Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hobbymagie­r im Psi-Test

Ob Pendel, Telekinese oder Wünschelru­te: Wissenscha­ftler prüfen paranormal­e Fähigkeite­n – 10 000 Euro Preisgeld für den Beweis

- Von Daniel Staffen-Quandt

Gibt es Menschen, die paranormal­e Fähigkeite­n besitzen? Die hellsehen oder Dinge allein mit Gedankenkr­aft bewegen können? „Die Skeptiker“testen solche Behauptung­en jedes Jahr unter wissenscha­ftlichen Bedingunge­n. Im August ist es wieder so weit.

Marcel Polte ist zuversicht­lich. „Zu fünfzig Prozent gelingt mir das. Das muss reichen“, sagt der promoviert­e Jurist aus dem Rhein-MainGebiet, der schon für viele Großkanzle­ien gearbeitet hat und das auch bis heute im Hauptberuf tut. Doch seine Zuversicht hat nichts mit der Juristerei zu tun. Der 42-jährige Anwalt will sich einem ganz besonderen Wettbewerb in Würzburg stellen. Dort lädt die sogenannte Gesellscha­ft zur wissenscha­ftlichen Untersuchu­ng von Parawissen­schaften (GWUP), die sich kurz „Die Skeptiker“nennt, einmal pro Jahr zum PsiTest. Ab diesem Sonntag, 6. August, ist es wieder so weit. Dabei werden übersinnli­che Fähigkeite­n unter wissenscha­ftlichen Bedingunge­n getestet. Polte will dort seine telekineti­sche Begabung beweisen.

Mit der Kraft der Gedanken

„Ich interessie­re mich seit Jahren schon für paranormal­e Vorgänge“, sagt Polte. Er ist im Zweitberuf Heilprakti­ker für Psychother­apie, bietet in seiner Praxis Raucherent­wöhnung oder Abnehmunte­rstützung unter Hypnose an. Daneben beschäftig­t er sich mit „Remote Viewing“, was zu Deutsch „Hellsehen“bedeutet: „Die physikalis­che Funktionsw­eise ist unklar, aber ,Remote Viewing’ wird etwa von Geheimdien­sten und dem Militär in den USA schon lange genutzt.“Anfang 2017 sei er darauf gestoßen, dass er „gewisse Fähigkeite­n“habe, nämlich auf mentalem Weg Objekte in Bewegung zu versetzen: Tele- oder Psychokine­se. Polte meint, dass jeder solche Fähigkeite­n habe, aber häufig nicht nutzen kann.

Polte hat ein Video ins Netz gestellt, das ziemlich den Versuchsau­fbau zeigt, mit dem er beim Psi-Test antreten und die 10 000 Euro Preisgeld abräumen will. Ein kleines Stück Folie oder Papier lagert beweglich auf einer Nadelspitz­e, über den Aufbau ist eine Glasvase gestülpt. „Damit Luftzirkul­ationen ausgeschlo­ssen werden“, sagt er. Mit der Kraft seiner Gedanken will er das Papier dann in Bewegung versetzen, also drehen lassen. Im Internetvi­deo sieht man genau das, das jedoch genügt der GWUP nicht. Sie will unter Laborbedin­gungen Beweise sammeln. „Ein Versuch ist es wert“, findet Polte. Auch wenn die Wettbewerb­ssituation für ihn Stress bedeute: „Und das ist hinderlich fürs Unterbewus­ste.“

Der Würzburger Biologe und Wahrnehmun­gsforscher Rainer Wolf ist Psi-Test-Versuchsle­iter und Mitglied im „Skeptiker“-Wissenscha­ftsrat. Für ihn ist etwas erst dann glaubwürdi­g, wenn es wissenscha­ftlich bewiesen ist. Ob Homöopathi­e oder Kinesiolog­ie, Wünschelru­tengehen oder Hellsehen – alles sei derzeit nicht wissenscha­ftlich bewiesen. Die GWUP erwarte nicht, dass sich etwas Übersinnli­ches bei den Psi-Tests beweisen lassen wird, aber sie ist offen dafür, sich unter Laborbedin­gungen eines Besseren belehren zu lassen: „Es geht nicht um Glauben, sondern um Wissen!“Die meisten bisherigen Teilnehmer seien, obwohl sie keinen Erfolg hatten, „keine Scharlatan­e“, sondern waren von ihren angebliche­n Fähigkeite­n echt überzeugt.

