Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Kreative Auszeit in entspannter Atmosphäre
Mariaberger Sommerkunstwoche verzeichnet 150 Teilnehmer
MARIABERG (sz) - Das Wasser zischt und brodelt, als Hardy Zürn seine Gussform zum Auskühlen in den Bottich legt. Nach und nach löst sich der Mantel aus Gips und Sand und färbt das Wasser grau. Am liebsten würde Zürn seine neue Bronzeplastik sofort aus der Wanne fischen. Aber er muss sich gedulden, denn das bei 1300 Grad Celsius verflüssigte Metall ist noch viel zu heiß zum Anfassen.
„Das ist schon eine unheimliche Anspannung“, gesteht der Mann aus dem Remstal. Nach einer gefühlten kleinen Ewigkeit präsentiert Zürn stolz das Ergebnis: Eine Brezel aus Bronze. „Man kann sogar die Details erkennen“, freut er sich über den gelungenen Guss.
Der experimentelle Bronzeguss, angeleitet von Hanns-Martin Wagner und Annelie Bialek, ist nur einer von insgesamt 13 Workshops, die bei der Mariaberger Sommerkunstwoche angeboten werden. Das kreative Spektrum reicht von Land-Art über großformatige oder experimentelle Malerei, Holzbildhauerei, Fotografie, skulpturales Arbeiten in Ton bis hin zur Graffiti-Kunst. Auch für Kinder gibt es ein vielfältiges MitmachAngebot. Über 150 Teilnehmer, mehr als in den Jahren zuvor, haben die erste Ferienwoche für eine kreative, entspannte Auszeit in Mariaberg genutzt.
Für den Mariaberger Vorstand Rüdiger Böhm ist die Sommerkunstwoche „die schönste Woche in unserem Jahreskreis“. Die fünftägige Veranstaltung ermögliche eine intensive Begegnung von Menschen unterschiedlichster Herkunft - egal, ob mit oder ohne Behinderung. „Wir haben noch nie so viele Teilnehmer mit Handicaps dabeigehabt, das ist jetzt richtig inklusiv“, sagt er und freut sich. „Hier herrscht eine Atmosphäre gegenseitiger Wertschätzung und Achtung.“
In der Mariaberger Gärtnerei ist eine zwölf Meter lange Mauer für die Graffiti-Künstler reserviert. Unter Anleitung der beiden Street-ArtKünstler Florian Kaiser und Moritz Bader sprayen die Jugendlichen stylische Schriftzeichen und Symbole. Schicht um Schicht nimmt das überwiegend in Blautönen gehaltene Wandbild im Laufe der Woche Gestalt an. Oleksandr Reznytsky, der in der diakonischen Einrichtung lebt, ist froh über die kreative Abwechslung: „Sprayen ohne Ende, gute Leute, gutes Wetter und eine tolle Anleitung“, weiß er das Angebot zu schätzen.
Uli Häfele und seine Familie sind inzwischen Stammgäste bei der Sommerkunstwoche. Der Manager aus Stuttgart hat sich diesmal für den Kurs Wandern und Zeichnen mit Wolfgang Wiebe entschieden. „Das ist eine Woche Urlaub, in der ich mich völlig zweckfrei mit Dingen beschäftigen kann, für die ich sonst keine Zeit habe“, sagt Häfele.
Eva Pisana ist aus der Schweiz angereist, um am Workshop Skulpturales Arbeiten in Ton mit Kassandra Becker teilzunehmen. Sie habe im Internet nach einem passenden Ferienkurs gesucht, sagt die Thurgauerin. Sowohl die Örtlichkeit hier in Mariaberg, als auch das künstlerische Werk der Kursleiterin hätten sie fasziniert.
Das künstlerische Arbeiten unter Anleitung erfahrener Künstler ist ein Aspekt der Mariaberger Sommerkunstwoche. Aber genauso wichtig ist die Begegnung von Mensch zu Mensch. Dazu gibt es während der fünf Tage ebenfalls reichlich Gelegenheit. Zum Rahmenprogramm gehören Filmabend, Führung durch die Klosterkirche, ein Konzert mit der Stuttgarter A-cappella-Band „Pepper and Salt“sowie Puppentheater für Kinder.
Zum Abschluss der Sommerkunstwoche versammeln sich die 150 Kursteilnehmer und zahlreiche Gäste im Klosterhof. Zum Ausklang gibt es einen gemeinsamen Rundgang zu den überall auf dem Gelände ausgestellten Kunstwerken.