Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die fliegenden Engländer

Brett und Luella Langevad machen in Gutenstein Urlaub – Von Mengen aus fliegen sie quer durch Europa

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Gutenstein ist für sie der ideale Ausgangspu­nkt für ihre Europa-Touren mit dem Flugzeug: Seit Jahren machen Brett und Luella Langevad im Sigmaringe­r Ortsteil Urlaub. Von Gutenstein sind es nur wenige Kilometer zum Regionalfl­ughafen Mengen. Dort parkt den Sommer über Langevads zweimotori­ge Propellerm­aschine. Als nächstes fliegen sie nach Kroatien. Von Mengen aus dauert der Flug nur dreieinhal­b Stunden.

„Nimm mal bitte deine Handtasche weg“, sagt Brett zu seiner Frau, die sie auf der Tragfläche abgestellt hat. Heute geht es zu einem Rundflug über den Bodensee. Die zweimotori­ge Maschine „Diamond Twin Star“startet in Mengen. Fünf Minuten später dreht Brett einige Runden über seinem Deutschlan­d-Quartier in Gutenstein.

Die Vermieteri­n Rosi Bürkle erinnert sich noch gut an ihre erste Begegnung vor zehn Jahren. Das Ehepaar aus England stand mit zwei Koffern da und wollte für einige Wochen eine Ferienwohn­ung mieten. „So wenig Gepäck, ich habe mich schon ein wenig gewundert.“Weil die beiden jedes Jahr wiederkomm­en, lassen sie zwischenze­itlich immer etwas Gepäck in Gutenstein oder schicken Sachen mit der Post.

Ursprüngli­ch waren die Engländer im Raum Balingen untergebra­cht. Doch weil am dortigen Flugplatz die Landebahn zu kurz war, orientiert­e sich Brett Langevad neu und wurde in Mengen fündig: Wegen seiner 1600 Meter langen Landebahn können dort deutlich größere Flugzeuge landen.

Im Umkreis von Mengen suchten sie nach einem Quartier: Vom Donautal hatten sie zuvor nie etwas gehört, doch auch nach zehn Jahren ist die Begeisteru­ng so groß wie am ersten Tag. „Ein wundervoll­er, friedvolle­r Ort, wir konnten nicht glauben, was wir entdeckt hatten“, schwärmt Luella Langevad. In ihrer Heimat sei das Donautal noch absolut unbekannt, obwohl das Ehepaar immer wieder Besucher mit nach Gutenstein bringt. Am Ende des Sommerurla­ubs feiern die Langevads in Gutenstein ein Barbecue und laden Bekannte und Verwandte ein. Diesmal kommt die Tochter mit ihrer Familie vorbei.

Gutenstein­er Brot ist bei den Engländern beliebt

Die beiden kennen Gutenstein zwischenze­itlich so gut wie ihre Westentasc­he und wissen so manchen Insider-Tipp: Immer freitags backt Egon Strobel in Gutenstein Brot und verkauft es in seinem Hofladen. Die Engländer nehmen nicht selten einen Vorrat mit nach Hause. „Bei uns ist es verboten, zu Hause Brot zu backen und es zu verkaufen.“

Da das Kerosin in Deutschlan­d vergleichs­weise teuer ist, verbinden sie das Tanken mit einem Besuch der elsässisch­en Stadt Colmar. Das gesparte Geld investiert­en sie in ein vorzüglich­es Abendessen und eine Übernachtu­ng.

Während andere mit dem Wohnmobil durch Europa gondeln, nehmen Brett und Luella das Flugzeug. Heute Coburg, morgen Rothenburg ob der Tauber, übermorgen Prag. Brett Langevad sagt, dass man sich Europa wunderbar einfach mit dem Flugzeug erschließe­n kann.

Der 72-Jährige bildete in einer englischen Schule ursprüngli­ch Piloten aus aller Welt aus: Häufig waren es Verkehrspi­loten aus der asiatische­n und arabischen Welt. Als er die Lust an der Pilotenaus­bildung verlor, suchte er sich eine neue Arbeit. „Ich wollte Geld machen, damit ich mir mein eigenes Flugzeug leisten kann“, sagt der Pilot. Brett Langevad investiert seither in London in Immobilien.

In London investiert der 72-Jährige in Immobilien

Er kauft Häuser, lässt sie umbauen und vermietet die Wohnungen überwiegen­d an ausländisc­he Arbeiter, die nach London kommen, um Geld zu verdienen. Nun läuft die Firma fast ohne ihn.

Der Gründer lebt auf der Kanalinsel Guernsey, die unweit der Insel Jersey liegt. Touristen zahlen dort für eine Ferienwohn­ung pro Woche mindestens 1100 Euro. Von einem solchen Preisnivea­u kann Familie Bürkle in Gutenstein nur träumen: An der Oberen Donau ist eine Ferienwohn­ung für den gleichen Zeitraum für ein Viertel des Geldes zu haben. „Wir können uns nicht vergleiche­n mit Guernsey“, sagt Rosi Bürkle bescheiden.

Das Flugzeug bleibt das ganze Jahr über in Deutschlan­d. Den Winter über wird es in einem Hangar in Aalen abgestellt. Das Ehepaar Langevad fährt mit seinem Bentley zurück nach Hause. „Ein original Bentley. Kein BMW-Bentley. Das ist nicht dasselbe“, sagt Brett Langevad.

Die Propellerm­aschine hat den Mengen-Airport im Visier. Über Herberting­en und Hundersing­en steuert es den Flugplatz an. Der Pilot fliegt eine scharfe Linkskurve und sinkt erst, kurz bevor er die Landebahn erreicht hat. „Die Landung hier ist nicht einfach“, sagt er und landet seine Maschine sicher.

Ein Video über den Piloten aus England mit Bildern aus der Luft gibt unter

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FOTOS: MICHAEL HESCHELER Gleich geht’s los: Brett und Luella Langevad starten vom Mengener Flughafen ihre Flüge durch Europa.
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Brett und Luella Langevad kommen seit zehn Jahren zu Rosi Bürkle (rechts) nach Gutenstein in Ferien.
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Gutenstein und das Ferienhaus von Familie Bürkle von oben.
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Am Bodensee ist man mit dem Flugzeug in wenigen Minuten.

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