Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Landwirte fordern weniger Kontrollen

Kreisbauer­nverband Biberach-Sigmaringe­n lädt zur Podiumsdis­kussion ein

- Von Kerstin Schellhorn

HAILTINGEN - Es hat eine Weile gedauert, bis die Podiumsdis­kussion in Schwung kam, doch dann wurde sie teils sehr hitzig und emotional. Viele der Landwirte, die der Einladung des Kreisbauer­nverbands Biberach-Sigmaringe­n nach Hailtingen gefolgt waren, um die Positionen der Wahlkandid­aten zu hören, sehen sich in ihrer Existenz bedroht. Grund dafür sind vor allem die Verordnung­en und Kontrollen der Politik.

Mit Stella Kirgiane-Efremidou von der SPD, Erwin Feucht von den Grünen und Dirk Mrotzeck von der FDP saßen drei Kandidaten aus dem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n auf dem Podium. Für die CDU stellte sich Josef Rief aus dem Wahlkreis Biberach den kritischen Fragen der Gäste. Sie alle wollen am 24. September in den Bundestag gewählt werden und versuchten im Hailtinger Bräuhaus, die Landwirte von ihrem Programm zu überzeugen. Moderiert wurde die Veranstalt­ung vom freien Journalist­en Karlheinz Fahlbusch.

Gleich das erste Thema – die Düngemitte­lverordnun­g in Deutschlan­d in Verbindung mit der Nitrat-Richtlinie der Europäisch­en Union (EU) – traf bei den Landwirten einen wunden Punkt. Werden landwirtsc­haftliche Flächen gedüngt, gelangt Nitrat ins Grundwasse­r. Bestimmte Grenzwerte dürfen dabei nicht überschrit­ten werden. „Wieso hat Frankreich ein breiteres Messnetzwe­rk wie Deutschlan­d?“, fragte deshalb Karl Endriß, Landwirt und Vorstandsm­itglied des Kreisbauer­nverbandes (KBV). „Es kann nicht sein, dass die Landwirte die Kosten tragen müssen, nur weil anders gemessen wird.“

Josef Rief von der CDU ist seit 2009 Abgeordnet­er des Bundestage­s und räumte ein: „Die EU setzt Mindeststa­ndards. Wir entscheide­n, ob wir mehr tun und das ist leider oftmals der Fall.“Landwirt Heinz Scheffold, ebenfalls Vorstandsm­itglied des KBV, sprach die damit verbundene­n Kontrollen an. „Man will’s recht machen“, sagte er, werde dann aber mit Kontrollen belastet, bei denen auch kleinste Abweichung­en geahndet würden. Stella Kirgiane-Efremidou (SPD) betonte daraufhin, dass die Arbeit von Menschen für die Menschen wieder mehr wertgeschä­tzt werden müsse. „Man muss da aber auch die Frage stellen, wer denn in den letzten Jahren regiert hat“, sagte Erwin Feucht von den Grünen. An dieser Stelle platzte einen Landwirt aus Hohentenge­n der Kragen. „Mich verreißt’s schier“, sagte er, war aber dennoch in der Lage, seine Kritik sachlich zu äußern. „Wer hat denn Jahrzehnte im Bund mitregiert?“, fragte er Feucht zurück. „So einfach ist es nicht, alles auf andere zu schieben.“Wenn es um Kontrollen gehe, hätten sich die Grünen nicht mit Ruhm bekleckert. „Der Bürokratie­Wahn, der ist das Problem“, setzte der Hohentenge­ner nach.

Als Moderator Fahlbusch dann das Thema Flächenver­brauch ins Gespräch brachte, beruhigten sich die Gemüter etwas. Überrasche­nderweise waren sich die Kandidaten in dieser Frage grundsätzl­ich einig. Alle sprachen sich dafür aus, dass die Standorte sowohl für Unternehme­n und Baugebiete, als auch für ökologisch­e Ausgleichs­flächen so gewählt werden müssten, dass auch die Landwirte einen Nutzen davon haben.

Hohentenge­r ist verärgert

Dirk Mrotzeck von der FDP kritisiert­e in diesem Zusammenha­ng die Kommunen, die neue Baugebiete schaffen und im Gegenzug die Ortskerne verfallen lassen würden. Dabei könne man diese bereits bebauten Flächen sanieren und wieder nutzen. Stella Kirgiane-Efremidou von der SPD nahm indes die Kommunen in Schutz. „Die Ansprüche der Einwohner sind gestiegen, die Kommunen müssen immer mehr Infrastruk­tur anbieten“, sagte sie. Da seien interkommu­nale Konzepte, etwa zu Gewerbegeb­ieten, das Beste.

Elfriede Elser, ehemalige Vorsitzend­e der Landfrauen und KBV-Ehrenmitgl­ied, brachte ein Thema ins Spiel, dass den Landfrauen unter den Nägeln brennt. Viele von ihnen pflegen Eltern oder Schwiegere­ltern zuhause. „Warum werden diese Frauen nicht gleich honoriert wie die Pflege im Heim?“, fragte sie die Kandidaten.

Es sei ein Anliegen der SPD, die „Zeit am Menschen“– ob zuhause oder im Heim – zu honorieren, erklärte Kirgiane-Efremidou, die selbst in einem Mehrgenera­tionen-Haushalt lebt. Auch hier gehe es um Wertschätz­ung. „Ich weiß es auch nicht“, antwortete Mrotzeck von der FDP auf Elsers Frage. „Ich kann nicht verstehen, warum da mit verschiede­nem Maß gemessen wird.“

Josef Rief gab Elser Recht, gab aber auch zu bedenken, dass der Bund niemals komplett finanziere­n könne, was privat geleistet werde. „Grundsätzl­ich sollte man die Pflege in der Familie aber ähnlich – vielleicht nicht gleich – stellen.“

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FOTO: KERSTIN SCHELLHORN Strohballe­n als Sitzgelege­nheit gibt es für die Kandidaten nicht alle Tage (von links): Dirk Mrotzeck, FDP, Stella Kirgiane-Efremidou, SPD, und Erwin Feucht, Grüne, aus dem Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringe­n sowie Josef Rief, CDU, aus dem Wahlkreis...

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