Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Zur Person Asket

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Als Angela Merkel kürzlich zum G20-Afrika-Gipfel nach Berlin einlud, war Ruandas Präsident Paul Kagame selbstvers­tändlich mit dabei. Schließlic­h führt er einen jener Staaten, die von den G20 für eine Investitio­nspartners­chaft ausgewählt wurden. Diese richtet sich an Länder, denen man zutraut, in ihrer Region eine Rolle als Stabilität­sanker zu übernehmen. Am Freitag trat der 59-Jährige in Ruanda zur Wiederwahl an. Zwar hat die Wahlkommis­sion 48 Stunden Zeit, ein vorläufige­s Endergebni­s zu verkünden – doch dass Kagame im Amt bleibt, daran zweifelt niemand ernsthaft.

Kagames Bilanz ist tatsächlic­h beachtlich. Seine Tutsi-Miliz beendete 1994 den Genozid, in dem 800 000 Tutsi und gemäßigte Hutu getötet wurden. Seitdem ist er Teil der politische­n Führung, im Jahr 2000 wurde er Präsident. In dieser Zeit hat sich die Hauptstadt Kigali zum regionalen Wirtschaft­szentrum entwickelt. Beim Breitbanda­usbau sei Ruanda weiter als viele Regionen in Deutschlan­d, stellte der deutsche Entwicklun­gshilfemin­ister Gerd Müller (CSU) nach einem Besuch 2016 fest. Der wirtschaft­liche, politische und militärisc­he Einfluss des ZwölfMilli­onen-Einwohner-Staates im deutlich größeren Nachbarlan­d Kongo ist immens. Ruanda hat in Afrika den Ruf eines funktionie­renden, straff organisier­ten Staatswese­ns – ein Bild, das der asketisch wirkende Kagame idealtypis­ch verkörpert.

Die Stabilität ist aber teuer erkauft: Die Arbeit der Opposition ist stark eingeschrä­nkt, ebenso die Meinungsfr­eiheit. Insbesonde­re wenn es um die Hintergrün­de des Völkermord­s von 1994 geht, ist es nicht ratsam, von der Regierungs­linie abzuweiche­n und beispielsw­eise zu fragen, ob nicht auch die ehemalgen Tutsi-Rebellen Verbrechen begingen. Für Kagame ist es nicht verwerflic­h, dass die Regierung ihren Bürgern den Blick auf die Geschichte diktiert: In Deutschlan­d stehe die Leugnung des Holocausts schließlic­h auch unter Strafe, argumentie­rt er. Heute ist es in Ruanda schon verboten, überhaupt von Hutu und Tutsi zu reden – offiziell gibt es nur Ruander.

Nach der Verfassung hätte Kagame gar nicht für eine dritte Amtszeit antreten dürfen. 2015 stimmten aber offiziell 98 Prozent der Wähler für eine Verfassung­sänderung, die ihm den Verbleib im Amt erlaubt – und zwar bis 2034. Ulrich Mendelin

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FOTO: DPA Paul Kagame regiert Ruanda mit harter Hand.

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