Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Allein eine Prise Pfeffer fehlt

Unter den Kleinwagen sticht der Kia Picanto in mehrfacher Hinsicht positiv hervor – Warten auf eine höhere Motorisier­ung

- Von Dirk Grupe

Es ist der Moment, der kommen musste und der auch kommen sollte: Der Testfahrer kurvt auf der Suche nach einem Parkplatz durch die enge Innenstadt, da tut sich eine Miniaturlü­cke auf. Kurzes Überlegen, leichtes Bauchgrumm­eln – und die Idee eines Einparkver­suchs wird trotz der nur 3,6 Meter Länge des Kia Picanto verworfen. Nach einer erfolglose­n Runde durch die Stadt passiert der Fahrer erneut die Miniaturlü­cke – und versucht sein Glück. Siehe da, in einer einzigen Drehbewegu­ng flutscht der Kleine in den Spalt, als ob dieser nur für ihn geschaffen worden wäre.

Nun ist dies genau eine jener Kernanford­erungen, die an einen Kleinwagen gestellt werden. Nämlich die lästige Parkplatzs­uche etwas weniger lästig zu gestalten, indem sich die Zahl der infrage kommenden Flächen durch die Wagenmaße automatisc­h erhöht. Durch ein sehr gutes Handling in Kombinatio­n mit einer Heckkamera, deren Anschaffun­g sich allemal lohnt, löst der Picanto diese Aufgabe allerdings mit Bravour. Selbstrede­nd gibt es aber noch andere Anforderun­gen an ein Auto, etwa die Optik.

Würzig, auch in der Optik

Große Würfe im Design gehören bei Kleinwagen eher der Vergangenh­eit an oder bilden die Ausnahme, man denke an den Mini oder den Fiat 500, die in ihrer Weiterentw­icklung noch immer funktionie­ren. Die meisten Kleinwagen beschränke­n sich dagegen auf ihre Funktional­ität, bleiben schmucklos und versuchen erst gar nicht etwas darzustell­en, was sie vielleicht gar nicht sind. Andere wollen witzig rüberkomme­n, individuel­l oder auch spritzig. Zu welcher Kategorie der Kia zählt, verrät bereits der Name: Picanto, würzig.

Auffallend schon die Frontparti­e mit dem Kühlergril­l in typischer KiaOptik („Tigerschna­uze“) und einem großen Stoßfänger, was, gepaart mit herausgest­ellten Scheinwerf­ern, dem Wagen einen wuchtigen Auftritt verleiht. Das Heck fällt fast senkrecht ab, wird aber ebenfalls durch deutlich herausgest­ellte Rücklichte­r akzentuier­t. Selbstvers­tändlich ist Optik immer auch Geschmacks­sache. Bei allen Sonderheit­en lässt sich aber sagen, dass die Designer nicht übertriebe­n haben. Das Konzept wirkt am Ende schlüssig und auch harmonisch.

Die Botschaft hier, wie bei anderen Komponente­n, ist eindeutig: Der Kia Picanto will unter den Kleinwagen eine gehobene und auffallend­e Stellung einnehmen. Dieser Eindruck setzt sich im Inneren fort, und auch hier in positiver Hinsicht.

Der Hersteller spricht selber von einem „Raumwunder“, und wundersame­rweise möchte man gar nicht widersprec­hen. Die schmalen Ausmaße machen sich nicht bemerkbar, im Gegenteil, der Wagen wirkt innen größer, als er in Wirklichke­it ist, was unter anderem über genügend Kopffreihe­it und einen längeren Radstand als beim Vorgänger erreicht wird. Aber auch durch ein geschickte­s Design, wie die breite Ablagefläc­he über den Armaturen und die lang gezogene Frontschei­be beweisen.

So fühlt sich selbst ein Fahrer mit einer Körpergröß­e von 1,90 Metern und reichlich Hüftspeck nicht beengt. In diesem Fall sollte allerdings hinten niemand Platz nehmen, weil es den schlicht nicht gibt. Dort fühlen sich allenfalls Kleinkinde­r in ihren Spezialsit­zen noch wohl.

Das Kofferraum­angebot ist mit 255 Litern zwar ganz ordentlich, allerdings erschließt es sich erst durch einen doppelten Boden nach unten hin. So macht es dann doch Mühe, schon leicht sperriges Gepäck durch die schmale Öffnung zu bugsieren.

Pluspunkte sammelt der Picanto hingegen bei Ausstattun­g und den verarbeite­ten Materialie­n, die einen hochwertig­en und auch eleganten Eindruck hinterlass­en. Zukaufen lassen sich unter anderem eine Touchscree­n-Navigation, eine kabellose Ladeschale fürs Smartphone und Sicherheit­selemente wie ein Notbremsas­sistent mit Radarauge. Lederausst­attung, beheizbare Sitze sowie beheizbare­s Lenkrad stehen ebenfalls im Katalog. Dann steigt der Preis allerdings schnell und deutlich auf über 15 000 Euro.

Begrenzt ist bisher das Angebot bei der Motorisier­ung auf zwei Benziner, einen 1.0-Liter-Dreizylind­er mit 67 PS und einen Vierzylind­er mit 1,2 Litern und 84 PS. Getestet wurde der Vierzylind­er, der in der Innenstadt – dank gutem Handling, ausgewogen­em Fahrwerk und einem Wendekreis von nur knapp zehn Metern – einen feinen Eindruck hinterläss­t. An Zufahrten auf Bundesstra­ßen und Autobahnen oder auf anderen lang gestreckte­n Passagen oder an Steigungen, an denen der Fahrer kurz beschleuni­gen will, enttäuscht der Picanto aber etwas. Da will er nicht recht vom Fleck, da wirkt er nicht spritzig, da muss immer wieder einen Gang runtergesc­haltet werden, um auf Touren zu kommen. Einmal in Fahrt, ist er aber auch eine Option für die Langstreck­e.

Der Mangel wird nicht jeden Fahrer stören, mancher mag auch schon mit dem Dreizylind­er glücklich werden. Alle anderen wird die Nachricht freuen, dass Kia den Picanto ab Herbst mit einem Dreizylind­er als Turbo und mit 100 PS auflegen will. Da dürfte Pfeffer drin sein – bei einem Wagen, der seinem Namen schon jetzt Ehre macht.

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FOTOS: KIA „Tigerschna­uze“und großer Stoßfänger verschaffe­n dem Kia Picanto einen markanten Auftritt.
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Am Heck setzen die Rückleucht­en Akzente.

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