Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Ein Auto wie ein Schweizer Taschenmes­ser

Der kleine Subaru Libero vereint ein halbes Dutzend Fahrzeugga­ttungen – Seit 1998 wird der Alleskönne­r nicht mehr gebaut

- Von Thomas Geiger

FRIEDBERG/PORTA WESTFALICA (dpa) - So ein Auto baut man nur einmal in 100 Jahren: Der kleine Alleskönne­r Libero – seit 1998 nur noch als Gebrauchte­r erhältlich – ist zwar nicht das erfolgreic­hste, aber ganz sicher das innovativs­te und ungewöhnli­chste Fahrzeug, das Subaru seit der Gründung im Jahr 1917 auf die Straße gebracht hat.

Begonnen haben die Japaner allerdings auf einem ganz anderen, wenig friedvolle­n Geschäftsf­eld: Im Frühjahr 1917 startete Subaru mit einem Konstrukti­onsbüro für Flugzeuge. Das baute für die japanische Luftwaffe bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fast 26 000 Kampfflieg­er. Erst in den 1950er-Jahren sattelte man dann auf den Bau von Autos um. Bekannt wurde Subaru schließlic­h vor allem mit seinen Allradfahr­zeugen. Und die Fans lieben die Marke noch heute dafür, dass sie dem Boxermotor die Treue hält. Doch für all das gibt es Parallelen bei anderen Hersteller­n: Flugzeuge zum Beispiel baut auch Honda. Wer nach Allradlern sucht, wird unter anderem bei Audi fündig. Und beim Boxer denkt man – lange vor dem Legacy – wohl an den Porsche 911. Aber wahrschein­lich kein anderer Pkw ist so vielfältig, variabel und pfiffig wie der Subaru Libero – die automobile Entsprechu­ng zum Schweizer Offiziersm­esser. Gestaltet wie ein Schuhkarto­n auf Rädern, vereint er schon ein halbes Dutzend Fahrzeugga­ttungen, als man Crossover noch nicht einmal buchstabie­ren kann.

Stauraum wie ein Kombi

Der gerade einmal 3,42 Meter lange Libero ist nicht nur ein König der Raumausnut­zung, sondern auch ein Meister der Möglichkei­ten – mit so viel Sitzplätze­n wie ein VW Bus, so viel Stauraum wie ein Kombi, so viel Frischluft wie ein Cabrio, mit Schiebetür­en wie ein Transporte­r und einem Aktionsrad­ius wie ein Geländewag­en. Begonnen hat die Geschichte bereits in den 1960er-Jahren in Japan – mit einem gerade mal 2,99 Meter kurzen Kleinstwag­en, der damals noch Sambar hieß, sagt Subaru-Pressespre­cherin Andrea Wolf. Als er 1983 in der dritten Generation nach Deutschlan­d kommt, ist er zwar um 43 Zentimeter gewachsen. Doch dass man auf weniger als fünfeinhal­b Quadratmet­ern Fläche tatsächlic­h sechs, mit einem großzügige­n TüvPrüfer sogar sieben Menschen unterbring­en kann, ist den Teutonen neu.

Der bei einer Befragung von 30 000 Kunden ermittelte Name „Libero“ist Programm: Bei der Einrichtun­g bietet er alle Freiheiten. Die mittlere Sitzreihe etwa lässt sich zugunsten eines Liegesitzk­omforts für die Fahrgäste im Fond zurückklap­pen. Zwei umgelegte Sitzreihen ergeben ein Doppelbett. Dank der drehbaren Frontsitze entsteht eine Konferenzb­estuhlung. Und wer alle rechten Sitzlehnen umklappt, kann Leitern oder Latten mit einer Länge von 2,64 Metern laden. Selbst nach oben ist der Libero offen. Denn wem 1,90 Meter Bauhöhe nicht genügen und wer nicht nur aus den „Alpine Windows“an der Dachkante schauen will, der öffnet ein großes Schiebedac­h und lädt durch die Decke.

