorbenen Cartoonisten. Nach einem Autounfall mit 21 Jahren war er gelähmt. Er fing damals mit dem Zeichnen an.
Es war das sensible und zugleich provokante Roadmovie „My Private Idaho“mit River Phoenix und Keanu Reeves, das den Regisseur 1991 zum Star der Independent-Szene machte. Darin erzählt er neben Schicksalen von Strichern und Obdachlosen die Geschichte einer homosexuellen Freundschaft. Zuvor hatte er schon „Drugstore Cowboy“, in dem Werk spielt Matt Dillon einen jungen Drogenabhängigen, auf der Berlinale und bei anderen Filmfestivals gezeigt.
Erfolge mit „Milk“
Der erste Oscar-Ruhm mit neun Nominierungen kam 1998 mit „Good Will Hunting“. Das Drehbuch zu dem bewegenden Psychodrama eines jungen Mathematikgenies lieferten die damaligen Neulinge Ben Affleck und Matt Damon, die auf Anhieb einen Oscar gewannen. Robin Williams holte als einfühlsamer Psychiater den Nebenrollen-Oscar. Van Sant war für den Regie-Preis im Rennen, verlor aber gegen James Cameron und dessen „Titanic“-Abräumer.
Sein gefeiertes Drama „Milk“, über den ersten offen schwulen USPolitiker Harvey Milk im San Francisco der 1970er-Jahre, wurde 2009 mit acht Oscar-Nominierungen bedacht. Hauptdarsteller Sean Penn und Drehbuchautor Dustin Lance Black holten Gold, Van Sant unterlag Danny Boyle („Slumdog Millionär“). Zuvor auf der Berlinale strahlte der Regisseur schon über die mehrfache Nominierung. „Wir hatten gehofft, wir würden zumindest eine bekommen, damit wir den Film in den Kinos halten können“, sagte Van Sant. „Aber acht waren fantastisch.“
Als Star der Independent-Szene ist Van Sant bei Filmfestivals Stammgast. Seine Gewaltstudie „Elephant“wurde in Cannes 2003 mit der Goldenen Palme gleich doppelt gefeiert, als bester Film und für die beste Regie. „Elephant“, mit jungen Laiendarstellern gedreht, untersucht unspektakulär die Bedingungen, die zu einem Massaker an einer amerikanischen High-School führen können.
Van Sant gewinnt MainstreamSchauspielern ungewöhnliche Auftritte ab. In der bitterbösen Medienkomödie „To Die For“castete er Nicole Kidman als abgebrühte Kleinstadt-Blondine, die über Leichen geht. James-Bond-Star Sean Connery verwandelte sich in „Forrester – Gefunden!“in einen einsamen Schriftsteller, der sich vor der Öffentlichkeit versteckt.
Es sind seine provokanten Grenzgänger-Filme, die Van Sant ausmachen. „Das sind Stoffe, die Hollywood nicht produzieren würde, weil das einfach fremde Welten sind“, sagte Van Sant einmal. Glücklicherweise kehrt der Regisseur –abseits von Hollywood – immer wieder in diese Welten zurück.