Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Flüchtlingskinder lernen deutsche Verkehrsregeln auf dem Rad
Landratsamt organisiert einen Fahrradkurs für kleine Radanfänger auf dem Verkehrsübungsplatz
SIGMARINGEN (sz) - Auf dem Verkehrsübungsplatz beim Sportplatz Gorheim hat es einen Fahrradkurs für Flüchtlingskinder gegeben. Für Einheimische ist es ganz normal, dass Kinder mit dem Fahrrad unterwegs sind. Und die Erwachsenen wissen, dass man da schon aufpassen muss. Denn Kinder lassen sich leicht ablenken und die Frage der Verkehrssicherheit hängt auch damit zusammen, ob die Regeln bekannt sind.
Doch wie ist das mit Kindern, die aus einem fernen Land gekommen sind und vielleicht sogar gar keine Erfahrungen mit dem Fahrrad haben? „Das ist für viele nicht einfach“, sagt Melanie Müller. Sie ist die Integrationsund Flüchtlingsbeauftragte des Landratsamtes und hatte die Idee, einen Fahrradkurs für Flüchtlingskinder abzuhalten. In Manuela Friedrich und Stefanie Thiel, beim Caritasverband Sigmaringen im Bereich Flüchtlingshilfe tätig, fand sie motivierte Mitstreiterinnen.
Beim Referat Prävention des Polizeipräsidiums Konstanz ist auch die Jugendverkehrsschule angesiedelt. Und die verfügt in einem Lastwagen über das komplette Material, das man für einen Verkehrsunterricht braucht. Fahrräder, Schutzhelme, Verkehrszeichen, Warnwesten und natürlich jede Menge Kreide, um Dinge auf dem Asphalt aufzuzeichnen.
„Beim Abbiegen immer den Arm ausstrecken und die Richtung anzeigen“, sagt Hauptkommissar Klaus Kubenz und beobachtet genau, ob der kleine Abdulla alles richtig macht. Sein Kollege Oberkommissar Kurt Hinz prüft derweilen, ob das Fahrrad zur Körpergröße des nächsten Radlers passt und ob der Helm richtig sitzt. Kommunikationsprobleme gibt es kaum. „Die Kinder sprechen schon sehr gut unsere Sprache“, sagen die beiden Polizisten anerkennend. Das Programm, das sie sich für diese spezielle Fahrschulung ausgedacht haben, orientiert sich etwas an dem, was die Beamten mit Grundschülern erprobt haben. „Allerdings haben wir einige Dinge etwas abgespeckt, sonst wird es für die Kinder zu viel“, sagt Kubenz.
Denn was für deutsche Kinder ganz normal ist, nämlich dass man ab einem gewissen Alter ein Fahrrad hat und vorher meist schon mit einem Dreirad geübt hat, das ist nicht in der ganzen Welt üblich. Manche Kinder aus Syrien sind noch nie auf einem Fahrrad gesessen. Die Motivation, jetzt auch mit so einem Gefährt unterwegs sein zu können, die ist spürund sehbar, aber auch die Angst, dass man runterfällt. Manuela Friedrich, Melanie Müller und Praktikantin Kathrin Schmid helfen gerne. Denn manchmal ist die Angst größer als der Wille. Zwei Jungs aus Syrien haben da kein Problem. Sie waren schon in Damaskus mit dem Rad unterwegs. Allerdings: „Verkehrsschilder gab es bei uns nicht“, sagt der kleine Emad. Auch nicht die, die man bei uns als „international“kennt. Das Stopp-Schild kommt ihm aber bekannt vor.
„Wir hatten das schon lange auf der Agenda“, sagt Melanie Müller. Sie fände auch Fahrradkurse für Erwachsene nicht schlecht. Doch dafür ist die Polizei nicht zuständig. Man müsste das mit Ehrenamtlichen bewerkstelligen. Die Notwendigkeit ist unbestritten. Denn dass Flüchtlinge mit den deutschen Verkehrsregeln ein Problem haben, das ist nichts Neues. „Beim Ausweichen auch mal kurz nach hinten schauen“, ruft Kubenz. Das Mädchen mit den schwarzen Locken reagiert sofort. „Super“, lobt der Mann von der Polizei. Und „super“fanden auch alle Teilnehmer diesen Kurs, der an mehreren Tagen mit unterschiedlichen Gruppen abgehalten wurde.