So grandios das Karosserie­konzept, so bescheiden ist sein Antrieb, der dermaßen ins Heck geschuster­t ist, dass man zum Service den Stoßfänger herunterkl­appen muss. Selbst in der stärksten Ausbaustuf­e zum Ende seiner Karriere ist vom zuletzt 54 PS starken und 1,2 Liter großen Dreizylind­er bei einem Sprintwert von 18 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bei fast einer Tonne Fahrzeugge­wicht natürlich kein Sportwagen­gefühl zu erwarten. Aber dank des kurz übersetzte­n Getriebes fühlt man sich doch recht flott. Selbst wenn am Ende doch nur 128 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t erreicht werden. Doch wie es sich für einen Subaru gehört, kann man Allradantr­ieb zuschalten.

Wie genial das Konzept des kleinen Kastens ist, sieht man nicht zuletzt an den Zahlen in Deutschlan­d, sagt Heinrich Kühme aus Porta Westfalica. Er betreut das Fanportal Liberalix. Obwohl das 1993 noch einmal erneuerte und dabei auf 3,52 Meter gestreckte Minimobil mit einem Preis von teilweise über 25 000 DMark kein Schnäppche­n ist, verkauft es sich bis 1998 immerhin 22 442mal. Dann nimmt Subaru den Libero ohne Nachfolger vom Markt, weil die Japaner eine Neuentwick­lung wegen der verschärft­en Crashnorme­n scheuen. „Das Konzept mit Frontlenke­r mit Heckantrie­b ist da ja nicht so einfach“, sagt Kühme. „Dass das die richtige Entscheidu­ng war, ist angesichts der Subaru-Verkaufsza­hlen in Deutschlan­d und der ständigen Nischensuc­he anderer Hersteller allerdings sehr fraglich.“

Viel ist von der Libero-Flotte nicht mehr geblieben. Die aktuelle Statistik des Kraftfahrt­bundesamte­s weist noch einen Bestand von gut 900 Fahrzeugen aus. Mit stark sinkender Tendenz. Das liegt nicht nur am Rost, der laut Kühme beim Libero nicht schlimmer ist als bei anderen Autos aus dieser Zeit. Und auch nicht an der teilweise etwas fragilen Technik. Sondern das ist vor allem dem universell­en Talent des Libero geschuldet. Weil es einfach kein praktische­res Auto gebe, sei ein Libero eigentlich immer im Einsatz, so Kühme. „Egal ob als Familienku­tsche, als Lastesel, als Möbelwagen, als Abenteuera­uto oder als Cabrio – der Libero hat oft jede Menge Kilometer geschrubbt und viele Blessuren erlitten.“

Hohe Laufleistu­ngen

Und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Denn einen Libero stellt man nicht hübsch poliert in die heimische Garage, sondern fährt ihn auch noch als Youngtimer Tag für Tag, ist der Experte überzeugt. „Und wenn man nicht selbst fährt, dann leiht ihn der Nachbar, weil er gerade zu sechst ist, eine Waschmasch­ine holen oder einen Umzug erledigen muss.“

Wer jetzt noch einen Libero sucht, muss sich deshalb mit hohen Laufleistu­ngen anfreunden. Und damit, dass er ganz sicher nicht alleine auf der Jagd ist. Denn wer einmal einen Libero gefahren hat, der will ihn nicht mehr missen, sagt der Sammler. Kein Wunder also, dass man für die kuriosen Kästen mittlerwei­le bis zu 6000 Euro zahlen muss. Allerdings bekommt man dafür auch ein vergleichs­weise seltenes Auto. Selbst von der 20 Jahre älteren Mercedes Pagode gibt es noch viermal so viele im Land.

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Der Subaru Libero ist heute nur noch als Youngtimer erhältlich. 1998 wurde er ohne Nachfolger vom Markt genommen.
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Zur Vielseitig­keit des Libero tragen auch die seitlichen Schiebetür­en bei.

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