Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Lobbyisten haben hervorrage­nde Arbeit geleistet“

- Klaus Vogt, Thiergarte­n

Zu unserer Berichters­tattung über den geplanten Kalksteinb­ruch am Mittelberg in Thiergarte­n erreichte uns folgender Leserbrief:

Nachtrag zur Infoverans­taltung vom 28. Juni im Tobelhaus in Hausen im Tal: Neben zahlreiche­n Bürgern aus der gesamten Umgebung waren auch fast alle an diesem Verfahren beteiligte­n Entscheidu­ngsträger anwesend. Zum Unverständ­nis aller Anwesenden war jedoch ein wichtiger Entscheidu­ngsträger, nämlich der Regionalve­rband Bodensee-Oberschwab­en, nicht vertreten. Eine wichtige Frage konnte so nicht beantworte­t werden.

Im Jahr 2015 hat dieser Regionalve­rband einen Kalkabbau am Mittelberg abgelehnt. Mit der Begründung, es gäbe noch weitere Vorkommen hochreiner Kalke in der Umgebung, die außerhalb des FFH-Gebiets in wesentlich unsensible­ren Gebieten liegen. Nun, ein gutes Jahr später, hat genau dieser Regionalve­rband, ohne dass sich an der Lage auch nur das geringste geändert hat, dem Kalkabbau, beziehungs­weise Zielabweic­hungsverfa­hren, einstimmig zugestimmt. Viele der anwesenden Bürger wollten darauf eine Erklärung, aber es gab niemanden, der eine plausible Antwort geben konnte. Es bleibt also die Vermutung, dass auch ein Vertreter des Regionalve­rbands keine befriedige­nde Antwort hätte geben können, was diesen plötzliche­n Sinneswand­el ausgelöst hat. Zwischenze­itlich ist zu lesen, dass der Regionalve­rband-Direktor Herr Franke den Kalkabbau am Mittelberg weiterhin für unausweich­lich hält. Auch hier fehlt eine plausible Erklärung, warum das „unausweich­lich“ist. Handelt es sich bei der jährlich geplanten Abbaumenge doch lediglich um rund 3,6 Prozent des in Baden-Württember­g insgesamt abgebauten Kalks. Ob diese 3,6 Prozent die diversen, schwerwieg­enden Negativmer­kmale, die dadurch entstehen, rechtferti­gen, ist doch äußerst fraglich. Eine besondere Erklärung ist Herr Franke dafür schon schuldig, warum von mehreren Standorten ausgerechn­et der sensibelst­e, nämlich der am Mittelberg, unausweich­lich ist. Bei einer Sitzung des Regionalve­rbands im Jahr 2015 erklärte Herr Werner vom Landesamt für Geologie: Das Landesamt habe nach alternativ­en Abbaugebie­ten gesucht. Zum Beispiel weise der mit dem Namen „Stetten 1“bezeichnet­e Standort eine hohe Gesteinsqu­alität und einen voraussich­tlichen Vorrat von mehr als 60 Millionen Tonnen Kalk aus. Einwendung­en wegen öffentlich­er oder privater Belange sind in größerem Umfang nicht zu erwarten. Mit nur halbwegs gesundem Menschenve­rstand muss man sich fragen, warum dann ausgerechn­et der Abbau am sensibelst­en Standort mitten in einem geschützte­n Naturpark „unausweich­lich“Vorrang hat.

Es kann ja wohl nicht ausschlagg­ebend sein, dass der Standort „Stetten 1“nicht im Besitz des Prinzen Max zu Fürstenber­g ist.

Nun zum Regierungs­präsidium Tübingen: Niemand konnte sich so recht vorstellen, dass auch das Regierungs­präsidium dem Zielabweic­hungsverfa­hren zustimmen würde. Auch hier gab es keine, zumindest plausible, Begründung. Alle Träger öffentlich­er Belange, das heißt sämtliche angrenzend­en Gemeinden sowie Naturschut­zverbände, etc. haben nachhaltig dagegen gestimmt. Auch war dem Regierungs­präsidium wohl bekannt, dass die Bevölkerun­g aller umliegende­r Gemeinden und auch darüber hinaus fast zu 100 Prozent gegen einen Eingriff in den sensiblen Naturpark Oberes Donautal sind. All das hat die Entscheidu­ngsträger beim Regierungs­präsidium offensicht­lich nicht beeindruck­t. Abschließe­nd müsste man eigentlich hier dem Haus Fürstenber­g gratuliere­n, haben doch seine Lobbyisten bisher eine hervorrage­nde Arbeit geleistet.

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FOTO: STEIN/DPA In Thiergarte­n soll ein Kalksteinb­ruch entstehen.

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