Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Die good-burgerlichen Burgermeisterinnen von Tuttlingen
D er kolossal überschätzte Spaßmacher Jürgen von der Lippe hat mal in irgendeiner Kino-Klamotte gesagt: „Hamburger in Kindermund, macht’s Kind gesund und kugelrund.” Ernährungswissenschaftler bewerten das heute natürlich anders. Dass das Kind bei übermäßigem Hamburger-Genuss zur Rundlichkeit neigt, ist aber unbestritten. Den beiden Schülern, die da gerade im Tuttlinger Hamburger-Laden „Good Burgerlich” jeweils einen Cheeseburger mit Pommes an der Theke ordern, ist das Schicksal starker Leibesfülle bislang erspart geblieben, was ihre heringhafte Statur zweifelsfrei beweist.
Die Szenerie hat etwas vom tiefen Süden der USA: Zwei farbige Frauen hantieren in der offenen Küche brummend vor sich hin. Eine rohe Holzvertäfelung deckt die Wände. Von der Decke hängen große Glühbirnen mit Kohlefaserdrähten. Fehlt eigentlich nur noch ein alter, blinder Mann, der irgendwo in einer Ecke auf seiner Gitarre einen schmutzigen Blues heult. Jederzeit könnte die Tür aufgehen, und hungrige Baumwollpflücker setzten sich auf die Barhocker. Aber natürlich ist Tuttlingen nicht Louisiana und die Waaghausstraße nicht der Cotton-Boulevard. Trotzdem: Die Kulisse für einen Hamburger könnte kaum stimmiger komponiert sein. Was es zu essen gibt, davon künden ein paar Kreidetafeln. Insgesamt sind es sechs verschiedene Klops-Variationen. Die Wahl fällt auf die Variante mit Blauschimmel-Käse, die neben Barbecue, Bacon and Egg sowie Mozzarella geradezu elegant wirkt. Als knusperndes Beiwerk stehen Süßkartoffelpommes sowie klassische Kartoffelpommes auf der Orderliste. Letztere werden vor Ort tatsächlich aus frischen Kartoffeln geschnitten. Überhaupt rühmt sich das Haus des nachhaltigen Wirtschaftens.
Mit gravitätischer Gelassenheit kümmern sich die beiden Damen hinterm Tresen um das Essen. Statt Tiefkühlware landen frische Pattys auf dem Grill, die mit einem lauten „Ziisch!” die Säfte im Mund in Fluss bringen. Es erhebt sich ein rustikaler Duft, als dünne Speckstreifen aufs Feuer kommen. Mit maximaler Transparenz vollzieht sich das Küchenballett der beiden Frauen vor den Augen des Gastes. Hausgemachte Saucen tropfen auf die aufgeklappten Burger, Käse schmilzt, Kräutersalat knackt – Deckel drauf, die Fritten aus dem Fett holen und in neckische Siebe mit Henkel schütten und fertig: Da liegt er nun auf dem länglichen Teller, eine Pracht aus Kohlenhydraten, Fett, süßlichen Soßen und safttriefendem Fleisch. Weit aufgerissen muss er sein, der Mund, um die Zähne in diese Köstlichkeit aus unterschiedlichsten Texturen schlagen zu können. Was für ein kolossales Mundgefühl! Das Fleisch ist in seinem rosa Zustand maximal geschmackvoll. Neben Blauschimmelkäse bescheren Walnüsse und Birnenscheiben den Geschmacksnerven ein ungewöhnliches Erlebnis. Tatsächlich ist dieser Hamburger angesichts seiner einwandfreien Zutaten ein echter Genuss. Ausgewogen zwischen strammer Würze und seidiger Süße, perfekt begleitet von zweierlei Fritten, die mehr nach Kartoffeln als nach Bratfett schmecken. Ein Schluck eiskalte Cola – fertig ist der amerikanische Traum von Tuttlingen, wie er amerikanischer kaum sein könnte.