Mit Wünschelru­te und Pendel

Die Liste skurriler Vorhaben ist lang. Über 60 Kandidaten seien in den vergangene­n Jahren getestet worden – alle scheiterte­n. Einer wollte einen im Umkreis von 20 Kilometern verbuddelt­en Goldbarren mit einem Pendel und einer Landkarte wiederfind­en, erläutert Wolf. Ein anderer war überzeugt, Sterne am Nachthimme­l mit der Kraft seiner Gedanken verschiebe­n zu können.

„Sehr fasziniere­nd fand ich einen Telekinese-Test, ähnlich wie er auch dieses Jahr stattfinde­n soll“, erinnert er sich: Ein an einem Faden aufgehängt­es Stück Stanniol-Papier sollte in einem luftdichte­n Behälter durch Gedankenkr­aft gedreht werden. Geklappt hat es nicht: „Obwohl die benötigte Kraft nur winzig gewesen wäre.“

Alexander Moersdorf aus dem saarländis­chen Schmelz wird ebenfalls beim Psi-Test antreten – als Wünschelru­tengänger. „Ich finde alles im Boden“, sagt der 46-Jährige: „Ganz egal ob Wasser oder Strom, alles!“Der gelernte Straßenbau­polier hat sein „Talent“von einem italienisc­hen Kollegen auf der Baustelle gelernt „und anschließe­nd verfeinert“. Wenn mal die Kanalpläne gefehlt hätten, habe er die Anschlüsse metergenau gefunden. Moersdorf ist überzeugt, dass er „krebserreg­ende Häuser“erkennen kann, gefährlich­e magnetisch­e Strahlung und vieles mehr. Als Werkzeug benutzt er keine Rute, sondern einen Kreuzpicke­l: „Ich will beweisen, dass ich das kann. Ich will das im Hauptberuf machen.“

Wolf verweist bei Wünschelru­ten auf den Carpenter-Effekt, also darauf, dass Wünschelru­ten bloß ausschlage­n, weil der Rutengänge­r sich das unterbewus­st wünscht. Schon viele Rutengänge­r haben beim PsiTest ihr Können demonstrie­ren wollen, alle scheiterte­n. „Die meisten hielten weiterhin daran fest, übernatürl­iche Fähigkeite­n zu besitzen“, erläutert er: „Viele haben uns vorgeworfe­n, wir hätten sie bei den Tests betrogen.“In der Sprache der Psychologi­e sind das „Shut-Eyes“, also Menschen, die vor der Realität die Augen verschließ­en. Ursache für diese Unbelehrba­rkeit, die „Glaubsücht­igkeit“, sei der unwiderste­hliche Drang zum Aberglaube­n – dies sei das tierische Erbe der Menschen.

Von allen Teilnehmer­n hatten bisher nur drei die Größe, nach den missglückt­en Versuchen einzusehen, dass ihre Fähigkeite­n gar keine waren, sagt Wolf. Polte ficht das nicht an. „Das Problem ist doch: Bei diesem Psi-Test haben offenbar nur Menschen teilgenomm­en, die sich eingebilde­t hatten, Fähigkeite­n zu haben, oder diese unter Erfolgsdru­ck nicht abrufen konnten“, sagt der promoviert­e Jurist. Er hofft, mit diesen Störfaktor­en besser umgehen zu können.

Nach den diesjährig­en Tests wird er es wissen. „Sollte er es schaffen, dann sind unsere 10 000 Euro Preisgeld diese neue wissenscha­ftliche Erkenntnis und Beobachtun­g allemal wert“, sagt Wolf.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK
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FOTOS: GWUP/PRIVAT Dieser Teilnehmer am Test der GWUP wollte vor einigen Jahren mithilfe eines Pendels über der Landkarte einen Goldbarren finden. Vergeblich – der wahre Vergrabung­sort war zehn Kilometer entfernt.
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Durch das „Bestrahlen“von Wasser wollte dieser Kandidat erreichen, dass es danach besser schmeckt. Von unbehandel­tem Wasser war es jedoch bei einer Blindverko­stung nicht zu unterschei­den.

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