Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Postkasten macht Lust aufs Philosophieren
Das Theater Lindenhof sucht Fragen und Antworten in Inzigkofen – Jeder kann sich am Projekt beteiligen
INZIGKOFEN - Wer in Inzigkofen die Orangerie im früheren Kloster betritt, stößt dort derzeit auf eine Kabine, vom Format einem Passbildautomaten nicht unähnlich. „Bitte eintreten“wünscht sich ein Schild, und wer diesem Wunsch folgt, kommt unter Umständen ganz schön ins Nachdenken. „Was wollen Sie in Ihrem Leben erreichen?“Diese nur auf den ersten Blick einfache Frage steht auf einem Schild, die Antwortkarte zum Ausfüllen liegt bereit. „Was ist Ihre Frage an die Mächtigen?“Das steht auf einem zweiten Schild. Auch nicht viel leichter zu beantworten. Wieder gibt es Karten, auf der jeder seine Frage vermerken kann. Wer den roten Buzzer auf dem kleinen Tisch drückt, löst unterdessen eine Videobotschaft aus – es spricht Stefan Hallmayer, Intendant des Theaters Lindenhof in Melchingen. Er erklärt, wie das Ganze funktioniert.
„Unser Ziel war es, mit dem Postkasten Stimmen und Themen der Region einzufangen“, sagt Cordula Schwelien, Theaterpädagogin des Theaters. „Was interessiert eigentlich die Menschen, die hier leben?“Der begehbare Postkasten sei eine offene und verspielte Form, diesen Stimmen aus der Nachbarschaft eine Bühne zu geben. Er ist an verschiedenen Orten unterwegs: Mal steht er im Theater, mal in Schulen, mal im öffentlichen Raum. Das Konzept hat Carola Schwelien zusammen mit dem Künstlerduo Marks & Schleker entwickelt. Die Fragen wechseln regelmäßig. Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Was muss endlich mal gesagt werden? Kann man Liebe sehen? Was sind deine Träume? Philosophisch sind die Fragen und nicht immer auf Anhieb zugänglich, trotzdem können sie von jedem beantwortet werden. „Ein Kind stellte die Frage, warum es eigentlich nur so wenige vierblättrige Kleeblätter gibt“, berichtet Iris Kick, stellvertretende Leiterin der Volkshochschule in Inzigkofen. „Das ist doch klasse.“Sie ist begeistert, welche Fragen und Antworten den Menschen einfallen und findet, dass der Postkasten wunderbar in die Orangerie passt. „Wir haben hier ein sehr offenes Publikum.“
Die Aktion ist Teil der Initiative „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“der Kulturstiftung des Bundes. Sie versucht mit ganz unterschiedlichen Ansätzen, „Kultur auf dem flachen Land zu verbreiten“, sagt Kick. „So etwas unterstützen wir natürlich gerne.“In der VHS werden alle Teilnehmer von Workshops und Kursen aktiv aufgefordert, in den Postkasten hineinzugehen, „das wird sehr gut angenommen“. Iris Kick wechselt die Fragen alle paar Tage aus, insgesamt hat sie vier Paare. Aus den gesammelten Fragen und Antworten macht das Theater schließlich eine Art Spiel, in dem man unter anderem auf der Internetseite des Theaters blättern kann. „Wir kuratieren das Ganze, stellen die Fragen und Antworten neu zusammen“, sagt Carola Schwelien. Es soll auch eine Postkasten-Aufführung geben, „bei der wir die Antworten auf die Bühne bringen“. In Inzigkofen steht der Postkasten noch bis zum 12. September.