Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Ein Auto wie ein Schweizer Taschenmesser
Der kleine Subaru Libero vereint ein halbes Dutzend Fahrzeuggattungen – Seit 1998 wird der Alleskönner nicht mehr gebaut
FRIEDBERG/PORTA WESTFALICA (dpa) - So ein Auto baut man nur einmal in 100 Jahren: Der kleine Alleskönner Libero – seit 1998 nur noch als Gebrauchter erhältlich – ist zwar nicht das erfolgreichste, aber ganz sicher das innovativste und ungewöhnlichste Fahrzeug, das Subaru seit der Gründung im Jahr 1917 auf die Straße gebracht hat.
Begonnen haben die Japaner allerdings auf einem ganz anderen, wenig friedvollen Geschäftsfeld: Im Frühjahr 1917 startete Subaru mit einem Konstruktionsbüro für Flugzeuge. Das baute für die japanische Luftwaffe bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fast 26 000 Kampfflieger. Erst in den 1950er-Jahren sattelte man dann auf den Bau von Autos um. Bekannt wurde Subaru schließlich vor allem mit seinen Allradfahrzeugen. Und die Fans lieben die Marke noch heute dafür, dass sie dem Boxermotor die Treue hält. Doch für all das gibt es Parallelen bei anderen Herstellern: Flugzeuge zum Beispiel baut auch Honda. Wer nach Allradlern sucht, wird unter anderem bei Audi fündig. Und beim Boxer denkt man – lange vor dem Legacy – wohl an den Porsche 911. Aber wahrscheinlich kein anderer Pkw ist so vielfältig, variabel und pfiffig wie der Subaru Libero – die automobile Entsprechung zum Schweizer Offiziersmesser. Gestaltet wie ein Schuhkarton auf Rädern, vereint er schon ein halbes Dutzend Fahrzeuggattungen, als man Crossover noch nicht einmal buchstabieren kann.
Stauraum wie ein Kombi
Der gerade einmal 3,42 Meter lange Libero ist nicht nur ein König der Raumausnutzung, sondern auch ein Meister der Möglichkeiten – mit so viel Sitzplätzen wie ein VW Bus, so viel Stauraum wie ein Kombi, so viel Frischluft wie ein Cabrio, mit Schiebetüren wie ein Transporter und einem Aktionsradius wie ein Geländewagen. Begonnen hat die Geschichte bereits in den 1960er-Jahren in Japan – mit einem gerade mal 2,99 Meter kurzen Kleinstwagen, der damals noch Sambar hieß, sagt Subaru-Pressesprecherin Andrea Wolf. Als er 1983 in der dritten Generation nach Deutschland kommt, ist er zwar um 43 Zentimeter gewachsen. Doch dass man auf weniger als fünfeinhalb Quadratmetern Fläche tatsächlich sechs, mit einem großzügigen TüvPrüfer sogar sieben Menschen unterbringen kann, ist den Teutonen neu.
Der bei einer Befragung von 30 000 Kunden ermittelte Name „Libero“ist Programm: Bei der Einrichtung bietet er alle Freiheiten. Die mittlere Sitzreihe etwa lässt sich zugunsten eines Liegesitzkomforts für die Fahrgäste im Fond zurückklappen. Zwei umgelegte Sitzreihen ergeben ein Doppelbett. Dank der drehbaren Frontsitze entsteht eine Konferenzbestuhlung. Und wer alle rechten Sitzlehnen umklappt, kann Leitern oder Latten mit einer Länge von 2,64 Metern laden. Selbst nach oben ist der Libero offen. Denn wem 1,90 Meter Bauhöhe nicht genügen und wer nicht nur aus den „Alpine Windows“an der Dachkante schauen will, der öffnet ein großes Schiebedach und lädt durch die Decke.
So grandios das Karosseriekonzept, so bescheiden ist sein Antrieb, der dermaßen ins Heck geschustert ist, dass man zum Service den Stoßfänger herunterklappen muss. Selbst in der stärksten Ausbaustufe zum Ende seiner Karriere ist vom zuletzt 54 PS starken und 1,2 Liter großen Dreizylinder bei einem Sprintwert von 18 Sekunden von 0 auf 100 km/h und bei fast einer Tonne Fahrzeuggewicht natürlich kein Sportwagengefühl zu erwarten. Aber dank des kurz übersetzten Getriebes fühlt man sich doch recht flott. Selbst wenn am Ende doch nur 128 km/h Höchstgeschwindigkeit erreicht werden. Doch wie es sich für einen Subaru gehört, kann man Allradantrieb zuschalten.
Wie genial das Konzept des kleinen Kastens ist, sieht man nicht zuletzt an den Zahlen in Deutschland, sagt Heinrich Kühme aus Porta Westfalica. Er betreut das Fanportal Liberalix. Obwohl das 1993 noch einmal erneuerte und dabei auf 3,52 Meter gestreckte Minimobil mit einem Preis von teilweise über 25 000 DMark kein Schnäppchen ist, verkauft es sich bis 1998 immerhin 22 442mal. Dann nimmt Subaru den Libero ohne Nachfolger vom Markt, weil die Japaner eine Neuentwicklung wegen der verschärften Crashnormen scheuen. „Das Konzept mit Frontlenker mit Heckantrieb ist da ja nicht so einfach“, sagt Kühme. „Dass das die richtige Entscheidung war, ist angesichts der Subaru-Verkaufszahlen in Deutschland und der ständigen Nischensuche anderer Hersteller allerdings sehr fraglich.“
Viel ist von der Libero-Flotte nicht mehr geblieben. Die aktuelle Statistik des Kraftfahrtbundesamtes weist noch einen Bestand von gut 900 Fahrzeugen aus. Mit stark sinkender Tendenz. Das liegt nicht nur am Rost, der laut Kühme beim Libero nicht schlimmer ist als bei anderen Autos aus dieser Zeit. Und auch nicht an der teilweise etwas fragilen Technik. Sondern das ist vor allem dem universellen Talent des Libero geschuldet. Weil es einfach kein praktischeres Auto gebe, sei ein Libero eigentlich immer im Einsatz, so Kühme. „Egal ob als Familienkutsche, als Lastesel, als Möbelwagen, als Abenteuerauto oder als Cabrio – der Libero hat oft jede Menge Kilometer geschrubbt und viele Blessuren erlitten.“
Hohe Laufleistungen
Und daran hat sich bis heute kaum etwas geändert. Denn einen Libero stellt man nicht hübsch poliert in die heimische Garage, sondern fährt ihn auch noch als Youngtimer Tag für Tag, ist der Experte überzeugt. „Und wenn man nicht selbst fährt, dann leiht ihn der Nachbar, weil er gerade zu sechst ist, eine Waschmaschine holen oder einen Umzug erledigen muss.“
Wer jetzt noch einen Libero sucht, muss sich deshalb mit hohen Laufleistungen anfreunden. Und damit, dass er ganz sicher nicht alleine auf der Jagd ist. Denn wer einmal einen Libero gefahren hat, der will ihn nicht mehr missen, sagt der Sammler. Kein Wunder also, dass man für die kuriosen Kästen mittlerweile bis zu 6000 Euro zahlen muss. Allerdings bekommt man dafür auch ein vergleichsweise seltenes Auto. Selbst von der 20 Jahre älteren Mercedes Pagode gibt es noch viermal so viele im Land.