Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Stadtbekannte Ladendiebin muss ins Gefängnis
Weil sie gegen die Bewährungsauflagen verstößt, verhängt das Amtsgericht eine zehnwöchige Haftstrafe
SIGMARINGEN - Eine 56-jährige Sigmaringerin ist vom Amtsgericht wegen Ladendiebstahl zu einer zehnwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Mehrfach hatte sie in Sigmaringer Drogerie- und Lebensmittelmärkten gestohlen. Ausschlaggebend für die Gefängnisstrafe: Zuletzt brach die Frau die Bewährung und ließ bei Lidl Lebensmittel im Wert von acht Euro und bei Aldi eine Flasche Grappa und Fleisch im Wert von 10,78 Euro mitgehen. Ihre mitangeklagte 23jährige Tochter verurteilte das Gericht zu einer Geldstrafe.
Die Diebin ist praktisch Stammgast auf der Anklagebank des Sigmaringer Amtsgerichts. Jedes Mal geht es um den gleichen Vorwurf: Ladendiebstahl. Mal steckt sie einen Kajal ein, mal ein T-Shirt, mal ein Kabel. Meistens stiehlt sie jedoch Lebensmittel. Richterin Lorine Haack und die Angeklagte kennen sich schon länger. In ihrer Urteilsbegründung nahm sie auf eine frühere Begegnung Bezug: „Ich kann mich noch gut an meine Worte erinnern: Beim letzten Mal habe ich ihnen deutlich gesagt, dass es keine Gnade mehr gibt und es in den Knast geht.“
Artikel mit „voller Absicht“versteckt
Diese Begegnung war vor zwei Jahren: Bei Müller hatte die 56-Jährige eine Sonnenbrille im Wert von 8,95 Euro eingesteckt. Vorher entfernte sie das Etikett. Das Amtsgericht verurteilte sie zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und setzte diese zur Bewährung aus. Zwei Jahre lang durfte sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Doch bereits im Juli vergangenen Jahres wurde sie bei Lidl an der Kasse erwischt. Nach dem Bezahlen forderte die Kassiererin die Angeklagte auf, ihre mit Jacken bedeckte Tasche zu leeren. In diesem Moment kamen der Weichspüler, eine Bifi und einige Brötchen im Wert von acht Euro zum Vorschein. „Die Artikel wurden mit voller Absicht versteckt“, sagte die Lidl-Mitarbeiterin im Zeugenstand.
Drei Monate später der nächste Fall: Ein Ladendetektiv beobachtete die Angeklagte bei Aldi, als sie von der Tochter eine Packung Minutensteaks und eine Packung Schwarzwälder Schäufele zugesteckt bekam. „Ich habe auch gesehen, wie die Frau eine Flasche Schnaps in ihre Tasche steckte“, sagte der Detektiv. Er schöpfte Verdacht, als die Frau den Markt mit zwei Taschen betrat. Die Tasche mit dem Diebesgut stellte sie auf den Boden und schob sie mit den Füßen an der Kassiererin vorbei. Später auf dem Parkplatz überführte der Dieb die beiden Frauen.
Der Psychiater Dr. Heiner Missenhardt untersuchte die Frau und kam zum Ergebnis, dass keine krankhafte Kleptomanie vorliegt. Kleptomanen würden häufig spontan stehlen, beim Diebesgut handle es sich um sinnlose Waren, die häufig auch wieder weggeworfen würden. „Lebensmittel sind keine Dinge, die sinnlos sind“, sagte der Arzt des Zentrums für Psychiatrie in Bad Schussenried. Dass sie die Bewährung gebrochen habe, erklärte der Sachverständige so: Wahrscheinlich war die Strafe für sie fiktiv und deshalb habe sie sie nicht gespürt.
Verteidiger fordert „allerletzten Schuss“vor den Bug
Der Verteidiger Thomas Mogg forderte als allerletzten Schuss vor den Bug eine erneute Bewährungsstrafe. „Sie ist nicht der klassische Bewährungsbrecher. Für mich steckt ein Problem hinter den permanenten Taten.“Zugunsten der Angeklagten müsse gewertet werden, dass sie eine stationäre Therapie in einer psychosomatischen Klinik gemacht habe. Julia Merkle von der Staatsanwaltschaft forderte die Gefängnisstrafe, weil weitere Ladendiebstähle zu erwarten seien. „Ich finde außerdem nicht gut, dass die Angeklagte ihre Kinder mit reinzieht.“
Die Tochter wurde zu einer Geldstrafe von 400 Euro verteilt. Die Mutter muss für zehn Wochen ins Gefängnis. „Ich sehe kein krankhaftes Verhalten, sondern eine Art Gewohnheit. Sie haben einen gewissen Ruf weg: Häufig landet ein Teil des Einkaufs unbezahlt in der Tasche“, sagte Richterin Haack. Um ihr dies bewusst zu machen, entschied sich das Gericht zur Gefängnisstrafe.