Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Mariaberg bekommt Extremismus-Stelle
Demokratiezentrum fördert die Arbeit des Albbündnisses
GAMMERTINGEN - Das Demokratiezentrum Baden-Württemberg errichtet fünf regionale Anlaufstellen um Extremismus entgegenzuwirken. Eine dieser Anlaufstellen wird in Gammertingen angesiedelt sein. Damit sollten Beratungsmöglichkeiten für Opfer rechter Gewalt, aber auch Bildungsangebote, die die Radikalisierung von jungen Menschen verhindern können, in ländliche Gebiete gebracht werden, teilte das Demokratiezentrum Baden-Württemberg mit. Die Gammertinger Stelle wird mit 28 000 Euro gefördert.
Für den diakonischen Träger Mariaberg ist die Arbeit im Bereich Extremismus nicht neu. Mariaberg gehört zu den Mitbegründern des Albbündnisses für Menschenrechte, das sich von Mariaberg aus für die Einhaltung von Menschenrechten und gegen Extremismus einsetzt. Im Fachbereich Jugendarbeit, den bei Mariaberg Cord Dette verantwortet, wird die Extremismus-Stelle angesiedelt sein. „Dieser Fachbereich übernimmt diese Aufgaben mit“, sagt Mariaberg-Pressesprecher Robert Zolling. Die Gammertinger Stelle wird die Arbeit für die Landkreise Zollernalb, Reutlingen, Tübingen und Sigmaringen übernehmen. Die Aktivitäten der Landratsämter sollen in die Arbeit des Albbündnisses einfließen.
Den Anstoß für die jetzige Initiative gab das Demokratiezentrum Baden-Württemberg, das zur Jugendstiftung des Landes gehört. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) wird in einer Mitteilung des Demokratiezentrums wie folgt zitiert: „Mit den neuen Anlaufstellen bieten wir Menschen, die von Extremismus betroffen sind, Unterstützung an.“
Günter Bressau von der Landeskoordinierungsstelle berichtet von einer Zunahme von Extremismus seit der Flüchtlingskrise. Im Monitoringbericht des Demokratiezentrums für 2016 ist von 136 Fällen von Rechtsextremismus im Land die Rede – 15 von ihnen ereigneten sich im Gebiet des Regierungsbezirks Tübingen. Unter anderem werden die fremdenfeindlichen Äußerungen des Burladinger Bürgermeisters und Gewaltausbrüche von Reichsbürgern vor dem Amtsgericht in Albstadt genannt.
Ein Beispiel für diese Zunahme im Kreis Sigmaringen: Die rechtsextremistische Gruppe „Identitäre Bewegung“nutzte im Juli einen Vortrag des Seenotretters Thomas Nuding in Meßkirch dafür, um ihre flüchtlingsfeindlichen Parolen zu verbreiten. In der Sigmaringer Schwabstraße warben die Extremisten mit einem Stand für ihre Ansichten und kündigten an, im Kreis eine Ortsgruppe bilden zu wollen. Bressau berichtet auch davon, dass sich die rechtsextremistisch-neonazistische Kleinpartei „Der III. Weg“mehr und mehr in ländlichen Regionen breit mache.
Doch der Begriff Extremismus ist bewusst nicht auf die rechte Ecke reduziert: Religiös begründeter Extremismus soll von der Anlaufstelle in Gammertingen ebenso bearbeitet werden. So ist die Entwicklung des Salafismus, einer ultrakonservativen Strömung des Islam, für das Demokratiezentrum ein Thema, das es zu beobachten gelte, so Bressau.
Neben der Erfassung extremer Ereignisse soll der Prävention eine Schlüsselrolle zukommen. Dabei geht es dem Demokratiezentrum zugleich um Wissensvermittlung und Aufklärung. Für Schulklassen, Jugendleiter oder Fachleute aus den Verwaltungen sollen Kurse, Workshops oder Planspiele angeboten werden. „Wir sehen hier einen sehr hohen Bedarf“, sagt Günter Bressau.