Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Chiara Scholl: Ganz allein auf großer Tour
Tennis: Knoll Open, 5. Tag - Auch Deutsche Katharina Hobgarski im Halbfinale
BAD SAULGAU - Die Knoll Open, das mit 25 000 US-Dollar dotierte Tennis-Weltranglistenturnier in Bad Saulgau, geht in seine entscheidende Phase. Am Freitag verabschiedete sich - in einer Wiederaufnahme des Zweitrundenmatches vom Donnerstag, die Vorjahressiegerin Tamara Korpatsch, und damit die vorletzte Deutsche, aus dem Turnier. Katharina Hobgarski dagegen, deren Match am Donnerstag ebenfalls abgebrochen worden war, beendete zunächst ihre Extraschicht am Freitagmorgen gegen Isabella Shinikova mit einem unerwarteten Sieg. Trotz eines zwischenzeitlichen Rückstands gegen Shinikova mit 0:5 und 0:40 im dritten Satz drehte die Saarländerin das Spiel. Beim Stand von 6:2; 4:6 und 5:4 aus Sicht der Bulgarin war es am Donnerstag in die Nacht gegangen, anderntags machte Hobgarski kurzen Prozess und gewann den dritten Durchgang mit 7:5. Im Viertelfinale am Freitagabend, gegen die Französin Fiona Ferro, siegte Hobgarski im nächsten Marathonmatch nach 2:55 Stunden mit 5:7/7:6/6:3.
Neben Hobgarski ist eine weitere Spielerin im Rennen, die ihre Wurzeln in Deutschland hat, die USAmerikanerin Chiara Scholl. Scholl? „Ja, meine Eltern stammen aus Deutschland und sind in die USA ausgewandert“, erzählt sie auf ihr Deutsch angesprochen, wenige Augenblicke nach ihrem glatten 6:4und 6:2-Sieg gegen die Slowakin Lenka Jurikova, als sie aus dem Wasser der iCool-Anlage stieg, die Helgi Kolvidsson und sein Team im Turnierpark bereitgestellt haben.
Wenige Minuten später sitzt die Nummer 448 der Welt im Einzel am Tisch im Turnierpark und plaudert weiter munter aus ihrem (Tennis-) Leben. Als Chiara Scholl fünf Jahre alt war siedelten die Eltern nach USA über, nach Palm Springs in Florida, Anfang der Neunzigerjahre. „Es war immer der Wunsch meiner Eltern. Mein Vater hat aber weiter in Deutschland gearbeitet, ist gependelt, hin- und hergeflogen, aber meine Mutter, meine Geschwister und ich haben in den USA gelebt“, erzählt die 25-Jährige. In diese Zeit fiel auch Chiara Scholls Begegnung mit dem Tennis. Sie hielt erstmals einen Tennisschläger in der Hand und merkte sofort, dass das ihr Sport ist. „Mein Bruder hat auch gespielt und so hat sich das ergeben“, erzählt Chiara
Scholl in perfektem Deutsch. „Naja, mein Deutsch ist ganz okay, aber im Englischen fühle ich mich sicherer“, übt sie sich etwas in Understatement.
Ihre erstes Profiturnier spielte sie im Alter von 15 Jahren, 2008 in Palm Beach, „regelmäßig Turniere habe ich erst gespielt als ich 18 Jahre alt war.“Ihr erstes Match gewann sie ein halbes Jahr nach ihrer Premiere in St. Louis und im Juli 2010 stand sie zum ersten Mal in einem Finale eines Turniers, in Evansville unterlag sie der Venezolanerin Gabriala Paz. 2011 stand sie erstmals in der zweiten Runde der Qualifikation zu den US Open, unterlag aber Andrea Hlavackova in drei Sätzen. Kurz danach erreichte sie auch ihr höchste Position in der Weltrangliste, die 164. Ihren größten Erfolg bei einem Turnier verbuchte sie 2012 bei den Nürnberger Gastein Ladies, als sie als Qualifikantin das Viertelfinale erreichte. Im selben Jahr stand sie beim 100 000Dollar-Turnier in Vancouver im Halbfinale. Chiara Scholl hat in ihrer
Karriere zwei ITF-Titel gewonnen, in El Paso und Lexington, beide im Jahr 2015.
Scholl lobt Ligateam
Chiara Scholl reist meist alleine durch die Welt, ohne Trainer, ohne Begleitung, ohne Familie. „Einen Trainer, das kann ich mir nicht leisten“, sagt die High-School-Absolventin, die ab und zu, wenn sie zu Hause ist, selbst Tennisstunden gibt und so ein paar Dollar nebenbei verdient. „Nein, meine Mutter ist auch eigentlich nie dabei, mein Vater ist leider vor einiger Zeit gestorben. Meist bin ich alleine. Man merkt es aber eigentlich so nicht, erst wenn man dann wirklich mal für sich ist“, sagt sie. „Natürlich ist es schöner, wenn man jemanden um sich hat“, gibt Scholl zu. In Bad Saulgau wird sie von ihrer Doppelpartnerin, der Dänin Karen Barritza und deren Freund begleitet. „Das ist dann schon ein bisschen besser.“
Eine richtig gute Zeit hatte Chiara Scholl auch in diesem Frühjahr, als
sie in der Württembergliga für Nagold spielte. „Das war super, auch im Team zu spielen. Und wir waren eine echte Mannschaft, die auch sehr viel gemeinsam unternommen hat. Ich denke, wenn du in der Bundesliga spielst, rennen am Ende doch alle nach den Spielen schnell auseinander“, sagt Chiara Scholl. In Nagold hatte sie auch mal wieder einen Trainer, der ihr Tipps gab. „Er hat mir gesagt, was ich besser machen kann, beim Aufschlag und bei anderen Schlägen.“Denn natürlich sei es schwer, unterm Jahr niemanden zu haben, der einem ab und zu korrigiere.
Nicht zuletzt auf die Stunden mit dem Trainer in Nagold führt sie ihre derzeit gute Form zurück. „Ja, es läuft gut, ich bin sehr zufrieden, aber natürlich weiß ich nicht, wie es noch weitergeht. Alle Spielerinnen, die im Halbfinale sind wollen ins Finale. Das Niveau ist hoch, da entscheiden ein paar Punkte. Ich weiß, dass ich ab und zu zu verbissen bin und zu viel will“, sagt sie, lacht sympathisch und
hat so gar nichts mehr von der ab und an grimmig wirkenden jungen Frau auf dem Centre Court.
Natürlich würde sie gerne das Finale bei den Knoll Open erreichen: „Das ist ein super Turnier, die Leute sind alle freundlich zu einem, die Bedingungen sind toll. Ich meine, wo kann man sich bei einem vergleichbaren Turnier, nach dem Match zur Regeneration in ein Eisbad setzen?“, fragt Scholl, die zu Beginn des Jahres Turniere in den USA spielt, im Sommer aber oft in Europa auf Tour ist.
Derzeit konzentriert sie sich aufs Tennisspielen. Gedanken, was nach der Karriere kommt, ob sie studieren soll, hat sie sich noch keine gemacht. „Ich bin im Sommer gerne in Europa“, wohl auch um ihre Mutter zu treffen. „Die ist die meiste Zeit im Jahr wieder in Deutschland, in Bergisch Gladbach bei Köln.“