Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Büschel symbolisieren die Dankbarkeit
Frauen treffen sich im Kindergarten St. Maria und binden traditionell die Kräuter
MENGEN - Mariä Himmelfahrt wird am morgigen Dienstag gefeiert. Es ist ein kirchliches Fest, das früher groß zelebriert wurde. Es war Feiertag, man ging in den Gottesdienst und ließ den Kräuterbüschel weihen. Mariä Himmelfahrt ist in BadenWürttemberg kein Feiertag mehr. Doch bleibt der Brauch der Kräuterbüschel von der katholischen Kirchengemeinde erhalten, indem eine große Gruppe ehrenamtlicher Frauen Kräuterbüschel bindet, beim Sonntagsgottesdienst weihen lässt und anschließen verkauft oder gegen eine Spende abgibt. Dieses Projekt ist eine Kooperation von der katholischen Kirchengemeinde und dem katholischen Kindergarten Sankt Maria. „Der Kindergarten bekommt den Erlös dieser Aktion“, sagten Klara Schlieske, zweite Vorsitzende des Kirchengemeinderats und Birgit Reck, Leiterin des Kindergartens am Samstag. Das Geld wird im neuen Schuljahr für die Kinder eingesetzt.
Erzieherinnen, Mütter und Frauen der Kirchengemeinde haben am Samstagmorgen fast 100 Kräuterbüschel gebunden. Im Kindergarten stand ein sehr langer Tisch. Er war übervoll mit Sonnenblumen, Königskerzen, Flochs, Schafgarben, Dahlien und Zinnien, gelbe Rüben und Zwiebeln mit dem grünen Kraut, gelben Weizen und Gerste. Auf einem Nebentisch lagen Berge von Heilkräutern wie Pfefferminze, Salbei, Frauenmantel, Wermut, Basilikum, Zitronenmelisse, Johanniskraut, Thymian und Lavendel. Blumen und Heilkräuter verströmten einen betörenden Duft. Es war, als ob die ganze Fülle der Natur, der Gärten und Äcker in diesem Raum gebündelt worden wäre.
Königskerze gehört hinein
Jede Frau hatte eine Schere in der Hand, suchte Kräuter, Blumen und Karotten aus und band sie zu stattlichen Kräuterbüschel zusammen. Man hörte und spürte die Begeisterung. „Ich brauche noch Johanniskraut“, hörte man eine Stimme sagen. „Die Königskerze ist ganz wichtig und gehört in den Büschel hinein“, sagte eine andere Stimme. Um den Kräuterbüschel ranken sich viele Geschichten. Es sei ein katholischer Brauch, sagten die Frauen. Entstanden ist er aus der Legende über den Tod Marias: Als die Jünger den Sarg geöffnet haben, war Marias Leichnam nicht mehr drin. Sie war auferstanden. Aus dem Sarg drang aber ein wunderbarer Duft nach Blumen und Kräutern, berichtet die Legende. Aus dieser Erinnerung werden zu Mariä Himmelfahrt Kräuterbüschel gebunden und geweiht.
Büschel wird im Haus verwahrt
Die Kräuterbüschel symbolisieren auch die Dankbarkeit: Am Höhepunkt des Sommers stehen die Gärten in voller Pracht. „Wir wollen Gott für das, was er alles wachsen lässt, danken“, sagte eine junge Bäuerin. Und der Kräuterbüschel wird im Haus aufbewahrt, weil von ihm ein Schutz ausgehe. „Die Kräuter sind gut für Körper und Seele“, erklärte eine Frau. Die Königskerze werde auch Wetterkerze genannt, weil sie gegen Blitzeinschlag schütze.
Seit fast zehn Jahren treffen sich die Frauen im Kindergarten Sankt Maria, um diese Kräuterbüschel zu binden. Die Idee sei aus einem Gespräch entstanden, so Klara Schlieske. „Wir haben über Traditionen gesprochen und merkten, dass nicht alle wissen, was ein Kräuterbüschel ist“, erinnerte sich die zweite Vorsitzende des Kirchgemeinderats. Dann haben die Frauen beschlossen, solche Büschel zu binden, weihen zu lassen und zu verkaufen. In den Jahreskreis des Kindergartens passt die Aktion gut, weil sie immer am ersten Ferientag stattfindet. Da sind alle Erzieherinnen noch da und können mit den Frauen der Kirchengemeinde zusammenarbeiten.
Die Kräuterbüschel werden immer stärker nachgefragt. „Jedes Jahr machen wir mehr Kräuterbüschel und jedes Jahr gehen sie aus“, sagte Schlieske. Der Bedarf ist da. Nicht alle Bürger haben einen Garten, oder denken daran, rechtzeitig den Kräuterbüschel zu binden. Viele ältere Bürger möchten einen Kräuterbüschel haben, doch fehlt ihnen die Kraft, die Kräuter und Blumen zusammenzusuchen. Früher gab es in jedem Bauerngarten die Zutaten für den Kräuterbüschel. Diese Gärten gibt es nur noch selten. So mischt sich eine Art Wehmut in diese Tradition und macht sie noch wertvoller.
Um die vielen Blumen, Heilkräuter und Gemüse zusammenzutragen, beginnen die Frauen schon am Vortag. Freitagabend und Samstagmorgen holen sie Kräuter in Gärten und von Reinen, von Äckern und Waldrändern. Unglaubliche Mengen kommen zusammen. Die Tische sind übervoll. Diese Fülle beflügelt die Frauen in ihrer Arbeit. Und man spürt, der Erhalt der Tradition verbindet sie.