Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
„Es ist verrückt, die Straße zu öffnen“
Anwohner und Betroffene diskutieren mit der SZ vor Ort über den Verkehr auf dem Gemeindeverbindungsweg
SIGMARINGENDORF - Das Problem ist seit Jahrzehnten bekannt: Der Gemeindeverbindungsweg zwischen Sigmaringen und Sigmaringendorf ist während der Sommermonate eigentlich für Kraftfahrzeuge aller Art gesperrt. Eigentlich. Denn tatsächlich scheren sich etliche Auto- und Motorradfahrer nicht um dieses Verbot und nutzen die Strecke als Abkürzung. Zahlreiche Auswärtige seien darunter, berichten Anwohner. Doch auch Einheimische fahren dort entlang. Immer wieder kommt es deshalb zu brenzligen Situationen, wenn auf der teilweise unübersichtlichen und engen Straße Autos auf Radfahrer, spielende Kinder oder Fußgänger treffen. Die SZ war am Mittwochnachmittag vor Ort, um mit Betroffenen und Anwohnern über die Verkehrssituation zu sprechen. Die meisten sind der Meinung, dass der Verbindungsweg ganzjährig für Kraftfahrzeuge gesperrt und die Einhaltung des Verbots viel stärker kontrolliert werden sollte.
Wolfgang Hinder aus Sigmaringendorf fährt bei gutem Wetter regelmäßig mit dem Fahrrad über den Verbindungsweg. „Ich sehe dort sehr viele auswärtige Kennzeichen, vor allem aus dem Zollernalbkreis“, sagt er. Doch so einfach lässt er sie mit ihrem Verhalten nicht davonkommen: In den Sommermonaten fahre er dann gerne mal in der Straßenmitte, damit niemand an ihm vorbeikommt. „Manche müssen bis zum Züchterstüble in Sigmaringen hinter mir bleiben.“Ein älterer Mann mit Rollator, den er vom Sehen kennt, Mütter mit Kindern, Spaziergänger: Sie alle fühlten sich belästigt und gefährdet, sagt Hinder.
Für Paul Stürmer sind auch E-Bikes problematisch
Wolfgang Freisinger wohnt an der Donaustraße in Sig’dorf und hat sich bereits vor Jahrzehnten ans Landratsamt gewandt, als sein Sohn klein war. An das Antwortschreiben der Behörde kann er sich noch gut erinnern: „Es gibt kein Problem, dort fahren alle ordnungsgemäß“, hieß es darin sinngemäß. Freisinger rechnet es der Jungen Union an, dass sie wenigstens die Sperrung im Sommer hat durchsetzen können. Aus seiner Sicht ist der Gemeindeverbindungsweg viel zu klein, um ihn wie eine normale Straße zu behandeln. Er wundert sich, dass nicht wenigstens stärker kontrolliert wird, auch schon innerorts an der Donaustraße: „Die fahren hier morgens mit 60 bis 80 km/h durch.“
Das bestätigt Paul Stürmer: „Ich brauche keinen Wecker. Ab 6 Uhr geht’s hier ab“, sagt der Anlieger. Er hatte auch bereits gefährliche Begegnungen mit E-Bikes: Die sind aus seiner Sicht zu schnell unterwegs und müssten daher ebenfalls vom Gemeindeverbindungsweg verbannt werden. „Mofas, die dort fahren dürfen, sind 25 km/h schnell“, sagt Stürmer. „E-Bikes sind aber unter Umständen sehr viel schneller unterwegs. Irgendwann knallt es.“
Die Betroffenen wünschen sich intensivere Kontrollen
Dietmar Boos, ebenfalls Anwohner der Donaustraße, findet deutliche Worte: „Es ist verrückt, diese Straße zu öffnen“, sagt er. „Mich würde mal interessieren, wer diesen Weg ausgerechnet im Winterhalbjahr für den Verkehr freigeben kann.“Es gebe viele Bereiche, wo nicht einmal ein Auto und ein Fußgänger gemeinsam Platz
haben, ganz zu schweigen von richtigem Begegnungsverkehr. „Im Herbst und Winter kommen dann noch Nebel und Nässe dazu.“Er stellt die rhetorische Frage, warum andere Gemeindeverbindungswege für Kraftfahrzeuge gesperrt sind und dieser nicht: „Weil er geteert ist.“Etliche Kinder und Jugendliche aus Sig’dorf würden zudem auch im Winterhalbjahr dort entlang mit dem Fahrrad zur
Schule fahren, „das ist einfach gefährlich“. Aus Sicht eines weiteren Anwohners wird die Einhaltung des Verbots viel zu wenig kontrolliert. „Wenn man das Ganze nicht überwacht, nimmt es natürlich überhand“, sagt er. „Da muss jede Woche eine Radarkontrolle hin, bis sich das herumgesprochen hat.“Auch Illa Krause glaubt, dass nur Bestrafung ein Umdenken auslösen kann. „Wenn es den Leuten nicht an den Geldbeutel geht, ändert sich nie was.“Sie selbst ist im Frühjahr Opfer eines Autofahrers geworden, der dort schon gar nicht mehr hätte unterwegs sein dürfen. Er kam der Radfahrerin so schnell entgegen, dass sie ausweichen musste, in der Folge stürzte und sich schwer verletzte. „Ich habe noch keine Ruhe, mein Auge tut mir immer noch weh“, sagt Krause. Die medizinische Behandlung ist noch nicht abgeschlossen. Sie kenne eine Frau in Sigmaringendorf, die aus Angst inzwischen gar nicht mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit in Sigmaringen fahre. „Meiner Meinung nach muss der Weg komplett gesperrt werden – Anlieger natürlich ausgenommen.“