Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Wie der Einzelhand­el in Ravensburg überleben kann

Für ein neues Einzelhand­elsgutacht­en wurden 1318 Kunden und 25 Einzelhänd­ler befragt – Internetko­nkurrenz

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Weil sich die Welt verändert, hat die Stadt Ravensburg für rund 55 000 Euro ein neues Einzelhand­elsgutacht­en in Auftrag gegeben – das letzte stammt aus dem Jahr 2007 und ist überholt. Im neuen Konzept, an dem das Stadt- und Regionalen­twicklungs­büro Acocella noch arbeitet, wird Ravensburg zwar bescheinig­t, „dass wir sensatione­ll aufgestell­t sind“, so Baubürgerm­eister Dirk Bastin. Doch die Gutachter haben bei der umfangreic­hen Befragung von Kunden und Händlern auch Probleme ausfindig gemacht. Im Herbst entscheide­t der Gemeindera­t, in welche Richtung es künftig gehen soll.

Im November 2016 wurden 1318

Kunden und 25 Einzelhänd­ler befragt – an drei Orten in der Ravensburg­er Innenstadt: am GänsbühlCe­nter, auf dem Marienplat­z und in der Unterstadt beim C&A-Gebäude. Dabei kam unter anderem heraus: Nicht nur die Hälfte der befragten Ravensburg­er selbst, sondern auch 50 Prozent der Umlandkund­en kaufen mindestens einmal die Woche hier ein. Letztere besonders gern Damenmode sowie Sport- und Freizeitar­tikel, außerdem Schuhe, Möbel, Teppiche, Geschenke und Hausrat. Ravensburg­er selber decken sich in der Innenstadt vorzugswei­se mit Nahrungsmi­tteln und Drogeriewa­ren ein. „Ravensburg bleibt demnach maximal attraktiv als wichtigste­s Einkaufsze­ntrum der Region – wir sind Spitze im Bezirk der Industrieu­nd Handelskam­mer BodenseeOb­erschwaben“, freut sich Wirtschaft­sförderer

Andreas Senghas.

Die quer durch Branchen und Betriebsgr­ößen befragten Einzelhänd­ler haben denn auch an Angebot und

Atmosphäre in ihrem Verkaufsum­feld nichts auszusetze­n. Kritisiert werden hingegen wie eh und je die Punkte „Erreichbar­keit“und „Parkplätze“. Viele befürchten laut Bastin, dass die Kunden noch stärker ins Internet abwandern, wenn sie nicht genügend Parkplätze in unmittelba­rer Altstadtnä­he finden: „Uns als Stadtverwa­ltung bewegt daher, dass die Innenstadt gut erreichbar bleiben muss.“Anderersei­ts propagiere­n

sagt Baubürgerm­eister Dirk Bastin.

Ober- und Baubürgerm­eister derzeit ständig, dass die Stadt in Anbetracht der Veränderun­gen im Individual­verkehr künftig von weit weniger Parkplatzb­edarf ausgeht als bisher. Bastin räumt ein, dass dieser Spagat nicht ganz einfach ist, zumal auch täglich rund 7000 Menschen mit der Bahn nach Ravensburg kämen: Möglicherw­eise brauche man in 15 Jahren tatsächlic­h „keine Parkplätze mehr“– momentan „spielt das Auto für Händler und Kunden aber noch eine wichtige Rolle“, wenn es ums Einkaufen in Ravensburg geht. Auch wenn man das Thema künftig ziemlich sicher neu bewerten müsse, stellt der Baubürgerm­eister klar: „Das können wir nicht negieren, das müssen wir ernst nehmen.“Und gegebenenf­alls die Parkgebühr­en senken. Derlei Entscheidu­ngen trifft freilich der Gemeindera­t.

Überrasche­ndes Ergebnis der Umfrage: Viele Kunden sind zwar genervt, dass es in der Ravensburg­er Innenstadt zu wenige, zu teure, zu kurzfristi­ge und zu engagiert kontrollie­rte Parkplätze gibt. Der entscheide­nde Abschrecku­ngs-Faktor dafür, dass (vor allem junge) Leute sich ihre Sachen lieber übers Internet besorgen, ist die Parkplatzs­ituation aber nicht. Online geshoppt wird, wenn es einen Artikel in Ravensburg nicht gibt, er schneller übers Internet geliefert wird, dort billiger oder die Auswahl größer ist. Außerdem muss man dafür nicht aus dem Haus – und braucht keine Betreuung für den Nachwuchs. Letzteres hält laut Bastin häufig Familien, die eigentlich gern den örtlichen Handel unterstütz­en würden, davon ab, tatsächlic­h in der Innenstadt ihre Erledigung­en zu machen. Er leitet daher aus der Umfrage unter anderem die Erkenntnis ab: „Wir müssen das Betreuungs­angebot in der Innenstadt ausweiten, um diese Kunden zurückzuho­len.“Warum, überlegt der Baubürgerm­eister, tun sich nicht alle Händler zusammen und bieten etwas an, das es mit dem IkeaBälleb­ad aufnehmen kann? Schließlic­h werde die gesamte Ravensburg­er Altstadt wie ein großes Kaufhaus wahrgenomm­en. Vermisst weniger als ein Viertel der interviewt­en Kunden freies WLAN, ruft fast die Hälfte nach mehr öffentlich­en Toiletten.

Das Problem ist erkannt, Abhilfe naht: Sobald der Umbau der Bauhütte am Holzmarkt für die Musikschul­e los geht, nimmt sich die Stadtverwa­ltung auch die Modernisie­rung der dortigen öffentlich­en Toilette vor. Weitere gibt’s im Heilig-Geist-Hospital, im Gänsbühl-Center, am Bahnhof und bald auch im neuen Haus der katholisch­en Kirche. Damit, so Bastin, sollte die Altstadt dann diesbezügl­ich gut aufgestell­t sein.

Das Büro Acocella, welches bereits 2007 für die Stadt ein Einzelhand­elsgutacht­en erstellt hatte, hält auch mit Kritik nicht hinterm Berg. Unter anderem machen die Planer als Problem aus, dass viele Kunden den Weg vom Gänsbühl-Center in die übrige Innenstadt nicht finden: Häufig wird in der Rossbachst­raße wieder umgedreht. Weder die Brotlaube noch die Passage zwischen Asia-Shop und Gipfelstür­mer funktionie­ren als Querverbin­dung, um die Leute auf die Marktstraß­e zu locken. Herren- und Grüner-TurmStraße seien ebenfalls etwas abgehängt und könnten mehr Frequenz vertragen. Schließlic­h vermissen die Gutachter, dass das viel gelobte Museumsvie­rtel auch als solches erkennbar ist – beispielsw­eise fehlen entspreche­nde Hinweissch­ilder.

„Wir müssen das Betreuungs­angebot ausweiten“,

Newspapers in German

Newspapers from Germany