Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gründer bauen Saftfabrik in Engelswies
Benedikt Schellinger und Simon Storz produzieren in Engelswies besondere Fruchtsäfte
ENGELSWIES - Die Idee entsteht am Küchentisch. Die Maschinenbaustudenten Benedikt Schellinger und Simon Storz wohnen in Konstanz zusammen in einer WG und machen sich nach einer durchzechten Nacht einen frisch gepressten Saft, um wieder fit zu werden. Heute, ein paar Jahre später, stehen auf Paletten in einer großen Halle in Engelswies Tausende kleine Saftflaschen mit dem Schriftzug „Live Fresh“. Die riesigen Maschinen im hinteren Bereich der Halle laufen zwar noch nicht, doch das soll sich in den nächsten zwei Wochen ändern. „Dann können wir hier 10 000 Liter Saft am Tag produzieren“, sagt Benedikt Schellinger. Von Null auf Hundert in wenigen Jahren: Die beiden Gründer starten in der heimischen Garage in Sauldorf und besitzen heute eine Produktionsstraße, die Maschinen haben sie selbst mitentwickelt.
Sie nutzen ein Verfahren, mit dem sie sich von anderen Saftproduzenten abgrenzen wollen. Sie setzen die kleinen PET-Flaschen im Herstellungsprozess einem extrem hohen Druck aus. „Keime und Bakterien werden dadurch zerquetscht“, sagt Simon Storz. Sie müssen den Saft nicht erhitzen, „also bleiben alle Nährstoffe erhalten“. Gleichzeitig ist er deutlich länger haltbar als herkömmliche kalt gepresste Säfte, versprechen die Gründer. Sechs Wochen statt ein paar Tage.
Der Grundgedanke ist simpel: „Es muss doch möglich sein, den Geschmack eines frisch gepressten Saftes in die Flasche zu bekommen“, sagt Schellinger. Es ist das Jahr 2015, die beiden probieren einfach drauf los. Sie starten daheim mit Saftpressen, die üblicherweise in Hotels benutzt werden. Im Juli 2016 beginnen die beiden dann mit dem Verkauf im Internet – die Werbetrommel rühren sie vor allem in den sozialen Medien, bei Facebook erzielen sie Reichweite. Sie wollen ihre Säfte aber auch offline vermarkten; es gelingt ihnen, große Bäckereien, Hotels und Cafés insbesondere im Stuttgarter Raum von ihrem Produkt zu überzeugen. Der Vorteil: Es läuft gut. Der Nachteil: Sie erreichen bald ihre Kapazitätsgrenze. „Irgendwann haben wir uns dann gesagt, dass wir es entweder ganz oder gar nicht machen“, sagt Simon Storz. Die beiden setzen einen Businessplan auf, mit dem sie eine private Bank genauso überzeugen wie die nationale Förderbank KfW. Sie entscheiden sich für den Förderkredit, die Konditionen sind besser. In Engelswies finden sie die passende Immobilie.
Mehr Abenteuer als Risiko
Künftig wird der Saft aus Granatäpfeln, Orangen, Grapefruits und Äpfeln dort gepresst, muss dann aber zumindest anfangs für die Hochdruckbehandlung in die Niederlande gebracht werden – die dafür erforderliche sehr teure Maschine haben die beiden noch nicht. Sind die Säfte haltbar gemacht worden, kommen sie zurück nach Engelswies und werden von dort aus zu den Kunden geliefert. Eine Flasche kostet derzeit zwischen zwei und 2,70 Euro.
Storz und Schellinger sind 25 und 29 Jahre alt und fest davon überzeugt, mit ihrer Geschäftsidee einen Nerv zu treffen. Ihr Produkt ist gesund, es schmeckt gut, und es kommt in hippem Design daher. „Unsere Vision steht für uns ganz oben“, sagt Schellinger. Dass sie als Ingenieure fachfremd in die Lebensmittelproduktion eingestiegen sind, empfinden sie weniger als Risiko denn als Abenteuer: „Auf den Spuren guter Früchte sind wir schon viel gereist, waren in Europa und in Indien unterwegs“, sagt Simon Storz. Die Suche nach geeigneten Lieferanten, Logistik, fachliches und betriebswirtschaftliches Know-how: Die beiden tasten sich selbstbewusst nach vorn und gehen bereits davon aus, dass sie ihre Produktpalette schrittweise erweitern werden. „Naheliegend sind natürlich Smoothies“, sagt Storz. Denkbar sind für die beiden auch Babybreie und Limonaden. Außerdem bringen sie wohl noch ein paar neue Saftsorten auf den Markt: Derzeit gibt es sechs.