Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kein Big Brother am Arbeitsplatz
Das höchste Arbeitsgericht verbietet in einem Grundsatzurteil PC-Spähsoftware
BERLIN - Im Internet schnell ein Paar Schuhe bestellen, auf Facebook die letzten Urlaubsfotos hochladen – die private Nutzung des Computers in der Arbeitszeit ist vielen Chefs ein Dorn im Auge. Dennoch dürfen sie ihre Angestellten nicht mithilfe einer Spähsoftware überführen, um ihnen zu kündigen. Das höchste Arbeitsgericht hat gestern eine Grundsatzentscheidung gefällt und die Nutzung von Überwachungsprogrammen im Büro verboten. „Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist unzulässig“, heißt es im Urteil der Erfurter Richter.
Erleichterung bei Datenschützern. Millionen Angestellte, die täglich an Laptop, PC und Smartphone arbeiten, können aufatmen. Das Bundesarbeitsgericht erklärt die Kündigung eines Mitarbeiters in Nordrhein-Westfalen, der von seiner Chefin mit einem Tastaturspion überführt worden war, den PC in der Dienstzeit privat genutzt zu haben, für unrechtmäßig. Das Gericht setzt damit ein Stoppschild für den „gläsernen Mitarbeiter“.
CDU sieht Urteil kritisch
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs vom CDU-Wirtschaftsflügel reagierte zurückhaltend. Er sieht die Entscheidung kritisch: „Ich respektiere das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, aber die Grundfrage bleibt bestehen: Wie können Unternehmen in Zeiten digitaler Arbeitsplätze einem Schlendrian auf die Spur kommen?“, sagte Fuchs am Donnerstag der „Schwäbischen Zeitung“. „Hier sind die Tarifpartner gefordert, Lösungen zu finden. Arbeitsverweigerung geht schließlich nicht nur zulasten des Unternehmens, sondern immer auch zulasten der anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“
Lob für die Erfurter Richter kommt von der Bundesdatenschutzbeauftragten: „Ich begrüße es ausdrücklich, dass das Gericht hier auch klare Grenzen für eine Überwachung auf Einwilligungsbasis setzt“, sagte Andrea Voßhoff (CDU) am Donnerstag im Gespräch der „Schwäbischen Zeitung“. „Eine dauerhafte Leistungs- und Verhaltenskontrolle ist weder angemessen noch erforderlich.“
Der konkrete Fall mutet fast gespenstisch an: Die Chefin der Medienagentur hatte deren Mitarbeiter informiert, dass ihr Internetverkehr mithilfe eines Tastaturspions (Keylogger) „mitgeloggt und dauerhaft gespeichert“werde. Die Software prüfte nicht nur die Tastatureingaben, sondern machte auch Fotos von den Computerbildschirmen. Das so gesammelte Datenmaterial überführte den Mitarbeiter, den DienstPC privat genutzt zu haben – die fristlose Kündigung folgte prompt.
Das Bundesarbeitsgericht sieht darin allerdings einen derart starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte, dass die damit gewonnenen Daten nicht als Beweismittel verwendet werden können. Die Richter verhängten ein sogenanntes Verwertungsverbot, obwohl die Mitarbeiter über die Tastaturspione vorab informiert worden waren. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei verletzt worden, heißt es im Urteil.
Nur wenn ein konkreter Verdacht auf eine schwere Straftat vorliege, dürfe Spionagesoftware im Büro eingesetzt werden, ergänzen die Richter. Ist nun der Gesetzgeber gefordert, den Datenschutz zu erhöhen? „Es ist ausgesprochen traurig, dass sich Gerichte mit einer Selbstverständlichkeit beschäftigen müssen: Dass Arbeitnehmer nicht an ihrem Arbeitsplatz ausspioniert werden dürfen“, sagte Burkhard Lischka, datenschutzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, der „Schwäbischen Zeitung“.
„Andererseits zeigt das Urteil, dass wir angesichts fortschreitender Digitalisierung der Arbeitswelt und damit zunehmender Möglichkeiten der Überwachung offenbar dringend weitere Regelungen benötigen.“Die SPD fordere ein eigenständiges Gesetz zum Beschäftigtendatenschutz, „um den Missbrauch persönlicher Daten zu verhindern“.