Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Sensation im Vorlauf

Gina Lückenkemp­er glänzt, verpasst aber das Finale

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- Gina Lückenkemp­er kämpfte, sie gab alles – doch am Ende reichte es für Deutschlan­ds neue Sprinthoff­nung nicht für das große Finale über 100 Meter. „Eine 10,95 kann man nicht jeden Tag laufen“, sagte die 20-Jährige nach ihrem Halbfinale lächelnd im ZDF, mit 11,16 Sekunden verpasste sie den Endlauf bei der WM in London (um neun Hundertste­l. Doch Lückenkemp­er konnte auch so strahlen. „Gestern hatte ich ja schon alles erreicht, was ich mir für die WM vorgenomme­n hatte: Unter elf Sekunden zu laufen und das Halbfinale. Alles andere wäre Zugabe gewesen. Ich hab ja zum Glück noch ein paar Jahre.“

Weltmeiste­rin wurde Tori Bowie (26) aus den USA in 10,85 Sekunden eine Hundertste­l vor Marie-Josee Ta Lou (Elfenbeink­üste) und der Holländeri­n Dafne Schippers (10,96).

Zu welchen Zeiten Lückenkemp­er fähig ist, zeigte sie im Vorlauf. 10,95, erstmals die Schallmaue­r von elf Sekunden geknackt. Und das auf der großen Bühne und in einem Lauf, der noch nicht perfekt war. Gelingt ihr der und ist der Rückenwind noch stärker als die 1,3 Meter am Samstag, ist womöglich sogar eine 10,85 drin. „Es war einfach ein geiler Lauf“, sagte Lückenkemp­er, nachdem sie ihre Bestleistu­ng der DM in Erfurt um sechs Hundertste­l verbessert hatte. „Es hat sich dort schon angedeutet, dass es möglich ist. Ich habe mir gesagt, diesmal rennst du auch im Vorlauf durch“, sagte die Dortmunder­in: „Damit du es endlich schaffst.“Als letzte Deutsche war die später gedopte Katrin Krabbe bei ihrem WM-Titel 1991 unter elf Sekunden geblieben, als sie 10,91 im Halbfinale (10,99 im Finale) sprintete.

Lückenkemp­er gilt als riesiges Talent, im Vorjahr holte sie bei der EM in Amsterdam Bronze. Die Blondine genießt die Aufmerksam­keit, redet gerne und viel, wie auf der Bahn ist sie auch mit ihrem Mundwerk schnell. Gerne kokettiert die Wirtschaft­spsycholog­ie-Studentin auch damit, dass sie vor einem Rennen schon einmal eine Bratwurst vertilgt oder, wie sie im Sportstudi­o verriet, an einer Batterie leckt. „Wir sprechen das Nervensyst­em im Gehirn damit an“, sagte sie.

In London erfüllte sich Lückenkemp­er einen Traum. „Mich freut das unfassbar, da ich gerade heute morgen im Netz nochmal gelesen habe, dass Leute daran gezweifelt haben, dass ich das kann“, sagte Lückenkemp­er: „Daher bin ich umso glückliche­r, denen gezeigt zu haben: Ätsch, ihr Lieben, ich kann das doch, ich kann sehr wohl. Ich wusste, dass es in mir steckt, mein Coach wusste, dass es in mir steckt. Es ist unbeschrei­blich schön, dass es jetzt geklappt hat.“

Dieses Zeichen gesetzt zu haben, war Lückenkemp­er besonders wichtig. Die schnellen Läuferinne­n und Läufer des DLV hatten in den vergangene­n Jahren eher enttäuscht, Julian Reus war erst am Freitag über 100 Meter nach 10,25 Sekunden im Vorlauf gescheiter­t. „Deutscher Sprint ist geil, deutscher Sprint kann auch was“, stellte Lückenkemp­er jetzt fest. Mit ihren 10,95 Sekunden liegt sie nun auf Platz sechs der ewigen deutschen Bestenlist­e. Alle fünf vor ihr liefen in den 80er Jahren im DDR-Trikot, und nicht alle dürften sauber gewesen sein.

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FOTO: DPA Fassungslo­s nach ihren 10,95 Sekunden: Gina Lückenkemp­er.

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