Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Vom Tellerwäscher zum Geschäftsmann
Andy Negreros baut sich in Sigmaringen eine Existenz auf – Die Regierung Guatemalas zeichnet ihn aus
SIGMARINGEN - Es gibt keinen Kunden, für den er nicht ein Lächeln übrig hätte: Andrés Negreros betreibt an der Mühlbergstraße seit ziemlich genau zwei Jahren ein Obst- und Lebensmittelgeschäft. Anfang der Woche ist der 38-Jährige von einem Kurztrip nach Guatemala City zurückgekehrt, der Hauptstadt seines Heimatlandes. Die guatemaltekische Regierung hatte ihn zu einem Kongress eingeladen, bei dem Landsleute erzählten, was sie als Emigranten erreichten.
Von einem auf den anderen Tag war Andrés Negreros, viele Sigmaringer kennen ihn besser als Andy, ganz unten. Ungefähr 14 Jahre ist das her. Das olympische Komitee seines Landes entsandte den Mann nach Deutschland. Seine Aufgabe: Das kleine mittelamerikanische Land wollte von Deutschland lernen, Andy Negreros sollte dabei helfen, Sportarten wie Fechten und Moderner Fünfkampf in seinem Land nach vorne zu bringen.
Doch sein Vertrag endete abrupt, weil in Guatemala eine neue Regierung an die Macht kam. Zurück nach Guatemala zu reisen, das hatte ihm sein Vater verboten. Obwohl es der Familie gut ging – sein Vater war Arzt – wollte er, dass er sich in Europa ein neues Leben aufbaut, denn in Guatemala sind Rassismus und Korruption weit verbreitet.
Wegen der Sprache entschied Negreros, nach Spanien umzusiedeln und in Madrid ein Studium zu beginnen. Es sollte die härteste Zeit seines Lebens werden. „Das Gefühl, nichts zu essen zu haben, werde ich nie vergessen“– als er dies sagt, verschwindet das Lächeln aus seinem Gesicht. Um sich das Studium leisten zu können, arbeitete Negreros in einem französischen Restaurant als Tellerwäscher. Die Gäste hatten die Gewohnheit, beim Frühstück angebissene Donuts liegenzulassen. „Diese Reste waren mein Frühstück“, erzählt er. Negreros arbeitete sich hoch. Der Regionalleiter der Kette war zu Besuch, konnte aber kein Spanisch. Negreros übersetzte ins Englische. Der Chef beförderte ihn zu seiner rechten Hand. Das Erste, für das er sich einsetzte, war: Es sollten keine Speisen mehr weggeworfen werden, und die Mitarbeiter sollten genügend zu essen bekommen.
Das Wirtschaftsministerium seines Heimatlandes wählte ihn nun unter zehn Europäern aus: Er sollte in seinem Heimatland seine Geschichte erzählen und anderen Landsleuten damit Mut machen.
30 Euro monatlich für Nahrung
Als Student musste Negreros eisern rechnen: Von 500 Euro, die er monatlich zur Verfügung hatte, blieben lediglich 30 Euro fürs Essen übrig. 50 Euro überwies er monatlich seiner Mutter. Sein Vater war zwischenzeitlich gestorben. Negreros schloss sein Marketing-Studium ab und setzte einen Master obendrauf.
Nach sechs Jahren in Spanien kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete in Mannheim für einen Früchtegroßhändler und importierte in Frankfurt selbst Rambutans und Papayas aus seinem Heimatland. In Deutschland heiratete er und eröffnete in Sigmaringen, wo seine Frau als Lehrerin arbeitet, 2015 das Geschäft „Andys Früchte“. Vor wenigen Wochen erhielt er zudem die deutsche Staatsbürgerschaft: Negreros zeigt stolz seinen deutschen Pass.
Am Ende des Kongresses schenkte ihm die Regierung ein Bild einer guatemaltekischen Frau, die ihn in farbenfroher Tracht und in traditioneller Kopfbedeckung an sein Heimatland erinnern soll. „Das Bild ist für mich ein Symbol, dass man es schaffen kann“, sagt er und strahlt über das ganze Gesicht. Es soll in seinem Geschäft an der Mühlbergstraße einen besonderen Platz bekommen. „Ich will es mit allen Sigmaringern teilen“, sagt er. Viele hätten ihm dabei geholfen, dass er sich in Deutschland eine Existenz habe aufbauen können.