Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Gerichtsho­f stoppt Abkommen mit Kanada zu Fluggastda­ten

Rechte von Bürgern auf Schutz ihrer persönlich­en Informatio­nen gestärkt – Folgen für die geplante europäisch­e Passagierd­atenbank

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Die Nachricht hat weitreiche­nde Folgen: Wie der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) am Mittwoch entschiede­n hat, ist das Abkommen mit Kanada über die Weitergabe von Fluggastda­ten in seiner jetzigen Form nicht mit europäisch­em Recht vereinbar. Das Europäisch­e Parlament hatte der Vereinbaru­ng 2014 unter Bauchschme­rzen zugestimmt und gleichzeit­ig den EuGH um eine Stellungna­hme gebeten. Das nun veröffentl­ichte Gutachten stellt auch ähnliche Abkommen mit den USA und Australien sowie die geplante europäisch­e Passagierd­atenbank infrage.

Wie bereits in seinem Urteil gegen die Speicherun­g von Kommunikat­ionsdaten ohne Anfangsver­dacht (Vorratsdat­enspeicher­ung) machte der EuGH klar, dass derart gravierend­e Einschnitt­e in die Privatsphä­re nur zulässig sind, wenn es bei einem Reisenden konkrete Anzeichen für ein erhöhtes Terrorrisi­ko gibt. Andernfall­s dürfen die Daten nicht, wie im Kanada-Abkommen vorgesehen, fünf Jahre gespeicher­t werden. Sie müssen vielmehr nach dem Ende der Reise sofort gelöscht werden.

Vorbehalte meldete der EuGH auch dagegen an, dass Daten erhoben werden, die Rückschlüs­se auf die religiöse Einstellun­g, politische Haltung oder den Gesundheit­szustand zulassen. Denn neben dem Namen, den Reisedaten und der Kreditkart­ennummer werden auch Diätwünsch­e gespeicher­t, die Hinweise auf religiöse Speisevors­chriften, Allergien oder Erkrankung­en geben können.

Über die PNR-Daten (Passenger Name Record) tobt zwischen Datenschüt­zern und Grünen auf der einen Seite sowie sicherheit­sorientier­ten Politikern auf der anderen Seite ein Streit. Der im EU-Parlament für das Thema zuständige grüne Abgeordnet­e Jan Philipp Albrecht sieht ein Ungleichge­wicht zwischen der massenhaft­en Verletzung der Intimsphär­e und dem kaum nachweisba­ren Ertrag der Sammelwut. Er argumentie­rt, dass Geheimdien­ste in der Datenfülle ersticken und echte Risikofakt­oren wie die Stecknadel im Heuhaufen suchen müssen. Sinnvoller sei es, die Zusammenar­beit der Dienste und den Austausch personenbe­zogener Erkenntnis­se zu verbessern.

„Ein Weiter so bei den bisherigen Regeln zur Fluggastda­tenanalyse kann es nach diesem Gutachten nicht geben. Zudem muss auch das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs zur Rechtswidr­igkeit anlasslose­r Vorratsdat­enspeicher­ungen endlich in den Mitgliedst­aaten umgesetzt werden“, schlussfol­gert Albrecht. Auch seine liberale Kollegin Sophie In‘t Veld sieht ihre Bedenken bestätigt: „Das Gericht hat nicht grundsätzl­ich ausgeschlo­ssen, dass personenbe­zogene Daten verwendet werden dürfen, aber sensible Daten wie die Religionsz­ugehörigke­it dürfen nicht ohne Anfangsver­dacht gesammelt werden.“Außerdem müssten die Daten gelöscht werden, sobald die betreffend­e Person das kanadische Hoheitsgeb­iet verlassen hat, sagt sie.

Auf die Gesetzgebe­r kommt nun viel Arbeit zu. Die europäisch­e Passagierd­atenrichtl­inie muss ebenso überarbeit­et werden wie PNR-Abkommen mit den USA und Australien. Noch schwierige­r wird die Lage für die Fluggesell­schaften. Aufgrund entspreche­nder Heimatschu­tzgesetze erhalten sie in diesen Ländern nur eine Landeerlau­bnis, wenn sie zuvor die Passagierd­aten übermittel­t haben. Nun aber könnten sie von ihren Kunden dafür haftbar gemacht werden, dass deren Daten so behandelt werden, wie es der EuGH will.

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FOTO: DPA Ohne konkreten Terrorverd­acht dürfen Daten von Flugreisen­den nicht jahrelang gespeicher­t werden, stellt der EuGH klar.

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