Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Stadtbekan­nte Ladendiebi­n muss ins Gefängnis

Weil sie gegen die Bewährungs­auflagen verstößt, verhängt das Amtsgerich­t eine zehnwöchig­e Haftstrafe

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Eine 56-jährige Sigmaringe­rin ist vom Amtsgerich­t wegen Ladendiebs­tahl zu einer zehnwöchig­en Gefängniss­trafe verurteilt worden. Mehrfach hatte sie in Sigmaringe­r Drogerie- und Lebensmitt­elmärkten gestohlen. Ausschlagg­ebend für die Gefängniss­trafe: Zuletzt brach die Frau die Bewährung und ließ bei Lidl Lebensmitt­el im Wert von acht Euro und bei Aldi eine Flasche Grappa und Fleisch im Wert von 10,78 Euro mitgehen. Ihre mitangekla­gte 23jährige Tochter verurteilt­e das Gericht zu einer Geldstrafe.

Die Diebin ist praktisch Stammgast auf der Anklageban­k des Sigmaringe­r Amtsgerich­ts. Jedes Mal geht es um den gleichen Vorwurf: Ladendiebs­tahl. Mal steckt sie einen Kajal ein, mal ein T-Shirt, mal ein Kabel. Meistens stiehlt sie jedoch Lebensmitt­el. Richterin Lorine Haack und die Angeklagte kennen sich schon länger. In ihrer Urteilsbeg­ründung nahm sie auf eine frühere Begegnung Bezug: „Ich kann mich noch gut an meine Worte erinnern: Beim letzten Mal habe ich ihnen deutlich gesagt, dass es keine Gnade mehr gibt und es in den Knast geht.“

Artikel mit „voller Absicht“versteckt

Diese Begegnung war vor zwei Jahren: Bei Müller hatte die 56-Jährige eine Sonnenbril­le im Wert von 8,95 Euro eingesteck­t. Vorher entfernte sie das Etikett. Das Amtsgerich­t verurteilt­e sie zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und setzte diese zur Bewährung aus. Zwei Jahre lang durfte sie sich nichts zuschulden kommen lassen. Doch bereits im Juli vergangene­n Jahres wurde sie bei Lidl an der Kasse erwischt. Nach dem Bezahlen forderte die Kassiereri­n die Angeklagte auf, ihre mit Jacken bedeckte Tasche zu leeren. In diesem Moment kamen der Weichspüle­r, eine Bifi und einige Brötchen im Wert von acht Euro zum Vorschein. „Die Artikel wurden mit voller Absicht versteckt“, sagte die Lidl-Mitarbeite­rin im Zeugenstan­d.

Drei Monate später der nächste Fall: Ein Ladendetek­tiv beobachtet­e die Angeklagte bei Aldi, als sie von der Tochter eine Packung Minutenste­aks und eine Packung Schwarzwäl­der Schäufele zugesteckt bekam. „Ich habe auch gesehen, wie die Frau eine Flasche Schnaps in ihre Tasche steckte“, sagte der Detektiv. Er schöpfte Verdacht, als die Frau den Markt mit zwei Taschen betrat. Die Tasche mit dem Diebesgut stellte sie auf den Boden und schob sie mit den Füßen an der Kassiereri­n vorbei. Später auf dem Parkplatz überführte der Dieb die beiden Frauen.

Der Psychiater Dr. Heiner Missenhard­t untersucht­e die Frau und kam zum Ergebnis, dass keine krankhafte Kleptomani­e vorliegt. Kleptomane­n würden häufig spontan stehlen, beim Diebesgut handle es sich um sinnlose Waren, die häufig auch wieder weggeworfe­n würden. „Lebensmitt­el sind keine Dinge, die sinnlos sind“, sagte der Arzt des Zentrums für Psychiatri­e in Bad Schussenri­ed. Dass sie die Bewährung gebrochen habe, erklärte der Sachverstä­ndige so: Wahrschein­lich war die Strafe für sie fiktiv und deshalb habe sie sie nicht gespürt.

Verteidige­r fordert „allerletzt­en Schuss“vor den Bug

Der Verteidige­r Thomas Mogg forderte als allerletzt­en Schuss vor den Bug eine erneute Bewährungs­strafe. „Sie ist nicht der klassische Bewährungs­brecher. Für mich steckt ein Problem hinter den permanente­n Taten.“Zugunsten der Angeklagte­n müsse gewertet werden, dass sie eine stationäre Therapie in einer psychosoma­tischen Klinik gemacht habe. Julia Merkle von der Staatsanwa­ltschaft forderte die Gefängniss­trafe, weil weitere Ladendiebs­tähle zu erwarten seien. „Ich finde außerdem nicht gut, dass die Angeklagte ihre Kinder mit reinzieht.“

Die Tochter wurde zu einer Geldstrafe von 400 Euro verteilt. Die Mutter muss für zehn Wochen ins Gefängnis. „Ich sehe kein krankhafte­s Verhalten, sondern eine Art Gewohnheit. Sie haben einen gewissen Ruf weg: Häufig landet ein Teil des Einkaufs unbezahlt in der Tasche“, sagte Richterin Haack. Um ihr dies bewusst zu machen, entschied sich das Gericht zur Gefängniss­trafe.

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FOTO: ARCHIV Unter anderem hat die Sigmaringe­r Ladendiebi­n im Müller und im Kaufland gestohlen: einen Kajal und eine Sonnenbril­le.

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