Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Eine Aufgabe für Jahrhunderte
Renaturierung des Wurzacher Rieds braucht Geduld
BAD WURZACH (sl) - Eine auf viele Jahrhunderte angelegte Aufgabe ist die Wiederherstellung des Wurzacher Rieds da, wo der Mensch die Moorlandschaft durch 200 Jahre Torfabbau nachhaltig beeinflusst hat.
In dem industriellen Abbaugebiet wurde damals die Landschaft trockengelegt, um an das begehrte Torf zu gelangen. Seit mehr als 20 Jahren wird dies nun versucht, rückgängig zu machen. Statt Wasser herauszuziehen, wird wiedervernässt. Derzeit läuft dazu ein Pilotprojekt des Landes. Die Maßnahme ist auch wegen des Klimaschutzes wichtig. Denn ein intaktes Moorgebiet bindet Kohlendioxid. Wird es trockengelegt, wie dies durch den Torfabbau geschah, gelangt dieser Kohlenstoff in die Luft. Rund 32 000 Tonnen waren es jährlich zum Ende des Abbaus Anfang der 1990er-Jahre. Durch die Wiedervernässung sei der Ausstoß bereits auf 16 000 Tonnen zurückgefahren worden, sagt Horst Weisser, der Leiter des Naturschutzzentrums Wurzacher Ried (NAZ). Doch nicht nur Klimaschutz, auch der Tier- und der Pflanzenschutz spielen eine große Rolle bei der Renaturierung der rund 200 Hektar großen Fläche. Tausende Tier- und Pflanzenarten sind im Ried zu Hause, viele davon sind streng geschützt, weil vom Aussterben bedroht.
„Natur muss mitkommen“
Seit Beginn der Arbeiten im Ried erobert sich die Natur zentimeterweise das Gebiet zurück. Der Mensch hilft dabei mit, versucht aber, so wenig wie möglich einzugreifen. „Die Natur muss mitkommen. Was in
200 Jahren Torfabbau angerichtet wurde, kann nicht in 20 oder 30 Jahren repariert werden“, sagt Weisser. Hunderte, ja Tausende Jahre werde es dauern, so der Experte, bis es hier wieder so aussieht wie vor Beginn des Torfabbaus, der um 1750 herum in kleinem Ausmaß begann, Ende des 19. Jahrhunderts industrielle Ausmaße annahm und in den 1990er-Jahren endgültig beendet wurde. Weisser sagt dies auch unter dem Vorbehalt, dass niemand weiß, wie die Natur in der jetzigen Ära der Erdgeschichte funktioniert. Ob sich alles so entwickelt, wie es zur Entstehungszeit des Rieds nach der bislang letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren der Fall war, könne keiner absehen.
Sicher ist aber, dass Geduld gefragt ist, viel Geduld. Und ebenso klar ist, dass das Projekt der MoorRenaturierung im Ried auch viel Geld kostet. Geld, das zu Beginn der Maßnahme der Bund bereitwillig gab und heutzutage das Land noch gibt. Froh ist Weisser daher stets, wenn sich Landesvertreter und -politiker fürs Wurzacher Ried interessieren. Viel Zeit nahm sich der Leiter des Naturschutzzentrums daher dieser Tage zum einen für einen Vertreter des Regierungspräsidiums und zum anderen für die Landtagsabgeordnete Petra Krebs (Bündnis 90/ Die Grünen), die sich ein Bild vor Ort machen wollten. Krebs, die von der grünen Bundestagskandidatin Anja Reinalter begleitet wurde, führte Weisser dabei zunächst durch die Erlebnisausstellung Moor Extrem. Die vielschichtigen ökologischen Zusammenhänge innerhalb einer Moorlandschaft werden dort verständlich dargestellt. Die Ausstellung fährt dabei zweigleisig, indem sie für Erwachsene und für Kinder jeweils eigene Erklärstücke bereithält.
Anschließend ging Weisser mit seinen Gästen auf eine Stippvisite ins Oberschwäbische Torfmuseum vor den Toren des Rieds. Das sei in seiner Art einzigartig, lobte der NAZLeiter die ausschließlich ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder des Heimatund Kulturvereins Wurzen. Das Museum zeichne sich besonders dadurch aus, dass es, so Weisser, „die Kulturgeschichte des kleinen Mannes“darstellt. Nach dem kurzen Museumsrundgang ging es mit dem Torfbähnle ins ehemalige Torfabbaugebiet hinein. Das Ried umfasst einschließlich der 200 Hektar ehemaligen Torfabbaugebiets insgesamt rund 1800 Hektar. Es ist damit das größte intakte Hochmoor Mitteleuropas. Das Ried ist seit 1989 mit dem Europadiplom des Europarates ausgezeichnet.