Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Mengens erstes Gewerbegeb­iet ist eine Ziegelei

Sören Frommer schreibt im Bericht der archäologi­schen Ausgrabung­en in Baden-Württember­g über Mengen

- Von Vera Romeu

MENGEN - Die ersten wissenscha­ftlichen Ergebnisse über die Grabungen des vergangene­n Jahres auf dem Areal zwischen Wilhelmite­nkloster und Meßkircher Tor in der Oberstadt sind eben im Bericht der „archäologi­schen Ausgrabung­en in Baden-Württember­g“im Theis Verlag erschienen. Archäologe Sören Frommer, der mit seinem Team an der Hauptstraß­e, an der jetzt die Zieglersch­en das neue Seniorenze­ntrum errichten, gegraben hatte, schreibt in seinem Bericht an der Stadtgesch­ichte weiter: Demnach lag das erste Mengener Gewerbegeb­iet – eine Ziegelei – auf diesem 1400 Quadratmet­er großen Areal.

Besiedelt war dieser Bereich aber schon in der keltischen Epoche, im ersten Jahrtausen­d vor Christus. Im 12. Jahrhunder­t führte ungefähr an der Stelle der heutigen Hauptstraß­e die in der Stauferzei­t häufig genutzte „Königsstra­ße“in Richtung Schaffhaus­en und Konstanz. Das mittelalte­rliche Mengen und das Gewerbegeb­iet waren also gut an die Fernstraße angebunden.

Auf dem Areal sind interessan­te Funde gemacht worden. Ungeklärt bleibt die Entdeckung einer doppelten Mauer aus dem 12. Jahrhunder­t, einer gewaltigen Großgrube mit steilen Wänden, die aber kurz nach Baubeginn wieder verfüllt wurde. Frommer vermutet hier ein Großbaupro­jekt, das in einem frühen Stadium aufgegeben wurde, weil die Grube mit fundfreiem Oberboden verfüllt worden ist. Frommer mutmaßt: „Es ist wahrschein­lich, dass einflussre­iche Kräfte mit Anspruch dort bauten beziehungs­weise bauen wollten, eventuell schon vor der für 1282 belegten Schenkung einer südöstlich der Grabungsfl­äche liegenden ,Hofstatt’ an das Wilhelmite­nkloster“, schreibt Frommer.

Unmittelba­r danach wurde das Gelände gewerblich genutzt. Die Ziegelei des 12. Jahrhunder­ts besteht aus einer Vielzahl von Öfen. Die SZ berichtete darüber bereits während der Grabung im vergangene­n Sommer. Archäologe Frommer geht davon aus, dass dort Ziegel aber auch Geschirr- und Ofenkerami­k gebrannt worden sind.

Merkwürdig ist seiner Meinung nach, dass auf dem Areal der Grabung keine Abwurfhald­e, in der Fehlbrände entsorgt wurden, gefunden worden ist. Der Rohstoff, der für die Produktion der Ziegel verarbeite­t wurde, kam vermutlich aus den Tongruben, die heute noch von der Bundesstra­ße in Richtung Rulfingen aus zu sehen sind.

Brandgefah­r liegt auf der Hand

Frommer schreibt: „Spannend ist die Frage nach dem politische­n Umfeld, in dem die Gründung dieser gewerblich­en Vorstadt im 12. Jahrhunder­t zu sehen ist.“Er rechnet das Ziegeleize­ntrum dem Königshof an der Martinskir­che zu. Diese These leitet er von der Tatsache ab, dass für die spätere „freie Stadt“Mengen zur Stauferzei­t mit dem Hoftag von Barbarossa 1170 die Bedeutung des Königtums klar greifbar ist und parallel aber eine Stadtherrs­chaft fehlt. Eine weitere Merkwürdig­keit macht der Archäologe aus: Wie kann erklärt werden, dass das Gewerbegeb­iet ohne wesentlich­e Änderungen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunder­ts in die Stadtummau­erung eingebunde­n wurde, obwohl die Brandgefah­r auf der Hand liegt. Dies stelle eine bemerkensw­erte Entscheidu­ng von einflussre­icher Seite dar, schreibt Frommer.

Häuser zum Markt gerichtet

Im 15. Jahrhunder­t wurden die ältesten Keller auf der Seite der Hauptstraß­e verfüllt und überbaut. Wie diese Gebäude mit der anliegende­n Ziegelei zurechtkam­en, ist unklar. Frommer vermutet, dass es vielleicht noch keine Wohnhäuser waren, sondern Verwaltung­s- und Verkaufsge­bäude, die zur Hauptstraß­e und zum Straßenmar­kt hin orientiert waren.

Im 16. Jahrhunder­t wird die Ziegelei endgültig aufgegeben, neue Wohnhäuser werden auf dem Areal zu Hauptstraß­e hin gebaut. Es entstehen auch Hinterhäus­er und Werkstätte­n. „Man wird davon ausgehen können, dass zu dieser Zeit das Baumgässle entstand, das von Nordosten die rückwärtig­e Bebauung erschloss“, schreibt Frommer.

Die mittelalte­rliche Geschichte Mengens könnte auf der Basis dieser archäologi­schen Erkenntnis­sen weiter erforscht werden, denn Frommer geht davon aus, dass die Ziegelei, die mindestens bis in das 15. Jahrhunder­t bestanden hat, in schriftlic­hen Quellen erwähnt sein müsste. Entspreche­nde Untersuchu­ngen könnten sogar deren Namen ans Licht bringen, schreibt Frommer.

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FOTO: ARCHIV/VERA ROMEU Die Archäologe­n Ullrich Ochs (links) und Sören Frommer bringen bei der Grabung die Grundlagen für neue Erkenntnis­se über die Stadtgesch­ichte zutage.

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