Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Fast ein Drittel der Abgeordnet­en bezieht Nebeneinkü­nfte

Laut der Organisati­on abgeordnet­enwatch haben die Parlamenta­rier mindestens 26,5 Millionen Euro dazuverdie­nt

- Von Daniel Hadrys, Andreas Herholz und AFP

BERLIN - Bundestags­abgeordnet­e verdienen kräftig dazu: Fast ein Drittel hat in der zu Ende gehenden Legislatur­periode Nebeneinkü­nfte erzielt, wie aus einer Studie der OttoBrenne­r-Stiftung hervorgeht. 193 der 655 Parlamenta­rier geben mindestens eine „entgeltlic­he Tätigkeit neben dem Mandat“an. Die Organisati­on abgeordnet­enwatch geht von Nebeneinkü­nften in Höhe von mindestens 26,5 Millionen Euro aus. Sie lassen sich nur schätzen, weil die Abgeordnet­en sie nicht auf den Cent genau angeben müssen, sondern in Stufen.

Die Großverdie­ner unter den Parlamenta­riern sitzen in der Unionsfrak­tion. Politiker von CDU und CSU haben laut dem Nachrichte­nportal Spiegel Online mindestens 22 Millionen Euro dazuverdie­nt. Nach den Berechnung­en der Otto-Brenner-Stiftung entfielen knapp 16 Prozent der Einnahmen auf SPD-Abgeordnet­e, 2,2 Prozent auf Parlamenta­rier der Linken. Die Grünen brachten es auf einen Anteil von einem Prozent.

Angaben in zehn Stufen

Die Parlamenta­rier müssen ihre Nebeneinkü­nfte in zehn Stufen von mehr als 1000 bis 3500 Euro in der ersten Stufe bis zur letzten Stufe von mehr als 250 000 Euro monatlich angeben. Hans Herbert von Arnim, Verwaltung­srechtler und Parteienfo­rscher and der Universitä­t für Verwaltung­swissensch­aften Speyer, kritisiert­e am Mittwoch im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“diese Offenlegun­gspraxis. „Es ist völlig unverständ­lich, dass die Parlamenta­rier nicht die genaue Höhe ihrer Einkommen angeben müssen“, sagte von Arnim und fordert: „Wir brauchen mehr Transparen­z.“

Der Mindestver­dienst lag seit der letzten Wahl im Jahr 2013 abgeordnet­enwatch zufolge zusammenge­rechnet bei 26,5 Millionen Euro, wenn innerhalb der zehn Stufen immer der niedrigste Betrag angenommen wurde. Wird bei den Berechnung­en der Höchstwert der jeweiligen Einkommens­stufe angenommen, liegen die Nebeneinkü­nfte der Bundestags­abgeordnet­en sogar bei bis zu 48,7 Millionen Euro. Da die Höchststuf­e für Einkünfte von mehr als 250 000 Euro nach oben hin offen ist, hat abgeordnet­enwatch zur Berechnung der maximalen Einkünfte immer einen Betrag von 250 000 Euro herangezog­en.

Zur Frage, ob damit Grenzen zum Lobbyismus überschrit­ten werden, sagt von Arnim: „Abgeordnet­e werden nach dem Grundgeset­z zur Sicherung ihrer Unabhängig­keit vom Staat bezahlt. Wenn sie diese Unabhängig­keit an Unternehme­n oder Verbände verkaufen, geht das zu weit.“Von Arnim fordert daher eine „umfassende und echte“Reform. Viele Parlamenta­rier würden jedoch Änderungen blockieren, auch wenn „nur ein kleiner Teil der Bundestags­abgeordnet­en zu den Topverdien­ern bei den Nebentätig­keiten“gehört. Spitzenrei­ter ist abgeordnet­enwatch zufolge der CSU-Abgeordnet­e Philipp Graf Lerchenfel­d mit Nebeneinkü­nften zwischen knapp 2,2 Millionen und knapp 3,2 Millionen Euro. Er ist allerdings Landwirt und muss den Umsatz angeben, nicht den Gewinn.

Auch der Biberacher Bundestags­abgeordnet­e Josef Rief (CDU) taucht auf der Liste auf – mit Platz acht gehört er nach dieser Aufstellun­g zu den Vielverdie­nern. Der Landwirt Rief hat demnach mindestens 686 000 Euro verdient. Doch Rief übt Kritik und beteuert in einer Mitteilung, der Betrieb habe in 2015 sogar Verluste erwirtscha­ftet. „Als Landwirt lege ich gegenüber dem Bundestags­präsidente­n jedes Vierteljah­r die Umsätze unseres landwirtsc­haftlichen Betriebes offen. Es handelt sich hierbei nur um die Verkaufser­löse“, so Rief. Kosten seien darin nicht aufgeführt.

In der Aufstellun­g werden 35 Nebenjobs Riefs aufgeführt. Dies sei „irreführen­d dargestell­t“, da es sich bei dieser Zahl um 35 Vertragspa­rtner handle. „Es ist grotesk, wenn mein Verwalter jemandem in einem Monat etwas über 1000 Euro verkauft, dass dies wohl als neuer Job angesehen wird“, so Rief.

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FOTO: DPA Der CSU-Landtagsab­geordnete Philipp Graf Lerchenfel­d belegt in der Aufstellun­g von abgeordnet­enwatch den Spitzenpla­tz.

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