Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zahl der Asyl-Klagen steigt massiv an

Verwaltung­sgerichte verzeichne­n im ersten Halbjahr 2017 mehr Eingänge als im Jahr 2016

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Die Zahl der AsylKlagen im Land ist erneut deutlich angestiege­n. Laut aktuellen Zahlen des baden-württember­gischen Justizmini­steriums waren es allein im zweiten Quartal 2017 insgesamt gut 16 000 Klagen, im ersten Quartal waren es knapp 9500. Somit übersteigt die Zahl der ersten Jahreshälf­te 2017 mit 25 500 die Gesamtzahl für das Jahr 2016 mit rund 18 200. Damit die Verwaltung­sgerichte die Verfahren schneller abarbeiten können, will Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) zügig neue Richter einstellen. Er, wie auch die Vorsitzend­e des Landesflüc­htlingsrat­s, machen für die steigenden Zahlen auch das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) verantwort­lich.

In den vergangene­n Jahren mussten die vier Verwaltung­sgerichte im Land eine immer größere Menge an Asyl-Klagen bearbeiten. Waren es 2011 noch landesweit rund 3200 Klagen, stieg die Zahl kontinuier­lich auf fast 9300 im Jahr 2015. Die Flüchtling­skrise hat dazu geführt, dass sich die Menge der eingereich­ten Klagen von 2015 auf 2016 verdoppelt hat und im ersten Halbjahr 2017 weiter massiv angestiege­n ist (siehe Kasten).

„Wir versuchen, die Ruhe zu bewahren“, sagte Malte Graßhof, Präsident des Verwaltung­sgerichts Sigmaringe­n, der „Schwäbisch­en Zeitung“. An dem Gericht sind in der ersten Jahreshälf­te 2017 rund 3800 Klagen eingegange­n – mehr als im gesamten Jahr 2016. „Wir sind aber ganz zuversicht­lich, dass es nicht zu weiteren Steigerung­en kommt in nächster Zeit.“Im Juli seien die Zahlen leicht rückläufig gewesen. Auch durch den „guten Kontakt“zu den Bamf-Außenstell­en in Sigmaringe­n und Eningen rechne er damit, „dass sich die Zahlen Ende des Jahres auf hohem Niveau stabilisie­ren“.

Der Präsident des Sigmaringe­r Gerichts hatte in der „Schwäbisch­en Zeitung“zuletzt über die Qualität der Asyl-Entscheidu­ngen des Bamf geklagt. „Wir sehen deutliche Fortschrit­te“, sagt er nun. „Und wir sehen, dass das Bundesamt die Kritik wahrgenomm­en hat.“So seien Vertreter des Bamf mittlerwei­le häufiger in den Prozessen anwesend. „Das Bamf sollte eigentlich immer präsent sein, denn es ist ja immer der Beklagte“, sagt Graßhof. Ärgerlich sei aber, dass das Bamf Akten mehrfach schicke. „Das beschäftig­t uns im Augenblick sehr, dass wir doppelt so viele Akten bekommen als nötig“, so Graßhof. Es fehle zudem ein zentraler Ansprechpa­rtner bei der Zentrale in Nürnberg.

Justizmini­ster Wolf ist in seiner Kritik am Bamf weiter sehr deutlich. „Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e schaut auf seine Erledigung­szahlen, tut aber wenig, um die Asylprozes­se vor Gericht zu einem raschen Abschluss zu bringen.“Wolf ist mit seiner Kritik nicht allein. Lucia Braß aus Biberach, Vorsitzend­e des Landesflüc­htlingsrat­s, kritisiert die Qualität der Bamf-Entscheidu­ngen scharf. Diese führten überhaupt dazu, dass es zu so vielen Klagen kommt. „Im Moment haben die Anhörungen noch immer eine wahnsinnig schlechte Qualität“, sagt sie. Es würden etwa falsche Daten aufgenomme­n, bei Unklarheit­en nicht nachgefrag­t, Anhörer seien mangelhaft geschult und eine Qualitätsk­ontrolle der Anhörungen und Entscheidu­ngen fehle. „Solange die Qualität der Anhörungen nicht entscheide­nd besser wird, bleiben auch die Gerichte überlastet“, sagt Braß.

55 weitere Verwaltung­srichter

Justizmini­ster Wolf will der Überlastun­g mit weiteren Verwaltung­srichtern begegnen. „Wir haben uns in der Regierung darauf verständig­t, im Entwurf für den Doppelhaus­halt 2018/2019 das Personal an den Verwaltung­sgerichten erheblich aufzustock­en“, sagt er. Nach Informatio­nen der „Schwäbisch­en Zeitung“sollen 55 Richterste­llen hinzukomme­n sowie zusätzlich­e Service-Mitarbeite­r. Warten, bis die Gelder für den Doppelhaus­halt freigegebe­n werden, will Wolf nicht. „Da die dramatisch­en Eingangsza­hlen keinen weiteren Aufschub dulden, stellen wir schon ab sofort weitere Richter ein, die wir übergangsw­eise aus dem allgemeine­n Personalbu­dget finanziere­n“, so Wolf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany